Chemische Industrie fordert umfassendes Gas-Krisenmanagement ein
Masterplan für Versorgungssicherheit nötig
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Kurz vor dem geplanten Ende der Wartung der Nord Stream 1 Pipeline werden die warnenden Stimmen vor einer drohenden Energieknappheit in Folge russischer Gaslieferstopps immer lauter und zahlreicher. Der von der Europäischen Kommission heute vorgestellte Notfallplan geht auf dieses Worst Case Szenario ein. Und auch in Österreich muss nun ein strukturiertes und breites Krisenmanagement aufgestellt werden, um das Land bestmöglich auf den Ernstfall vorzubereiten. Es braucht dabei ein Gesamtkonzept mit aufeinander abgestimmten Maßnahmen sowie eine offene und transparente Krisenkommunikation. „Wir regen einen umfassenden Masterplan an, wie die Gasversorgung in Österreich in den nächsten Monaten und darüber hinaus gesichert werden soll. Je besser wir für den Winter aufgestellt sind und die Menschen in die notwendigen Schritte einbeziehen, desto stärker bleibt der Zusammenhalt der westlichen Staaten gegen die russische Aggression,“ so Hubert Culik, Obmann des Fachverbandes der Chemischen Industrie. Dieser Masterplan muss sämtliche relevante kurz- und mittelfristige Aspekte umfassen, beispielsweise eine fundierte Mengenplanung - sowohl bei Gas als auch alternativen Energieträgern wie Heizöl oder Biomasse - gemeinsam mit Einsparmaßnahmen. Genauso müssen weitere rechtliche Begleitmaßnahmen etwa zu finanziellen Unterstützungen und Emissionsregelungen erarbeitet werden. Und schließlich sind detaillierte Notfallpläne für das Worst Case Szenario erforderlich.
Klare Kriterien für Aufrechterhaltung der Versorgung notwendig
Für den produzierenden Bereich braucht es klare Vorgaben für den Ernstfall. Die Kommission nennt folgende Kriterien, nach denen Gasrationierungen erfolgen sollen: Neben Sektoren oder Unternehmen der sogenannten „kritischen Infrastruktur“ sollen die entsprechenden Lieferketten und deren wirtschaftliche Auswirkungen analysiert werden. Im Kommissionspapier ist die chemische Industrie mehrfach genannt. Sie produziert systemrelevante Produkte wie Medikamente, Desinfektionsmittel oder Düngemittel, gleichzeitig ist sie wichtiger Zulieferer für alle anderen Industriesektoren: 96 Prozent der in der EU hergestellten Waren benötigen Vorprodukte aus der Chemie. Von der Landwirtschaft über die Lebensmittel- und Getränkeindustrie, das Gesundheitswesen, die Energiewirtschaft, den Maschinenbau, die Bauwirtschaft, die Textilindustrie, den Umwelttechniksektor bis zum Verkehrswesen. Auch die Energiewende hängt davon ab, ob Spezialkunststoffe und High-Tech-Beschichtungen für Windräder und Solarpaneele produziert werden können.
Auch Österreich braucht detaillierte Notfallpläne
Aus Sicht der chemischen Industrie ist ein entsprechender, vertiefter Prozess nun auch in Österreich dringend geboten, um auf einen möglichen Gaslieferstopp aus Russland vorbereitet zu sein. „Die Empfehlungen der Kommission sind eine gute Basis, um die komplexen Lieferketten einer modernen Wirtschaft abzubilden. Die chemische Industrie ist sehr gerne bereit, ihre Expertise einzubringen, damit die Auswirkungen eines Gaslieferstopps auf Österreich möglichst geringgehalten werden können“, erklärt Culik. Weiters wird seitens der Kommission festgehalten, dass auch bei geschützten Kunden Einsparungen notwendig sein werden. „Klar ist: Niemand soll frieren. Aber es wird in öffentlichen Gebäuden und bei Privaten ebenfalls zumutbare Einschränkungen wie ein Absenken der Raumtemperatur geben müssen, um Betriebsschließungen so lange wie möglich zu vermeiden. Im Zweifel wird der Erhalt von Arbeitsplätzen und der Versorgungssicherheit einen zusätzlichen Pullover rechtfertigen,“ appelliert Culik, auch unpopuläre Maßnahmen zu erarbeiten und zu verkünden.
Über den FCIO
Der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) ist die gesetzliche Interessenvertretung der chemischen Industrie in Österreich. Die etwa 230 Mitgliedsunternehmen produzieren in unterschiedlichen Sektoren zB Pharmazeutika, Kunststoffe und Kunststoffwaren, Fasern, Lacke, Düngemittel oder auch organische und anorganische Chemikalien. Die etwa 48.000 Beschäftigten der Branche stellten 2021 Waren im Wert von über 18 Milliarden Euro her. Der FCIO setzt sich für einen ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltigen und attraktiven Chemiestandort Österreich mit einem forschungs- und technologiefreundlichen Umfeld ein, in dem die chemische Industrie mit ihrer Innovationskraft Lösungen für die zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen entwickeln und liefern kann.