Person hinter einem Tresen in einem Shop übergibt freudig eine große helle Einkaufstasche an eine Person mittleren Alters
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WKÖ-Trefelik zur Handelskonjunktur: „Aufwärts geht es leider nur bei den Kosten“

Konsumfreude hinter Erwartungen – Absatzvolumen sinkt im ersten Halbjahr real um 1,6 % - keinerlei Spielraum für weitere Kostensteigerungen vorhanden

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Aktualisiert am 21.08.2024

„Zu Jahresbeginn hatten uns die Prognosen der Wirtschaftsforscher noch Grund zur Hoffnung gegeben. Doch leider ist die Erholung bisher ausgeblieben, die Handelskonjunktur kommt nicht vom Fleck. Das Einzige, was steigt, sind die Kosten“, beschreibt WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik die wirtschaftliche Situation des österreichischen Handels. Die aktuellen Zahlen zeigen sogar weiterhin eine negative Konjunkturentwicklung und die Anzeichen auf Besserung lassen auf sich warten.

So verzeichnete der gesamte österreichische Handel (Großhandel, Einzelhandel, Kfz-Wirtschaft) im ersten Halbjahr ein nominelles Umsatzminus von -1,4 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Berücksichtigt man die Preisentwicklung, lag der reale Rückgang bei -1,6 %. „Der Einzelhandel leidet nach wie vor unter der Kaufzurückhaltung vieler Konsument:innen und auch die Großhandelskonjunktur steckt in der Krise fest. Nur die Kfz-Wirtschaft befindet sich wieder im Aufwärtstrend“, sagt Handelsforscher Peter Voithofer vom Institut für Österreichs Wirtschaft (iföw), der die Konjunkturdaten auf Basis der Statistik Austria-Zahlen für die WKÖ-Bundessparte Handel analysierte. Konkret lag das Minus in den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 im Einzelhandel real bei -0,8 % und im Großhandel bei -3,8 %, während die Kfz-Wirtschaft ein Plus von +3,1 % verbuchte.

Große Rückgänge im Möbel-, Bücher- und Schuhhandel

Unterschiedliche Entwicklungen gibt es auch innerhalb des Einzelhandels. Real sind hier nur der Lebensmittel- (+0,9 %) und der Bekleidungseinzelhandel (+1,7 %) gewachsen, wobei der Bekleidungshandel seit der Corona-Krise mit einer anhaltenden schwachen Nachfrage konfrontiert ist. Die größten Rückgänge verzeichneten im Jahresvergleich der Möbeleinzelhandel mit -12,7 %, vor dem Einzelhandel mit Büchern/Zeitschriften (-9,5 %) und dem Schuheinzelhandel (-9,2 %). „Generell läuft es im Food-Bereich besser als in den Non-Food-Branchen“, fasst Voithofer zusammen.

Mit dieser insgesamt unerfreulicher Entwicklung hinkt Österreich auch den meisten anderen europäischen Ländern hinterher: Im EU-Einzelhandelsranking belegt Österreich lediglich den 21. Platz. Im Durchschnitt wuchs der Einzelhandel in den EU-27 im 1. Halbjahr real um +0,4 %. Nach wie vor weit vorne rangiert Österreich hingegen bei der Inflation: Obwohl sich die Teuerung in den vergangenen Monaten abgeschwächt hat, hat Österreich immer noch die EU-weit fünfthöchste Inflationsrate. „Der Einzelhandel wirkt hier inflationsdämpfend“, so Voithofer, da die Preissteigerungen im Einzelhandel deutlich unter der Inflationsrate liegen.

Beschäftigung leicht gesunken, ebenso die Zahl der offenen Stellen

Diese schwierige konjunkturelle Situation schlägt sich auch auf die Beschäftigung nieder: Die Zahl der Beschäftigten im heimischen Handel sank im ersten Halbjahr 2024 um -0,6 % auf 565.583, wobei der Rückgang im Einzelhandel mit -1,3 % am größten war. Hier hatten nur die Drogerien mit +1,2 % einen Mitarbeiterzuwachs. Im Großhandel sank die Zahl der Beschäftigten um -0,2 %, in der Kfz-Wirtschaft hingegen nahm sie aufgrund der hier besseren Wirtschaftslage um +1,4 % zu. Und obwohl der Fachkräftemangel in vielen Betrieben nach wie vor ein Thema ist, sank auch die Zahl der offenen Stellen im Handel: Gab es im ersten Halbjahr 2023 noch rund 20.000 offene Stellen im Handel, waren es im ersten Halbjahr heuer mir rund 15.000 um ein Viertel weniger.

