Einkommensunterschied: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist bereits Realität

Argumente der WKÖ

Lesedauer: 8 Minuten

Aktualisiert am 27.05.2024

Die Wirtschaftskammer bekennt sich zum Grundsatz „Gleicher Lohn für gleich Arbeit“ und tritt für Maßnahmen ein, um Einkommen von Frauen zu heben und ungerechtfertigte Unterschiede zu beseitigen. Allerdings ist die Diskussion um den Einkommensunterschied meist verkürzt und einseitig. 

Wenn immer wieder vom Gender Pay Gap die Rede ist, wird suggeriert, dass Arbeitnehmerinnen in Österreich per se weniger bezahlt bekommen als ihre männlichen Kollegen. Diese Annahme ist aber falsch. Ein ganz wichtiger Grund dafür sind die kollektivvertraglichen Gehaltstabellen, die keinen Unterschied nach Geschlecht machen. Die sind übrigens keine Selbstverständlichkeit: Die KV-Abdeckung von ca. 98 % in Österreich ist international ein Spitzenwert und Garant für hohe soziale Absicherung. 

Warum ist dann dennoch immer wieder von einer Gehaltsschere die Rede?

Es gibt diverse Einkommensvergleiche, und je nach Erhebungsmethode ergeben sich unterschiedlich große Differenzen, die aber fast immer auf nachvollziehbaren Gründen beruhen und meist nichts mit Diskriminierung zu tun haben.

Warum weichen die Werte der unterschiedlichen Staaten deutlich voneinander ab?

Internationale Statistiken weisen für fortschrittliche Länder oft eine überdurchschnittliche Einkommensschere aus. Der Hintergrund: Länder mit geringer Frauenerwerbsbeteiligung wie Italien (55 %) oder Rumänien (59 %) weisen einen eher geringen Einkommensunterschied auf, weil dort vor allem qualifizierte Frauen auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen. Weniger qualifizierte Frauen aber – unter anderem auch Hausfrauen oder arbeitslose Frauen – gehen nicht in die Einkommensstatistik ein.

Fortschrittliche Länder mit hoher Frauenerwerbsbeteiligung wie Estland (80,4%), Tschechien (73,7%) Österreich (73,4%) oder Deutschland (76,8 %) verzeichnen hingegen größere Einkommensunterschiede. Dennoch haben Frauen in diesen Ländern bessere Arbeitsmarkt- und Verdienstchancen.

Was sind die wichtigsten Erhebungen, und wie unterscheiden sich diese?

Beim Einkommensvergleich werden oft „Äpfel mit Birnen“ verglichen. Vorweg: Die Männereinkommen sind zwar in allen Statistiken für EU- bzw. OECD-Staaten höher. Interessant wird’s aber bei einem Blick hinter die Zahlenfassade: Was genau bilden diese Erhebungen jeweils ab? 

Wenn in Österreich über die Gehaltsschere berichtet wird, wird gern der Eurostat-Wert von 18,4% herangezogen (2022).

Ein wesentlicher Grund für den hohen Wert ist die Berechnungsmethode von Eurostat: Es werden unbereinigte Daten verwendet. Für Entlohnung maßgeblich bestimmende Faktoren wie Alter, Ausbildung, Berufserfahrung oder Branche werden von Eurostat NICHT herausgerechnet. 

Bereinigter EU-Indikator (Eurostat)

Eurostat berechnet für die Länder der damaligen EU-28 auch einen Gender Pay Gap unter Einbeziehung der zusätzlichen Merkmale Branche, Beruf, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit, Alter, Ausbildung, Unternehmensgröße, Art des Arbeitsvertrags. Diese aufwändige Berechnung wurde zuletzt für das Jahr 2018 durchgeführt und ergibt für Österreich einen Einkommensunterschied von rund 10,8%, der nicht mit objektiven Faktoren erklärt werden kann. Im EU-Vergleich gehört Österreich damit in die Gruppe jener 10 Länder, die mit einem bereinigten Gender Pay Gap von weniger als 11,4% unter dem EU-Schnitt liegen[1]

Bereinigter EU-Gender Pay Gap 2014
© WKÖ
Unbereinigter Lohnunterschied 2018 (Eurostat) 20,4%
© WKÖ

Laut Eurostat sind die beiden Hauptgründe für den Lohnunterschied in Österreich das Ausmaß der Arbeitszeit (Teilzeit statt Vollzeit) und die Branchenwahl von Frauen.

