EU-Verpackungsverordnung: Was bedeutet sie für den Tourismus?
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Auf EU-Ebene wurden die Regelungen zu Verpackungen und Verpackungsabfälle (PPWR) überarbeitet und könnten bis zum Frühjahr 2025 in Form einer Verordnung in Kraft treten.
Ziel: Verpackungen und damit auch der Verpackungsabfall von Menge, Volumen und Gewicht zu reduzieren/ wiederzuverwenden bzw. zu recyclieren. Verbraucher sollen vermehrt die Möglichkeit haben Verpackungen wiederzuverwenden und wiederzubefüllen.
Die Bestimmungen umfassen nicht nur Zielvorgaben für die Verpackungsreduktion (5 % bis 2030, 10 % bis 2035 und 15 % bis 2040) und Verbote für bestimmte Einwegverpackungen, sondern sie verpflichten die EU-Staaten auch dazu Sorge zu tragen, dass Verpackungsmüll aus Kunststoff reduziert wird.
Betroffenheit im Tourismus:
Von dem Vorhaben sind nach Ansicht der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft beinahe alle Tourismusbranchen mehr oder weniger stark betroffen, jedenfalls aber Hotels, Gastro, Thermen und Gesundheitsbetriebe mit Kantinen- und Restaurantbetrieb.
Noch nicht in Geltung:
Damit die Verordnung verlautbart werden kann braucht es noch den Beschluss des Rates der Europäischen Union. Mit dem man noch 2024 rechnet.
20 Tage nach Verlautbarung im Amtsblatt der EU tritt die Verordnung in Kraft. Dank einer Übergangsfrist von 18 Monaten bleibt jedoch Zeit für allenfalls erforderliche Anpassungsmaßnahmen bis die Bestimmungen anzuwenden sind.
Zudem ist diese Frist für die EU-Kommission erforderlich, um die zahlreichen Durchführungsbestimmungen und Leitlinien erlassen zu können.
Vieles noch unklar:
Wegen vieler unscharfer Formulierungen und auf Grund der noch fehlenden Durchführungsbestimmungen und Leitlinien der EU-Kommission sowie der noch offenen Auslegung durch die Mitgliedstaaten, sind die Bedeutung und der Betroffenenkreis bei vielen Bestimmungen noch unklar und können oft noch nicht abschließend beurteilt werden.
Wesentliche Inhalte:
Viele Bestimmungen in der Verordnung sind noch unklar und bedürfen erst konkretisierender Durchführungsrechtsakte der EU-Kommission.
Was aus der Verordnung jedoch aus jetziger Sicht für die Tourismusbranchen hervorgeht ist:
- Verbot gewisser Einwegverpackungen ab 1.1.2030:
"Einweg-Hotel-Miniaturverpackungen" oder Einwegverpackungen für z.B. Zucker, Gewürze, Kaffeeweißer – sofern der Konsum vor Ort erfolgt (Ausnahmen bei Abholung und Lieferung); - Möglichkeit für Kunden bieten eigene Behältnisse zum Befüllen mit Take-Away-Produkten bzw. sich für eine wiederverwendbare Verpackung von Take-Away-Produkten zu entscheiden;
- Quoten für wiederverwendbare Verpackungen (= Mehrwegverpackungen) in gewissen Bereichen ab 2030 inkl. Pfandsystem (Betriebe mit mehr als 100 m² Verkaufsfläche)
- Nicht näher definierte Beteiligungs-/Teilnahmepflicht an einem noch nicht näher ausformulierten System für die Wiederverwendung von Mehrwegverpackungen
- Informationspflichten im Zusammenhang mit wiederbefüllbaren Verpackungen
Diese Bestimmungen werden im Folgenden genauer erläutert, insbesondere in Bezug auf ihre Bedeutung für die Tourismusbranche.
