Kommentar Wirtschaftspolitik: Warum wir Produktivitätswachstum brauchen

Ausgabe 41/2016

Lesedauer: 3 Minuten

Aktualisiert am 13.03.2023

In Kürze

  • Wachsende Arbeitsproduktivität führt zu Wirtschaftswachstum, ermöglicht die nachhaltige Konsolidierung der Staatsschulden, gewährleistet die langfristige Finanzierung des Pensionssystems und hält die internationale Wettbewerbsfähigkeit aufrecht.
  • Anreize für Investitionen sowie Reformen und Initiativen, die auf Innovation, Technologie und Bildung abzielen, zusammen mit einem Bürokratieabbau können das Produktivitätswachstum wieder beschleunigen.


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Entwicklung der Arbeitsproduktivität

Die Arbeitsproduktivität, also die Wertschöpfung pro geleisteter Stunde, wird von der Kapitalvertiefung und der Multifaktorproduktivität (MFP) bestimmt. Seit Mitte der 1990er Jahre ist international eine Verlangsamung des Produktivitäts­wachstums zu beobachten (OECD, 2015). Die Entwicklung in Österreich verlief im internationalen Vergleich gut, auch wenn insbesondere seit 2012 eine Verlangsamung der Zuwachsraten eintrat. Im Zeitraum 1995 - 2015 lag das Produktivitätswachstum bei durchschnittlich 1,4 % pro Jahr (EU28: 1,3 %), seit 2010 bei 0,8 %. Im Schnitt erwirtschafteten erwerbstätige Österreicher im Jahr 2015 45 Euro pro Stunde.  

Determinanten der Arbeitsproduktivität

Die Bestimmungsfaktoren der Arbeitsproduktivität sind die Kapitalvertiefung und die Multifaktorproduktivität. Erster wird durch die Kapitalleistungen pro geleisteter Stunde bestimmt, zweiter durch technologischen Fortschritt, Pro­zess- und Produktinnovationen, innovative Management- und Marketingprakti­ken, Qualitätsverbesserungen im Kapitalstock und des Arbeitseinsatzes, das institutionelle und wirtschaftspolitische Umfeld, die Intensität von Forschung und Entwicklung etc. (Weyerstraß, 2016). Die Wachstumsbeiträge der Kapital­vertiefung und der MFP zum Wachstum der Arbeitsproduktivität sind in etwa gleich hoch (rund 0,7 und 0,5 Prozentpunkte im Durchschnitt, 2001 - 2014).

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Was passiert, wenn das Produktivitätswachstum so niedrig bleibt?

Wachstum und Verschuldung: Laut langfristiger Budgetprognose (BMF, 2016) ist die Entwicklung der MFP der wichtigste Faktor für eine nachhaltige Entwicklung der österreichischen Volkswirtschaft. Wenn das MFP-Wachstum schwächelt, sinkt auch das Wirtschaftswachstum. Damit steigt die Verschuldung, Geld für Investitionen und Sozialausgaben wird weniger. Wenn das Wachstum der MFP statt 0,7 % (langjähriger Durchschnitt) auf 0,3 % fällt (2014: -0,3 %), dann sinkt das Wirtschaftswachstum von rund 1,5 % auf rund 0,7 %. Damit würde die Staatsverschuldung im Jahr 2030 71,6 % erreichen, 2060 sogar 127,9 % (statt  64 % und 49,5 % bei einem MFP-Wachstum von 0,7 % pro Jahr).  

Demographische Entwicklung und Sozialausgaben: Das Verhältnis zwischen Pensionisten und Erwerbstätigen wird kontinuierlich steigen. Im Jahr 2015 kamen auf einen Pensionisten 3,35 Erwerbstätige; laut Prognosen der Statistik Austria wird dieses Verhältnis 2030 1:2,45 betragen, im Jahr 2060 gar 1:1,82.  Selbst wenn die Erwerbsbevölkerung gleicht bleibt (nur durch Migration und höheres Pensionsantrittsalter möglich), muss die Produktivität steigen, um die Pensionen zu finanzieren (BMF, 2016).  

Wettbewerbsfähigkeit: Wachsende Arbeitsproduktivität ermöglicht Lohn-steigerungen ohne Verlust internationaler Wettbewerbsfähigkeit.  

Maßnahmen für ein stärkeres Wachstum der Arbeitsproduktivität

Um das Produktivitätswachstum wieder zu beschleunigen, müssen die Kapital­leistungen steigen und die Multifaktorproduktivität gefördert werden. Für die Kapitalvertiefung ist es relativ einfach – es muss mehr investiert werden. Dafür braucht es bessere Rahmenbedingungen für private Investitionen sowie gezielte staatliche Investitionen. Aber für die Multifaktorproduktivität? Reformen und Initiativen müssen sich auf folgende Bereiche konzentrieren:

  • Innovation und Technologie: Österreich muss sich v.a. auf wissens­basierte Bereiche und Innovationen konzentrieren, Investitionen in immaterielle Güter forcieren und ein positives Umfeld für innovative und technologieintensive Unternehmen schaffen.
  • Humankapital-Akkumulation: Das österreichische Bildungssystem führt trotz überdurchschnittlicher Kosten nur zu durchschnittlichen Ergeb­nissen. Wichtig ist die Förderung der Bildungsmobilität (besonders Frauen und Migranten), jungen Menschen eine Ausbildung zu garantieren sowie lebenslanges Lernen zu fördern. 
  • Regulierungen des Arbeits- und Produktmarkts: Regulierungen und Vorschriften schwächen das Wachstum der MFP. Regulierungen und Bürokratie müssen abgebaut werden, die Flexibilität und Kreativität aller Akteure gefördert werden.   

Im Zuge der aktuellen Reformanstrengungen wurden erste Schritte gesetzt, allerdings müssen wesentliche Investitionsanreize für Unternehmen aller Größenklassen gesetzt und die bürokratischen Belastungen reduziert werden. Zugleich müssen die Chancen durch Digitalisierung und Innovation genutzt, die Verbreitung und Durchdringung gefördert werden.   

» zum Überblick 


Quellen

  • BMF (2016), Langfristige Budgetprognose Bericht gem. § 15 (2) BHG 2013, April 2016, Wien
  • OECD (2015), OECD Compendium of Productivity Indicators 2015, OECD Publishing, Paris
  • Weyerstraß, K. (2016), Analyse der Produktivität Österreichs im internationalen Vergleich, FIW Policy Brief Nr. 31, April 2016

Ansprechperson

Dr. Elisabeth Nindl
Wirtschaftskammer Österreich
Stabsabteilung Wirtschaftspolitik

+43 5 90 900-4216
Elisabeth.Nindl@wko.at



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