Women Wanted – Selbstbewusstsein und Mut
Interview mit Angelika Sery-Froschauer, Obfrau der Bundessparte Information und Consulting der WKÖ
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Interview mit Angelika Sery-Froschauer, Obfrau der Bundessparte Information und Consulting der WKÖ, Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Oberösterreich und Geschäftsführerin der Sery Brand Communications GmbH, der ältesten eigentümergeführten Werbeagentur in Österreich. Wir haben mit Angelika Sery-Froschauer über das Thema Frauen in der Wirtschaft und die Initiative "Women Wanted" gesprochen.
Wie hat sich der Frauenanteil in der WKÖ-Sparte "Information und Consulting" in den letzten Jahren entwickelt und welche Trends sehen Sie für die Zukunft?
Angelika Sery-Froschauer: Der Frauenanteil steigt, wenn auch ohne große Sprünge, kontinuierlich an. Aktuell liegt der Anteil von selbstständigen Frauen, quer über alle zehn Fachverbände in unserer Sparte, bei etwa 37 Prozent. Es besteht definitiv noch Spielraum nach oben, da wir das Ziel einer gleichmäßigen Verteilung, also mindestens "halbe-halbe", anstreben. Insbesondere im Bereich der wissensbasierten Dienstleistungen, wie der IC-Branche, gibt es viele Möglichkeiten für Frauen, sich selbstständig zu machen.
Es geht dabei einerseits um das notwendige Wissen und die Kompetenz, und hier stehen wir alle auf einem hohen Ausbildungsniveau. Andererseits geht es um die Möglichkeit, in unseren Unternehmen eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu realisieren. Das ist in wissensbasierten Berufen tendenziell leichter umsetzbar als in der produzierenden Industrie, aber auch dort ist es machbar. Wir haben in dieser Hinsicht einen Vorteil, der die Selbstständigkeit attraktiver und besser vereinbar macht.
Welche besonderen Herausforderungen stellen sich für Frauen in der Informations- und Consulting-Sparte und welche Maßnahmen kann die Branche ergreifen, um diese effektiv anzugehen?
Angelika Sery-Froschauer: Es ist entscheidend, dass die kürzlich angekündigten 4,4 Milliarden Euro, die für die Erweiterung der Kinderbetreuungssysteme und -einrichtungen vorgesehen sind, auch tatsächlich investiert werden. Diese Investition ist von großer Bedeutung, denn wir benötigen höchste Flexibilität. Unsere Arbeitszeiten sind nicht auf ein starres 9-to-5-Modell beschränkt. Wir brauchen Kinderbetreuungseinrichtungen, die flexible Betreuungszeiten anbieten, die sich nicht unbedingt an den üblichen Öffnungszeiten oder Ferienzeiten orientieren.
Es sollte selbstverständlich sein, dass Betreuung von 7 Uhr morgens bis 6 Uhr abends verfügbar ist, sodass Selbstständige ihre Kinder in gutem Gewissen und mit der Gewissheit einer qualitativ hochwertigen Betreuung betreut haben. Hier haben wir noch einiges zu tun. Dies ist ein wichtiges Anliegen für unsere Gesellschaft als Gesamtes und keinesfalls ein reines Frauenthema. Leider ist in unserer Kultur immer noch die Vorstellung verankert, dass Mütter die arbeiten und Kinderbetreuung in Anspruch nehmen, kritisch betrachtet werden.
Wir benötigen mehr Offenheit, Gleichdenken und Wertschätzung in dieser Hinsicht. Die Arbeitswelt und die damit verbundenen Möglichkeiten haben sich stark verändert, wie zum Beispiel Homeoffice. In den letzten Jahren haben wir das intensiv gespürt. Es gibt viele funktionierende Beispiele, wie Selbstständigkeit und Familie gelebt werden können z.B. Unternehmen, die von zwei Unternehmerinnen geleitet werden, die sich mit der Kinderbetreuung abwechseln. Derartige Modelle müssen entsprechend gefördert werden und auch steuerlich attraktiv sein. Kinderbetreuung und Familienarbeit betrifft beide Elternteile gleichermaßen.
Es dominieren hier leider oft noch konservative Vorstellungen und Rollenbilder, aber es gibt mittlerweile viele Väter, die klar Verantwortung in der Familie und auch bei Familienarbeit, Kinderbetreuung und Haushalt übernehmen. In der Transformation, in der wir uns befinden, gibt es aber noch viel zu tun.
Bestehen für Frauen in beratenden Berufen Vorteile gegenüber Männern?
Angelika Sery-Froschauer: Meiner Meinung nach zeigen Frauen in den Themen Beratung und Begleitung, in der Moderation sowie bei der Lösungsfindung ihre grundlegenden Stärken. Diese Fähigkeiten sind tief in unserem Wesen und Charakter verwurzelt. Frauen neigen zu einer kollaborativen Arbeitsweise, sie gehen einfühlsam auf die Bedürfnisse anderer ein. Diese Eigenschaften sind in allen beratenden Berufen von großem Vorteil und kommen natürlich auch in der Versicherungsberatung zum Tragen.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Repräsentation von Frauen in Führungspositionen innerhalb der Wirtschaft?