Einwegkunststoffverpackungen im Gastgewerbe für
- Lebensmittel und Getränke, die in den Räumlichkeiten des Gastgewerbebetriebes befüllt und verzehrt werden.
Unter Räumlichkeiten versteht man alle Bereiche, die zum Zweck des Verzehrs von Lebensmittel und Getränken angeboten werden (Innen- wie Außenbereiche, Steh- wie Sitzbereiche). z.B. Plastikeinweggeschirr, -besteck.
Erlaubt bleiben hingegen weiterhin Kunststoffverpackungen, die im Zuge von Mitnahme oder Lieferungen an den Gast ausgegeben werden.
Von diesem Verbot können Mitgliedstaaten im Zuge der nationalen Umsetzung zu bestimmten Voraussetzungen. Ausnahmen für Kleinstunternehmer vorsehen. - Einzelportionen für Gewürzmittel, konservierte Lebensmittel, Soßen, Kaffeesahne, Zucker und Gewürze
Ausnahmen:- Die Verpackungen werden zusammen mit zubereiteten, zum sofortigen Verzehr bestimmten Lebensmitteln ohne weitere Zubereitung bereitgestellt ("Take Away" bzw. Lieferung) oder
- Die Verpackungen sind erforderlich, um Sicherheit und Hygiene in Einrichtungen zu gewährleisten, in denen individuelle Pflege medizinisch erforderlich ist, etwa Krankenhäuser, Kliniken, Pflegeheime.
Einwegverpackungen (nicht nur jene aus Kunststoff!) für Kosmetik-, Hygiene- und Toilettenartikel für die Verwendung im Beherbergungssektor, die für einzelne Buchungen bestimmt sind, z.B. Shampooflaschen, Flaschen für Hand- & Körperlotion, Päckchen für Seifenstücke.
Hier kommt es nicht darauf an, ob die Verpackung aus Kunststoff ist oder nicht, sondern darauf, dass es nur für eine einzelne Buchung und zur Entsorgung vor der Ankunft des nächsten Gastes bestimmt ist.
Verbraucher sollen verstärkt die Möglichkeit haben, Produkte und Behältnisse wiederzuverwenden und wiederzubefüllen.
Endvertreiber von Getränken und von Speisen zum Mitnehmen, müssen es Verbraucherinnen und Verbrauchern ermöglichen, eigene Behälter zu verwenden oder sich für eine wiederverwendbare Verpackung zu entscheiden.
Eigene Behältnisse mitbringen können (Wiederbefüllungsverpflichtung)
2 Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung müssen Betriebe, die im Gastgewerbe tätig sind, ihren Gästen die Möglichkeit bieten, eigene Behältnisse zum Befüllen von Take-Away-Produkten verwenden zu können.
Noch genauer gilt die Pflicht für folgende Produkte:
- für kalte und heiße Getränke, die in der Verkaufsstelle in Verpackungen zum Mitnehmen gefüllt werden und
- für fertig zubereitete Lebensmittel, die ohne weitere Zubereitung zum sofortigen Verzehr bestimmt sind und in der Regel aus dem Behältnis verzehrt werden.
Voraussetzungen:
- Keine Mehrkosten für den Kunden
- Hinweistafeln/-schilder für das Mitbringen eigener Behältnisse: gut sichtbar und lesbar
- Getränke und Speisen werden "to go" angeboten
Wahlmöglichkeit der Kunden für wiederverwendbare Verpackungen
3 Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung müssen Endvertreiber (außer Kleinstunternehmen), die im Gastgewerbe tätig sind, und (wie oben) abzufüllende kalte oder heiße Getränke und/oder fertig zubereitete Lebensmittel "to go" anbieten, den Kunden die Wahl einer wiederverwendbaren Verpackung innerhalb eines Wiederverwendungssystems einräumen.
Ausgenommen sind Kleinstunternehmen.