Der bereinigte Lohnunterschied betrug 2018 10,8%, der unbereinigte betrug 20,4%. Medien zitieren meist nur die unbereinigten Werte und verschweigen den bereinigten Lohnunterschied, warum auch immer.

OECD-Indikator
Die OECD publizierte das letzte Mal 2011 den bereinigten Lohnunterschied. Dieser wies für Österreich eine Lohndifferenz von nur 5,4% aus.

WIFO-Berechnung
Die Datengrundlage stammt aus der EU-SILC Erhebung zu Einkommen und Lebensbedingungen. Im Jahr 2021 betrug der bereinigte WIFO-Lohnunterschied in Österreich 6,4%[2]. 

Auch die Berechnungen des WIFO zeigen ein deutliches Auseinanderklaffen des bereinigten und unbereinigten Lohnunterschieds:

Lohnunterschied
© WIFO


Vergleich verschiedener Berechnungsmethoden von Einkommensdifferenzen für Österreich
© WKÖ

Warum bleibt auch nach Bereinigung ein Einkommensunterschied?

Je mehr relevante Faktoren man berücksichtigt, desto kleiner wird der Einkommensunterschied. Folgende Faktoren werden von der Statistik Austria nicht eingerechnet und erklären, warum auch nach Bereinigung eine Differenz bleibt:

  • Bereitschaft zur leistungsorientierten Entlohnung: Frauen entscheiden sich seltener für leistungsorientierte Entlohnung und ziehen ein Fixum variablen Vergütungen mit Provision vor.
  • Gehaltsverhandlungen: Männer legen tendenziell mehr Wert auf ihr Gehalt, Frauen sind oft Betriebsklima und Lebensqualität wichtiger.
  • Subjektive, „softe“ Ursachen, die nicht quantitativ erfassbar bzw messbar sind, dazu gehören Soft Skills, aber auch die persönliche Einstellung, Haltung oder das Verhandlungsgeschick.

Übrigens sind die Einkommensunterschiede zwischen selbständigen Frauen und Männern höher als bei unselbständig Beschäftigten, obwohl es hier keinen Arbeitgeber gibt, dem man Ungleichbehandlung vorwerfen könnte.

Einkommen und Arbeitszufriedenheit

Abseits von der Entlohnung gibt es aber noch Gründe, warum ein Job für einen Arbeitnehmer attraktiv ist. Bei internationalen Umfragen zur Arbeitszufriedenheit schneidet Österreich stets gut ab. Der Arbeitsklimaindex der Arbeiterkammer Oberösterreich weist seit vielen Jahren bei Frauen eine sogar leicht höhere Arbeitszufriedenheit aus als bei Männern. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die Zufriedenheit der Frauen während der strengen Coronamaßnahmen (Lockdowns, Homeoffice) deutlich höher war als bei den Männern[3].

Hier dürfte eine Verbindung zwischen Einkommen und Zufriedenheit bestehen: Unangenehmere oder gefährlichere Tätigkeiten zu unangenehmeren Arbeitszeiten sind meist besser entlohnt (durch Überstunden- und Nachtzuschläge, Schmutz-, Erschwernis-, Gefahrenzulagen). Diese werden viel häufiger von Männern geleistet. Laut Statistik Austria entfallen 70 % der Mehr- und Überstunden auf Männer. Das dürfte dazu beitragen, dass Männer zwar höhere Einkommen erzielen, aber dafür weniger zufrieden mit den Arbeitsbedingungen sind.

