Lebensmittelexport stagniert – Nur auf Deutschland ist weiterhin Verlass
Wettbewerbsfähigkeit: Lebensmittelindustrie formuliert 9 Forderungen an die neue Bundesregierung
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„Lebensmittel ‚Made in Austria‘ sind seit vielen Jahren Bestseller im Export rund um den Globus. Im ersten Halbjahr 2024 hat unser Lebensmittelexport im Vergleich zum Vorjahr an Schwung verloren und stagniert bei einer schwarzen Null. Der Wettbewerbsdruck für österreichische Lebensmittel auf den Auslandsmärkten nimmt zu“, erklärt Mag. Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbands der Lebensmittelindustrie, anlässlich der SIAL - der Fachmesse für Nahrungs- und Genussmittel in Paris. „Die hohen Arbeits- und Energiekosten im Inland sind eine der vorrangigen Ursachen dafür, dass die heimischen Lebensmittelhersteller gegenüber ihren internationalen Mitbewerbern derzeit preislich an Wettbewerbsfähigkeit verlieren“, ergänzt Koßdorff.
Exportbilanz für das erste Halbjahr 2024: Exportwert stagniert, Importe legen zu
Die vorläufigen Zahlen aus der Exportbilanz zeigen bei Erzeugnissen der österreichischen Lebensmittelindustrie (Zollkapitel 16 bis 24) für das erste Halbjahr 2024 ein Exportvolumen in Höhe von 5,2 Mrd. Euro. Dieser Wert entspricht jenem aus 2023 und verweist auf eine wertmäßige Stagnation. Die exportierte Menge ist leicht gestiegen (+5,6 %). „Der Lebensmittelexport hat sich eingebremst. Wir verzeichnen eine schwarze Null, die hauptsächlich auf verlässliche Exporte nach Deutschland beruhen. Zusätzlich sind die Importe bei den Erzeugnissen der Lebensmittelindustrie im ersten Halbjahr 2024 wertmäßig um 11,9 % und mengenmäßig um 10,1 % überdurchschnittlich gestiegen und liegen bei 4,5 Mrd. Euro. Der Wind auf dem Inlandsmarkt und auf den Exportmärkten wird für die heimischen Lebensmittelhersteller jedenfalls rauer“, so Koßdorff.
75 Prozent der heimischen Lebensmittelexporte gehen in die EU
Der EU-Binnenmarkt bleibt für die heimische Lebensmittelindustrie der wichtigste Absatzmarkt: 75 % ihrer Exporte gehen in die EU (3,9 Mrd. Euro, +4,7 %), 25 % in Drittstaaten (1,3 Mrd. Euro, -11,7 %). Auf Drittstaaten außerhalb Europas wie den USA, Kanada oder Asien entfallen rund 13 % des Gesamtexportvolumens (693 Mio. Euro, -17,5 %).
Auf Deutschland ist weiterhin Verlass: unser nördliches Nachbarland bleibt wichtigster Handelspartner
Deutsche Konsumentinnen und Konsumenten bleiben österreichischen Lebensmitteln und Getränken treu: Die Exporte nach Deutschland sind im ersten Halbjahr 2024 gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum gestiegen (Wert +4,0 %, Menge +11,4 %). Rund 37 % aller Exporte der Lebensmittelindustrie gehen in unser nördliches Nachbarland. Deutschland bleibt damit der wichtigste Handelspartner der heimischen Lebensmittelindustrie. Wie bedeutend Deutschland für die heimischen Lebensmittelexporteure ist, zeigt sich wie folgt: Rechnet man die Lieferungen nach Deutschland aus den österreichischen Lebensmittelgesamtexporten heraus, weist die Exportbilanz für das erste Halbjahr 2024 eine rückläufige Entwicklung von -2,2 % aus.