Ob es bis dahin ein solches Wiederverwendungssystem geben wird und wie genau es auszusehen hat, ist derzeit noch offen. Dass eines vorhanden sein wird, haben aus jetziger Sicht jene sicherzustellen, die wiederverwendbare Verpackungen "erstmals im Hoheitsgebiet eines EU-Mitgliedstaates bereitstellen" (insbesondere Hersteller und Importeure).
Ab 2030 muss man dem Kunden nicht nur die Wahl lassen, sondern sich auch bemühen, 10 % der Produkte in wiederverwendbaren Verpackungsformaten anzubieten.
Fällt die Wahl auf eine wiederverwendbare Verpackung darf es den Kunden nicht mehr kosten und auf die Wahlmöglichkeit sind Kunden durch gut sichtbare und lesbare Hinweistafeln oder -schilder hinzuweisen.
Voraussetzungen:
- Keine Mehrkosten für den Kunden
- Hinweistafeln/-schilder für die Wahlmöglichkeit: gut sichtbar und lesbar
- Getränke und Speisen werden "to go" angeboten
Eine Pfandgebühr für wiederverwendbare Verpackungen wird dabei jedoch nicht als "Mehrkosten" angesehen.
Wann die Befüllung vom Kunden mitgebrachter Behältnisse verweigert werden darf, siehe unter "Pflichten im Zusammenhang mit wiederbefüllbaren Verpackungen".
Bei Verpackungen alkoholischer und nichtalkoholischer Getränke (mit Ausnahme von Milch, Wein, aromatisiertem Wein, Spirituosen o. Ä.) sind für Betriebe ab 100 m² Verkaufsfläche besondere Ziele für die Wiederverwendung ab 2030 vorgesehen.
Welche Getränke genau hiervon betroffen sind, wird die EU-Kommission 2 Jahre nach dem Inkrafttreten der Verordnung durch Leitlinien näher festlegen.
Angesichts dessen, dass Take-Away-Verpackungen im Gastgewerbe ("Coffee to go") gesondert geregelt sind, ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um im Geschäftsbetrieb verkaufte Getränke in ihren Flaschen (PET, Glas, etc.) und Dosen handelt, aber auch um Getränke, die zum Mitnehmen im Geschäftslokal nicht erst in eine andere Verpackung/ein Behältnis ein- oder umgefüllt werden, sondern direkt in ihrer "Originalverpackung" (z.B. PET-Flasche) bleiben.
Ziele ab 2030:
Ab 01.01.2030 sind mind. 10 % der angebotenen Getränke in wiederverwendbaren Verpackungen innerhalb eines Wiederverwendungssystems bereitzustellen.
Ab 01.01.2040 soll man sich darum bemühen, mind. 40 % dieser Produkte in wiederverwendbaren Verpackungen innerhalb eines Wiederverwendungssystems bereitzustellen.
Ob es bis dahin ein solches Wiederverwendungssystem geben wird und wie genau es auszusehen hat, ist derzeit noch offen. Dass eines vorhanden sein wird, haben aus jetziger Sicht jene sicherzustellen, die wiederverwendbare Verpackungen "erstmals im Hoheitsgebiet eines EU-Mitgliedstaates bereitstellen" (insbesondere Hersteller und Importeure).
Die Bestimmung verpflichtet die betroffenen Unternehmer auch Pfand für derartige Verpackungen einzuheben und wiederverwendbare Verpackungen der gleichen Art, Form und Größe, wie die selbst bereitgestellten Verpackungen, zurückzunehmen.
Hinweis:
Auf Mehrweggebinde, wie z.B. Mehrweg-Glasflaschen wird schon derzeit von den meisten Abfüllern Pfand eingehoben.
Ausnahmen:
Jedenfalls ausgenommen sind Betriebe mit einer Verkaufsfläche von höchstens 100 m².
Zudem sind Kleinstbetriebe ausgenommen, die während eines Kalenderjahres max. 1.000 kg Verpackungen bereitgestellt haben.