Unterschiedliche Risikoneigung

Ein weiterer Grund für den pay gap liegt darin, dass heute beide Partner berufstätig sind. Dies führt meist dazu, dass Frauen nicht-lohnbezogenen Aspekte bei der Auswahl des Arbeitsplatztes wichtiger sind als lohnbezogene[4].  Ein weiterer Grund kann in der unterschiedlichen Risikoneigung zwischen Männern und Frauen liegen. Zahllose Studien belegen, dass Frauen sich generell risikoscheuer verhalten als Männer[5] und daher wettbewerbsorientierte Arbeitsumfelder eher meiden[6] [7] [8] [9]. Das könnte dazu beitragen, dass weniger Frauen in Führungspositionen zu finden sind. Ein weiterer Aspekt der geringeren Risikoneigung, ist die Häufigkeit des Jobwechsels. Laut einer OECD Studie[10] wechseln Frauen im Alter von 32 Jahren (wenn der Mobilitätsunterschied Mann – Frau am größten ist) 10% weniger wahrscheinlich den Arbeitgeber als Männer. Auch das erklärt den pay gap, da große Gehaltssprünge und Wechsel in Führungspositionen eher bei Firmenwechsel stattfinden[11]. Wenn Frauen den Arbeitgeber wechseln, dann häufig aus persönlichen Gründen (wie flexiblere Arbeitszeiten, Arbeitsort näher am Wohnort), aber selten wegen eines Gehaltssprungs.

Ansatzpunkte für mehr Fairness

Auch wenn die Einkommensdifferenz in Wirklichkeit deutlich kleiner ist und meist nichts mit Diskriminierung zu tun hat: Wir müssen alle Hebel nutzen, um auf allen Ebenen für gleiche Ausgangslagen und Fairness zu sorgen.

  • Fokus Berufswahl und Branche

Ein wesentlicher Grund für den Einkommensunterschied ist, dass Frauen überproportional in Branchen mit niedrigem Einkommensniveau tätig sind. Burschen konzentrieren sich nach wie vor auf technisch-gewerbliche Lehrberufe, Mädchen auf die drei Lehrberufe Verkäuferin, Sekretärin und Frisörin. Der Frauenanteil im Bereich Informatik und Kommunikationstechnologie betrug 2019 22%, wobei nur 17% der Frauen das Studium abschlossen. Im Ingenieurwesen beträgt der Frauenanteil 23% und in MINT-Studien 24%. Zum Vergleich: in Pädagogikstudien betrug der Frauenanteil 70%, wobei nur 36% der Frauen das Studium abschlossen.[12] 

Notwendig sind daher eine gezielte Ausbildung und Ermutigung von Frauen zur Karriere und zur atypischen Berufswahl. Daher hat die WKÖ gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium und der Industriellenvereinigung das Führungskräfteprogramm „Zukunft.Frauen“ ins Leben gerufen (www.zukunft-frauen.at). Ziel ist, mehr Frauen im Topmanagement in Vorstands-, Aufsichtsratspositionen zu etablieren und zu vernetzen.

  • Fokus Arbeitszeit

Die Frauen holen auf: Frauen hatten im Jahr 2021 ein um 9% höheres inflationsbereinigtes Medianeinkommen als 1998, das der Männer lag lediglich 2% über dem Basisjahr. [13] Die Einkommenserhöhung bei Frauen liegt daher auch deutlich über der durchschnittlichen Einkommenserhöhung (in der Grafik grau) und über der Einkommenserhöhung der Männer (blau). 

Bruttojahreseinkommen vollzeitbeschäftigter Frauen
© Wifo

Auch die relative hohe Teilzeitquote hat Auswirkungen auf die Fraueneinkommen. Im EU-Durchschnitt arbeiten 29% der Frauen Teilzeit[14], in Österreich sind es 51%[15]. Denn Teilzeitbeschäftigung kann den beruflichen Aufstieg hemmen und verhindert damit auch höhere Einkommen.

Dennoch ist aber festzuhalten: Teilzeit entspricht meist den Wünschen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (nicht nur der Wirtschaft, wie oft dargestellt). Nach einer Market-Umfrage sind 90 % der Teilzeitbeschäftigten mit Arbeitszeit und Arbeitsplatz zufrieden. Teilweise sind die Werte höher als bei Vollzeit. Nach Eurostat arbeiteten 2023 nur 7% der teilzeitbeschäftigten Frauen unfreiwillig in Teilzeit. Damit sind die österreichischen Frauen mit ihrer Teilzeitbeschäftigung zufriedener als der EU-Durchschnitt: dort arbeiten 18% der Frauen unfreiwillig in Teilzeit.

Ein Grund dafür: Teilzeit wird in Österreich massiv begünstigt: Teilzeitbeschäftigte zahlen mehrheitlich keine oder nur wenig Lohnsteuer und oft auch keinen Arbeitslosenversicherungsbeitrag, sind aber voll arbeitslosenversichert. Eine Ausweitung der Beschäftigung dämpft diese Vorteile – somit ist Teilzeit häufig attraktiver als der Vollzeitjob. Eine aktuelle WIFO-Studie (WIFO-Monatsberichte 2018 91 (2)) bestätigt diesen Effekt vor allem für Frauen.