TOP 5-Exportländer für österreichische Lebensmittel
Nach Deutschland gehören zu den TOP 5-Exportländern Italien (368 Mio. Euro, -3,5 %), die Schweiz (215 Mio. Euro, -2,1 %), die Niederlande (197 Mio. Euro, +7,4 %) und Ungarn (172 Mio. Euro, -4,1 %). Nach Produktgruppen erzielten alkoholfreie Getränke (Energy-Drinks, Limonaden, Eistees) mit 1,2 Mrd. Euro den höchsten Wert beim Exportvolumen, verzeichneten aber Rückgänge beim Wert (-18,3 %) und bei der Menge (-9,0 %). Andere Lebensmittelzubereitungen (Wert +0,6 %, Menge +24,7 %), Teigzubereitungen und Mehlspeisen (Wert +5,8 %, Menge +12,4 %) sowie feine Backwaren (Wert +1,7 %, Menge +2,7 %) konnten sich trotz der Herausforderungen behaupten.
Lebensmittelindustrie und Export: trotz gestiegener Importe bleibt Bilanz positiv
Bei den Erzeugnissen der österreichischen Lebensmittelindustrie (Zollkapitel 16-24) ist die Außenhandelsbilanz traditionell positiv. Das bedeutet: Wir exportieren mehr verarbeitete Lebensmittel als wir einführen. Das trifft trotz vermehrter Importe auch im ersten Halbjahr 2024 zu. In diesem Zeitraum sank aber die positive Außenhandelsbilanz gegenüber dem ersten Halbjahr 2023 von +1.193 Mio. Euro auf +717 Mio. Euro.
Im Gegensatz dazu ist die Außenhandelsbilanz des gesamten österreichischen Agrarsektors (Zollkapitel 1 bis 24) traditionell negativ. Das bedeutet, wir importieren mehr Agrarrohstoffe als wir exportieren. Der Grund dafür ist leicht erklärt: Österreich kann sich mit sämtlichen Agrarrohstoffen und Halbfabrikaten über das ganze Jahr nicht selbst versorgen und ist auf Importe angewiesen.
Zudem wachsen einige Rohwaren klimatisch bedingt nicht in Österreich und müssen eingeführt werden, z. B. Kakao, Kaffee, Tee, Reis, Gewürze oder Südfrüchte. Im ersten Halbjahr 2024 weist die Außenhandelsbilanz des gesamten Agrarsektors Österreichs (Zollkapitel 1-24) ein Minus von -907 Mio. Euro aus. Im vergleichbaren Vorjahreszeitraum lag dieses noch bei -184 Mio. Euro. Die Außenhandelsbilanz bei den Agrarwaren tierischen und pflanzlichen Ursprungs (Zollkapitel 1 bis 15) liegt bei -1.625 Mio. Euro (im ersten Halbjahr 2023 betrug dieses Minus noch 1.377 Mio. Euro).
Kostendruck im Inland schwächt internationale Wettbewerbsfähigkeit
Der Export bleibt für die Lebensmittelindustrie auch in schwierigen Zeiten unerlässlich: Zwei von drei Lebensmitteln gehen ins Ausland. „Angesichts des schwierigen Inlandsmarktes ist der Export für die Branche unverzichtbar, um Produktion und Jobs im Land zu sichern. Die Lebensmittelhersteller müssen dafür international wettbewerbsfähig bleiben“, so Koßdorff. Auch der Draghi-Bericht attestiert Handlungsbedarf für mehr Wettbewerbsfähigkeit in Europa. Die Krisen der letzten vier Jahre haben eindrücklich gezeigt, dass nur eine starke und resiliente Nahrungs- und Genussmittelindustrie im eigenen Land die Versorgung der Bevölkerung zu jedem Zeitpunkt mit besten Lebensmitteln, Getränken und Futtermitteln in ausreichender Menge gewährleisten kann.
