Die Sozialhilfeleistungen der Länder und der Grundsatz: Fördern und Fordern
Argumente der WKÖ
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Rechtliche Grundlage der Gewährung von Sozialleistungen durch die Länder ist das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz des Bundes gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG. Erstmals wurden österreichweit geltende Höchstgrenzen eingeführt, was einer österreichweiten Vereinheitlichung besser gerecht werden kann als Mindestsätze, wie sie in der bis 2016 geltenden Art. 15a BVG-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, die Grundlage der „alten“ Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS), verankert waren.
Die Neuregelung der Sozialhilfe war dringend erforderlich. Mit Inkrafttreten der Bedarfsorientierten Mindestsicherung im Jahr 2010 erreichte die Steigerung der Zahl der Bezieher und der Kosten im Jahr 2017 mit einem Plus von über 70 % ihren Höhepunkt. Dazu kamen jährliche Mehrkosten für den Bund für gleichzeitig eingeführte mindestsichernde Elemente in der Notstandshilfe sowie zusätzliche Kosten im AMS-Förderbudget. Das ursprüngliche Ziel der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, die Sozialhilfe österreichweit zu vereinheitlichen und die Bezieher in den Arbeitsmarkt zu integrieren, wurde ebenfalls nicht erreicht, was zu Kritik vom Rechnungshof führte.
Der starke Anstieg von 2010 bis 2017 hing vor allem mit der Erhöhung der Leistung zusammen. Einerseits fielen immer mehr Menschen, insbesondere solche mit Arbeitslosengeld-/
Notstandshilfebezug, unter die BMS-Grenzen und wurden zu sogenannten „Aufstockern“. Anderseits war die BMS vor allem für Mehrkindfamilien so hoch, dass kein Anreiz für eine Arbeitsaufnahme bestand.
Beispiel eines Niedrigverdiener-Paares mit zwei Kindern aus einer IHS-Studie:
Erst bei mehr als 48 Wochenstunden Erwerbstätigkeit wäre das verfügbare Einkommen der Familie höher als bei völliger Untätigkeit! Denn einerseits fallen Transfers wie die BMS weg, andererseits mindern Steuern und Abgaben das Erwerbseinkommen. Die Wirklichkeit ist dramatischer, weil das Beispiel von den ursprünglich in der BMS geltenden Mindestsätzen ausging und einige Bundesländer (z.B. Wien) höhere Sätze zahlen, von der ORF-Gebühr befreien, etc.
Sozialhilfe-Grundsatzgesetz
Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz hat Eckpunkte verankert, die dem Ziel einer österreichweiten Vereinheitlichung der Sozialhilfe weit besser gerecht werden konnten als die alte Mindestsicherung. Die in der Vergangenheit fehlenden Arbeitsanreize wurden gestärkt und der Abstand zu den durch die Zielgruppe erreichbaren Erwerbseinkommen im Auge behalten. Folgende Grundsätze wurden verankert:
- Höchstsätze statt Mindestsätze, eine mit 12-mal begrenzte Auszahlung
- Klar verankerter Vorrang von Sachleistungen statt Geldleistungen
- Ein Freibetrag von 35 % (Art „Kombilohn“) bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
Gleichzeitig werden die Länder angehalten Kontrollsysteme einzurichten. Sozialhilfebezieher, die neben Arbeitslosengeld/Notstandshilfe auch Sozialhilfe beziehen und auf Grund eines Fehlverhaltens vom AMS eine Sperre erhalten, sollten auch eine gewisse Kürzung der Sozialleistungen erfahren. Die Sozialhilfeleistung darf die Sperre des AMS nicht mehr zur Gänze, sondern nur bis zu 50 % kompensieren.
Positiv ist weiters, dass die Sozialhilfedaten der Länder in die Transparenzdatenbank aufgenommen werden. Es entspricht einer langjährigen WKÖ-Forderung, die Daten zu Arbeitslosengeld/Notstandshilfe und Sozialhilfe bundesweit zu erfassen.
Sozialhilfe-Ausführungsgesetze der Bundesländer
Die im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (in Krafttreten am 1.6.2019) verankerten Eckpunkte sind die Basis, auf der die Länder Ausführungsgesetze zu erlassen haben. Nicht alle Bundesländer - so Wien etwa nicht - haben das Grundsatzgesetz umgesetzt, weshalb in diesen Fällen die Kompetenz zur Erlassung der Ausführungsgesetze gemäß Artikel 15 Abs 6 B-VG für die Dauer der Säumigkeit auf den Bund übergegangen wäre.
Unterschiedliche Sozialhilfeleistungen erschweren die Arbeitsmarktintegration
Der regionale Mismatch am Arbeitsmarkt ist bekanntlich eine große Herausforderung. Höhere Sozialleistungen, wie etwa in Wien, ziehen unweigerlich potenzielle Bezieher an. Gleichzeitig liegen die Arbeitsmarktchancen im Westen, wo in vielen Regionen Vollbeschäftigung besteht, ungleich höher. Gleichzeitig wird der 35%ige Freibetrag bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit - ein wichtiger In-Work-Benefit - zu wenig angewandt. Wien hat etwa keinen einzigen Fall. Die Umsetzung einheitlicher Grundsätze wäre ein Werkzeug, um dem regionalen Mismatch ebenso wie dem österreichweiten Arbeitskräftemangel entgegenzusteuern und sollte daher auch unter diesem Gesichtspunkt stärker beachtet werden.
Autorin: Mag. Gabriele Straßegger
Februar 2024