Angelika Sery-Froschauer: Ganz ehrlich, in den letzten Jahren, in denen wir so viele Herausforderungen gemeinsam bewältigt haben, ist mir aufgefallen, dass die Sichtbarkeit von Frauen – nicht ihre Aktivität, sondern ihre Sichtbarkeit – nicht zugenommen hat. Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich. Da ist die Familie, der Beruf und das Unternehmen, und natürlich sollte man auch noch auf sich selbst achten.
Die jüngsten Herausforderungen waren so groß und transformierend, dass man vielleicht dachte, man müsse sich nicht zusätzlich in den Vordergrund stellen und noch eine Aufgabe mehr übernehmen. Deshalb sind wir Fachverbandsobmann Christoph Berghammer sehr dankbar, dass er die Initiative "Women Wanted" ins Leben gerufen hat. Es ist an der Zeit, dass beruflich erfolgreiche Frauen mehr Sichtbarkeit erlangen und deren Stärken und Potenziale gezeigt werden.
Können Sie Beispiele für erfolgreiche Netzwerke oder Initiativen nennen, die Frauen in der Wirtschaft unterstützen.
Angelika Sery-Froschauer: Tatsächlich ist das Netzwerk "Frau in der Wirtschaft" von enormer Bedeutung, da es branchenübergreifende Vernetzungsmöglichkeiten bietet und den Fokus auf unternehmerische Fragen stärkt. Innerhalb dieses Netzwerks können wir uns praktischen Fragestellungen widmen und Erfahrungen austauschen. Das Wissensspektrum reicht von der Kinderbetreuung über Erfahrungen in neuen Märkten bis hin zu Import- und Exportthemen. "Frau in der Wirtschaft" bietet Antworten von hoher Qualität, unterstützt durch die Expertise anderer Frauen.
Zudem ist die Bildungsinitiative ein wichtiger Bestandteil. Wir bieten fortlaufend Themen an, die für viele interessantes Neues bieten. Es gibt immer etwas, das man für sich selbst mitnehmen kann. Besonders wertvoll ist auch der Austausch innerhalb des Netzwerks aller Wirtschaftskammern in der EU, bekannt als Eurochambres. Hier haben wir die Möglichkeit, uns länderübergreifend zu verschiedenen Themen auszutauschen. Diese Plattform ist nicht nur ein Netzwerk, sondern auch eine Bildungs- und Unternehmerinnenplattform, die großartige Möglichkeiten bietet.
Welche konkreten Maßnahmen sollten Ihrer Meinung nach von Seiten der Politik und der Gesellschaft ergriffen werden, um Frauen den Zugang zum Unternehmertum zu erleichtern und zu fördern?
Angelika Sery-Froschauer: Ein wichtiger Aspekt, den ich sehe, ist die gegenseitige Wertschätzung in der Gesellschaft. Nicht im Bereich der Kinderbetreuung, sondern die wichtige gesellschaftliche Rolle von Unternehmerinnen und Frauen. Tatsächlich müssen Unternehmerinnen mit Familie ein anderes Tempo und Zeitmanagement an den Tag legen, was sowohl zu individuellen Lösungen im Unternehmen als auch im privaten Umfeld führt. Oft führt das zu Begegnungen, die eindeutig noch nicht das sich gewandelte Rollenbild widerspiegeln. Beginnend bei Schulen und Kindergärten, auch hier sollte ebenfalls ein wertschätzender Umgang mit selbstständigen bzw. arbeitenden Frauen gepflegt werden. Das Rollenbild hat sich gewandelt, und dieser Wandel sollte bereits in allen Bereichen der Gesellschaft spürbar sein.
Digitalisierung im Unternehmerinnentum?
Angelika Sery-Froschauer: Für Unternehmerinnen ist die Digitalisierung ein enorm hilfreiches Werkzeug. Mit den Möglichkeiten von MS Teams, Zoom und anderen digitalen Meeting-Tools sind wir in unserer Arbeitsweise flexibler geworden, sowohl zeitlich als auch örtlich. Die Digitalisierung macht uns schneller und effizienter. Insbesondere in unserer Rolle als Informations- und Consulting-Expertinnen, wo wir häufig dazu beitragen, die Digitalisierung in verschiedene Betriebe zu tragen, ist es essenziell, dass wir selbst diese Tools und KI-Anwendungen nutzen. Die Digitalisierung ist eine der beiden großen Transformationen unserer Zeit, neben der ökologischen Transformation. Diese Themen passen aus meiner Sicht hervorragend zusammen und bieten gerade für Frauen großartige Möglichkeiten.
Einen Satz, den Sie Frauen, die sich selbstständig machen wollen oder die bereits selbstständig sind, auf den Weg mitgeben können.
Angelika Sery-Froschauer: Vertrauen in die eigene Kompetenz, Intuition und das eigene Bauchgefühl sind entscheidend, besonders in Situationen, in denen man von den Meinungen oder Zweifeln anderer umgeben ist. Sich selbst treu zu bleiben und auf die eigene innere Stimme zu hören, sind wichtige Aspekte der persönlichen und beruflichen Entwicklung. Es erfordert Selbstbewusstsein und manchmal Mut, aber es kann sehr lohnend sein.
Danke für das Gespräch.
Das Interview mit Brigitte Kreuzer ist erschienen in der Ausgabe "Versicherungsmakler" 01/2024.