Wettbewerbsfähigkeit des heimischen Handels massiv gefährdet

„Der heimische Handel legt somit keine Halbjahresbilanz, mit der wir zufrieden sein können - vor allem auch deshalb, weil die Schere zwischen Umsätzen und Kosten immer mehr aufgeht“, resümiert Handelsobmann Trefelik. Daher gelte es, die Kostendynamik einzubremsen. „Schon jetzt ist, wie in vielen anderen Branchen auch, die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Handelsbetriebe massiv gefährdet. Für weitere Kostensteigerungen gibt es keinen Spielraum mehr“, so Trefelik.

Vielmehr müssten Maßnahmen zur Entlastung der Betriebe gesetzt werden, dazu zählen vor allem eine Senkung der Lohnnebenkosten und eine Entbürokratisierung. „Mit dem Lieferkettengesetz oder der Entwaldungsverordnung werden sicherlich hehre Ziele verfolgt, aber es kann nicht sein, dass dies in der Praxis enorme Dokumentationspflichten und damit zusätzliche Bürokratie bedeutet“, sagt Trefelik. Zusätzlich braucht es einen fairen Wettbewerb im Online-Handel, weshalb sich die Bundessparte seit langem massiv dafür einsetzt, dass die Zollfreigrenze von 150 Euro für Einfuhren aus Drittländern rasch abgeschafft wird. „Wir müssen die Wettbewerbsvorteile chinesischer Plattformen wie Temu und Shein gegenüber den heimischen Handelsunternehmen eindämmen“, so Trefelik.

Einzelhandel ist für seine Mitarbeiter:innen sehr attraktiv

Neben den vorwiegend negativen Konjunkturdaten gibt es allerdings auch Positives zu berichten. So stellen die Einzelhandelsmitarbeiter:innen den Handelsbetrieben in der Studie „Employer Attractiveness“, die das Institut für Handel, Absatz und Marketing an der JKU Johannes Kepler Universität Linz im Auftrag der Bundessparte Handel erstellte, ein sehr positives Zeugnis aus. Denn für 79 % der mehr als 1000 befragten Einzelhandelsmitarbeiter:innen ist ihr Job attraktiv, für 81 % auch ihre konkreten Arbeitgeber:innen und 74 % bezeichnen die Branche insgesamt als attraktiv. „Der Einzelhandel ist also entgegen allen Vorurteilen ein attraktiver Arbeitgeber“, so Studienautor und Institutsvorstand Christoph Teller. Und rund sieben von zehn Handelsmitarbeiter:innen sagen auch, sie würden die Branche weiterempfehlen. Besonders geschätzt werden die Tätigkeit selbst, die Flexibilität einer Arbeit im Handel sowie die vielen Kundenkontakte.

Abgefragt wurde übrigens auch, wieweit Teilzeit gewünscht ist. Dabei gab mit 87 % die weit überwiegende Mehrheit der Teilzeitbeschäftigten an, mit ihrem Stundenausmaß zufrieden zu sein. Für 58 % kommt ein Aufstocken nicht in Frage, 32 % würden ein paar Stunden mehr arbeiten, auf Vollzeit erhöhen jedoch nur 10 %. Wichtigster Anreiz dafür wäre mehr Geld. Weiterarbeiten in der Pension ist für fast 40 % vorstellbar, jeder bzw. jede zehnte Einzelhandelsmitarbeiter:in möchte sogar sicher weiterarbeiten. „Gerade wenn sich in den nächsten Jahren die demografische Entwicklung immer stärker bemerkbar macht, sind Pensionist:innen somit ein signifikantes Arbeitskräftepotenzial“, sagt Teller.

Für Handelsobmann Trefelik bestätigt die Studie, dass „der Einzelhandel ein guter Arbeitgeber ist und dass viele unserer Mitarbeiter:innen auch bereit wären, mehr zu arbeiten, wenn mehr netto vom Brutto übrigbleibt“. Anreize, um Stunden aufzustocken und in der Pension dazuzuverdienen wären daher dringend notwendig.