Ein Ausblick – die genauen Regelungen liegen aktuell noch nicht vor:
Benutzt man – freiwillig oder aufgrund der oben angesprochenen Pflicht - wiederverwendbare Verpackungen, muss man sich an einem Wiederverwendungssysstem beteiligen, das gewisse im Anhang der Verordnung genannten Kriterien entspricht.
Man muss auch sicherstellen, dass die Verpackung vor der neuerlichen Verwendung entsprechend den Vorgaben der Verordnung aufbereitet wurde.
Wie oder wer genau sich um was kümmern wird müssen, ist derzeit noch offen. Das wird von der Ausgestaltung des Wiederverwendungssystems abhängen.
Entscheidet man sich dafür, den Kauf von Produkten durch Wiederbefüllung anzubieten, sind gewisse Informationspflichten zu erfüllen. Eine Pflicht dazu eine Wiederbefüllungsmöglichkeit im Geschäftslokal anzubieten, besteht nicht.
Bei Take-Away-Produkten muss den Kunden allerdings, 2 Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung, die Möglichkeit geben werden eigene Behältnisse zum Befüllen mitbringen zu können (siehe oben).
Kunden sind zu informieren über:
- die Art der Behältnisse, die für die Wiederbefüllung mit den angebotenen Produkten verwendet werden können,
- die Hygienenormen für die Wiederbefüllung,
- die Verantwortung des Kunden in Bezug auf Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung der Behältnisse.
Die Informationen können in den Räumlichkeiten deutlich ausgewiesen werden oder den Kunden in anderer Form zur Verfügung gestellt werden.
Es ist sicherzustellen, dass die Wiederbefüllungsstation bestimmten Anforderungen entspricht.
Die Wiederbefüllung eines vom Kunden bereitgestellten Behältnisses kann abgelehnt werden, wenn es die in der Information genannten Anforderungen nicht erfüllt.
Insbesondere wenn das Behältnis als unhygienisch oder ungeeignet für das verkaufte Lebensmittel oder Getränk befunden wird.
Der Unternehmer haftet nicht für Risiken im Zusammenhang mit der Hygiene oder der Lebensmittelsicherheit, die sich aus der Verwendung von vom Kunden bereitgestellten Behältnissen ergeben können.
Mitgliedstaaten müssen zukünftig Anreize für gastronomische Betriebe schaffen, ihren Kunden, sofern verfügbar kostenlos oder gegen eine geringe Gebühr Leitungswasser in einem wiederverwendbaren nachfüllbarem Format anzubieten.
Es handelt sich dabei bloß um eine EU-Empfehlung an die Mitgliedstaaten. Die konkrete Umsetzung in Österreich bleibt abzuwarten.
Wiederverwendbar ist eine Verpackung, grob gesprochen wenn sie mehrmals für denselben Zweck verwendet werden kann, für den sie ursprünglich bestimmt war und nach den Regeln der Verordnung wieder aufbereitet werden kann.
Kleinstunternehmen iS der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission ist ein Unternehmen, das nicht mehr als 9 Beschäftigte hat und einen Jahresumsatz von höchstens EUR 2 Millionen erwirtschaftet oder eine Bilanzsumme von maximal EUR 2 Millionen aufweist.
Verkaufsfläche iSd Verordnung ist die Fläche, die für
- die Ausstellung der zum Verkauf angebotenen Waren,
- die Bezahlung sowie
- den Aufenthalt und den Verkehr von Kunden vorgehsehen ist.
Flächen, die nicht öffentlich zugänglich sind, etwa Lagerflächen oder andere Flächen, in denen keine Produkte ausgestellt werden zB. Parkplätze, zählen nicht dazu.
Eine wiederbefüllbare Verpackung ist ein Behältnis, dass entweder dem Kunden gehört oder vom Kunden in der Verkaufsstelle erworben wird und von ihm oder vom Verkäufer befüllt wird.