Wettbewerbsfähigkeit der Branche stärken und Investitionen ermöglichen
Die Produktionskosten sind in den vergangenen Jahren massiv gestiegen und schwächen den heimischen Industriestandort. Die hohen Arbeitskosten in Österreich gelten derzeit als vorrangige Ursache für die Verschlechterung der internationalen Wettbewerbsposition. Daher ist eine Senkung der Lohnnebenkosten dringend geboten, genauso wie wettbewerbsfähige Energiepreise, weniger Bürokratie (u. a. bei Lieferkettengesetz, Entwaldungsverordnung oder Nachhaltigkeitsberichterstattung), eine Entlastung bei der Transformation zu mehr Nachhaltigkeit und freie Fahrt im Export (statt Handelshemmnisse, Gold Plating oder Re-Nationalisierung). Vorhaben für neue Steuern in Österreich – einem Hochsteuerland – werden abgelehnt.
Zusätzlich kämpfen die Hersteller mit wetterbedingt hohen Rohstoffkosten, etwa bei Kakao, Olivenöl, Orangensaft, Kaffee und Gewürzen. Auch die See-Frachtkosten haben sich infolge der Lage im Nahen Osten erhöht, da Transportschiffe den Suezkanal umfahren müssen, was den Transport um rund vier Wochen verlängert. In Deutschland und – nach dem Hochwasser – auch in Österreich sind viele Bahnstrecken eingeschränkt. Bereits letztes Jahr gab es einen offenen Brief der Fleischbranche, der auf die existenzbedrohende Situation vieler Betriebe hingewiesen hat.
9 Forderungen an die neue Bundesregierung
Die Lebensmittelindustrie formuliert 9 Forderungen für eine starke Wettbewerbsfähigkeit der Branche:
- Leistbare Arbeits- und Energiekosten
- Faire Wettbewerbsbedingungen entlang der Lebensmittelkette
- Freie Fahrt im Export
- Einen starken EU-Binnenmarkt statt Re-Nationalisierung und Gold Plating
- Einen Stopp der Überregulierung
- Eine leichtere Transformation zu mehr Nachhaltigkeit
- Lösungen für den Arbeitskräftemangel
- Krisenresilienz der Branche für die Versorgungssicherheit des Landes
- Ernährungsbildung für eine gesunde Lebensweise
- Nähere Details finden Sie hier.
Koßdorff abschließend: „Die heimische Lebensmittelindustrie zählt zum Rückgrat unserer Volkswirtschaft. Ich bin daher zuversichtlich, dass sich die neue Bundesregierung für optimale Rahmenbedingungen in der EU und in Österreich einsetzen wird, damit unsere Lebensmittelhersteller konkurrenzfähig bleiben und die Versorgung unseres Landes mit Produktionsbetrieben in Österreich weiter verlässlich sicherstellen können“.
Stellenwert der Lebensmittelindustrie in Österreich
Die Lebensmittelindustrie ist eine der größten Branchen Österreichs. Sie sichert im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten tagtäglich die Versorgung mit sicheren, qualitativen und leistbaren Lebensmitteln. Die rund 200 Unternehmen mit ihren 27.400 direkt Beschäftigten erwirtschafteten 2023 ein Produktionsvolumen von rund 12 Mrd. Euro. Rund 10 Mrd. Euro davon werden im Export in über 180 Länder abgesetzt. Die Branche trägt wesentlich zum Wohlstand des Landes bei: Jeder Euro, der in der Lebensmittelindustrie erwirtschaftet wird, löst 1,23 Euro an Wertschöpfung in anderen Unternehmen aus.
Jeder Arbeitsplatz in der Lebensmittelindustrie bewirkt die Schaffung oder Absicherung von weiteren knapp zwei Arbeitsplätzen in Österreich. In Summe sind mit der Branche rund 150.000 Arbeitsplätze verbunden. 4 von 10 von der Lebensmittelwirtschaft erwirtschafteten Euro fließen über Steuern und Abgaben an den Staat zurück. Für die Landwirtschaft ist die Lebensmittelindustrie der wichtigste Partner und Abnehmer von Rohstoffen. Der Fachverband unterstützt seine Mitglieder durch Information, Beratung und internationale Vernetzung.