Teilzeit in Österreich
© WKÖ
  • Fokus Pensionsantrittsalter

Das frühere gesetzliche Pensionsantrittsalter für Frauen führt dazu, dass Frauen früher aus dem Erwerbsleben aussteigen. Dadurch verlieren sie die einkommensbesten Jahre, die ja meist am Ende des Berufslebens kommen. Doch schon vorher führt die Perspektive einer frühen Pension dazu, dass weniger in die Ausbildung investiert wird, weil diese „sich nicht mehr auszahlt“, und dass weitere Karrieresprünge unterbleiben.

  • Fokus Kinderbetreuung

Das Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen ist in Österreich leider nach wie vor unzureichend, was vielfach die Erwerbstätigkeit von Frauen beeinträchtigt. Deshalb ist eine Kernforderung der WKO in diesem Bereich schon seit Jahren eine flächendeckende & qualitativ hochwertige Kinderbetreuung für alle Altersstufen! Die neue 15a Vereinbarung war ein Schritt in die richtige Richtung, die zukünftigen Entwicklungen bleiben abzuwarten[16].

 

5. Referenzen

Böheim R., Fink M. und Zulehner C. (2019). About Time: The Narrowing Gender Wage Gap in Austria. WIFO Working Papers, 589/2019.

Eurostat-Datenbank. https://ec.europa.eu/eurostat/de/data/database.

Eurostat (2018). A decomposition of the unadjusted gender pay gap using Structure of Earnings Survey data. https://ec.europa.eu/eurostat/documents/3888793/8979317/KS-TC-18-003-EN-N.pdf/3a6c9295-5e66-4b79-b009-ea1604770676

OECD (2012). Closing the Gender Gap: Act Now.



  




[1] Leythienne, Perez-Julian, Gender pay gaps in the EU, 2021 Edition

[2] https://www.wifo.ac.at/jart/prj3/wifo/resources/person_dokument/person_dokument.jart?publikationsid=70674&mime_type=application/pdf

[3] http://db.arbeitsklima.at/

[4] https://www.iza.org/de/publications/dp/12785/gender-gaps-in-pay-and-inter-firm-mobility

[5] G. Charness, U. Gneezy / Journal of Economic Behavior & Organization 83: https://www.researchgate.net/publication/251515509_Strong_Evidence_for_Gender_Differences_in_Risk_Taking

[6] Croson, Rachel, and Uri Gneezy. 2009. "Gender Differences in Preferences." Journal of Economic Literature: https://www.aeaweb.org/articles?id=10.1257/jel.47.2.448

[7] NIEDERLE / VESTERLUND, DO WOMEN SHY AWAY FROM COMPETITION? DO MEN COMPETE TOO MUCH? : https://web.stanford.edu/~niederle/Niederle.Vesterlund.QJE.2007.pdf

[8] Gneezy/Niederle/Rustichini, PERFORMANCE IN COMPETITIVE ENVIRONMENTS:GENDER DIFFERENCES: https://www.researchgate.net/publication/24091828_Performance_In_Competitive_Environments_Gender_Differences

[9] Gneezy/ Rustichini, Gender and Competition at a Young Age: https://www.researchgate.net/publication/4727137_Gender_and_Competition_at_a_Young_Age

[10] OECD Employment Outlook 2022

[11] https://kurier.at/wirtschaft/karriere/lohnender-abgang-per-jobwechsel-zu-mehr-gehalt/400094186

[12] https://www.sn.at/politik/innenpolitik/frauen-studieren-technik-seltener-und-mit-weniger-erfolg-107946457

[13] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/III/792/imfname_1491190.pdf

[14] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1098738/umfrage/anteil-der-teilzeitbeschaeftigung-in-den-eu-laendern/#:~:text=Quartal%202023%20haben%20rund%2017,8%2C4%20Prozent%20gelegen%20hat.

[15] https://www.statistik.at/statistiken/arbeitsmarkt/arbeitszeit/teilzeitarbeit-teilzeitquote

[16] https://science.apa.at/power-search/16941595802669539340




  

Autor: Mag. Emanuel Ludwig, MBA

Mai 2024