Allgemeine Arbeitszeitverkürzung: „volkswirtschaftliches Todesurteil“[1]
Argumente der WKÖ
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Immer wieder wird eine generelle Arbeitszeitverkürzung als Patentrezept für und gegen alles gefordert: gegen Arbeitslosigkeit und Arbeitskräftemangel, gegen Arbeitsbelastung, für Produktivität und Arbeitsmotivation. Am besten wäre eine Arbeitszeit von 30 Stunden für alle – als ob alle dasselbe wollen und brauchen. Die Position beruht auf einer Reihe von Irrtümern.
Irrtum 1: Menschen wollen dasselbe und können nicht selbst bestimmen
Vor 50 Jahren gab es kaum Teilzeit. Inzwischen arbeitet jede dritte Arbeitskraft Teilzeit und jede zweite Frau. In allen Umfragen sind ca. 80% der Arbeitnehmer zufrieden mit ihrer Arbeitszeit. 69% geben in einer Umfrage an, dass ihre Wünsche bei der Einteilung immer oder meist berücksichtigt werden. Laut Eurostat sind nur 7,9% der Teilzeitbeschäftigten unfreiwillig in Teilzeit. Das ist kein Widerspruch zu Umfragen, laut denen viele Vollzeitbeschäftigte weniger und viele Teilzeitbeschäftigte mehr arbeiten wollen. Realisiert werden diese Wünsche meist nicht, weil weniger Arbeit weniger Lohn bedeutet und mehr Arbeit oft unvereinbar ist mit anderen Aktivitäten, z.B. Kinderbetreuung.
Faktum: Menschen, ihre Bedürfnisse und Präferenzen sind verschieden. Der Arbeitsmarkt bietet heute die Wahl zwischen Voll- und Teilzeit.
Irrtum 2: Arbeitszeitverkürzung reduziert Arbeitslosigkeit
Die Erfahrung zeigt: Jobs oder Arbeitszeit lassen sich nicht einfach auf „mehr Köpfe“ umverteilen. Arbeitsmarkt und damit Arbeitszeitvolumen sind nicht
statisch, sondern dynamisch und hängen von vielen Faktoren ab, etwa von Kaufkraft, Wettbewerbsfähigkeit, Präferenzen. Laut Studien (z.B. von EcoAustria) würde allenfalls eine Arbeitszeitverkürzung mit Lohnkürzung die Arbeitslosigkeit senken. Doch niemand will eine Lohnkürzung.
Faktum: In Frankreich stieg die Arbeitslosigkeit nach der Verkürzung der Arbeitszeit auf 35 Stunden, die Wettbewerbsfähigkeit ging zurück. Daher hat Frankreich die Verkürzung 2008 teilweise zurückgenommen.
Irrtum 3: Arbeitszeitverkürzung ist ein Mittel gegen Arbeitskräftemangel
Wenn ein Unternehmen um 25% mehr bezahlt als Kollektivvertragslohn oder Konkurrenz, fällt es nicht auf. Wenn es verkündet, fünf Arbeitstage zu bezahlen, aber nur vier Arbeitstage zu beschäftigen, ist ihm die Aufmerksamkeit von Medien, Politik und damit auch Bewerbern sicher. Der Effekt verschwindet, wenn alle das machen.
Faktum: Schon jetzt fehlen Arbeitskräfte, die Demografie verstärkt das. Eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung würde den Mangel zusätzlich anheizen. Daher müssten wir mehr und länger arbeiten. Die Arbeitszeitnovelle 2018 erweiterte die Spielräume in der Arbeitszeit. Die Arbeitszeitzufriedenheit ist weiterhin hoch, die faktische Arbeitszeit sogar zurückgegangen. Die Verkürzung der Arbeitszeit beim Gesundheitspersonal verschärfte die Engpässe im heimischen Gesundheitssystem.
Irrtum 4: Die Produktivität ist gestiegen, Unternehmen verkraften daher den Lohnausgleich
Die Produktivität der Österreicher ist gestiegen und wurde entsprechend in Lohnerhöhungen vergütet. Die Lohnquote, also der Anteil der Arbeitnehmer am Gesamteinkommen, ist heute wie in den 90er Jahren bei 70%. Der Produktivitätsgewinn kann nicht zweifach vergütet werden.
Eine bekannte britische Studie behauptet, die Produktivität sei durch Einführung der Viertagewoche gestiegen. Es nahmen aber nur wenige Unternehmen teil und kaum solche aus Produktion und Gesundheitswesen. Eine höhere Produktivität würde jedenfalls die gleichzeitig beklagte Arbeitsdichte und -belastung erhöhen.
Faktum: Eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn würde den Faktor Arbeit massiv verteuern und Unternehmen zwingen, weniger produktive Arbeitskräfte abzubauen.
Irrtum 5: Die Arbeitsbelastung erfordert eine Arbeitszeitreduktion
Behauptet wird, Österreicher arbeiten im EU-Vergleich lange. Bei der tatsächlichen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten, die auch die vielen Feier- und Urlaubstage berücksichtigt, ist Österreich laut Eurostat im EU-Mittelfeld. Die Österreicher arbeiten heute im Schnitt 1,5 Stunden pro Woche kürzer als 2019 und 3 Stunden weniger als 2011, weil Teilzeit zunimmt und Überstunden zurückgehen.
Die Arbeitszeit verkürzt sich also ohnehin. Immer mehr Jobs werden als Teilzeit oder Vollzeit angeboten. Beim Job Quality Index liegt Österreich an 7. Stelle von 36 Staaten, d.h. der Anteil der stark belasteten Jobs ist geringer, jener der gut ausgestatteten deutlich höher als in den meisten Ländern.
Faktum: Eine Arbeitszeitverkürzung würde den Druck erhöhen, in weniger Arbeitszeit dasselbe zu leisten.
Irrtum 6: In den 60er und 70er Jahren hat es funktioniert
Bei den Arbeitszeitverkürzungen der 60er und 70er Jahre war der globale Wettbewerb nicht so intensiv und die Produktivität stieg viel stärker als heute. Ebenfalls stieg die Zahl der Erwerbspersonen vor allem bei (Haus)Frauen. Heute schrumpft die Zahl der Menschen im Erwerbsalter und es gibt nur wenige Reserven. Zudem bietet der Arbeitsmarkt von heute – im Gegensatz zu früher – meist die Wahl zwischen Voll- und Teilzeit.
Faktum: Die Lage ist heute ganz anders als damals. Daher hat in den letzten 30 Jahren nur Frankreich die Arbeitszeit verkürzt – mit schlechten Erfahrungen: die Lohnstückkosten stiegen stark an; Konkurse und Liquiditätsengpässe waren die Folge; die Arbeitslosigkeit nahm weiter zu, da sich Betriebe neue Mitarbeiter nicht mehr leisten konnten; teure Überstunden und Sonderurlaube (RTT) stiegen an, ebenso wie Burnout (insbes. bei Führungskräften).
Irrtum 7: Von einer Arbeitszeitverkürzung profitieren die Arbeitnehmer
Weniger Arbeitszeit, gleicher Lohn – klingt gut, funktioniert aber nicht, im Gegenteil: Eine generelle Arbeitszeitverkürzung würde zu Einkommenseinbußen der Arbeitnehmer führen, Unternehmen und Volkswirtschaft massiv schwächen.
Faktum: Das Arbeitsvolumen ist das Fundament für Wohlstand und Sozialstaatsfinanzierung. Die Last darauf, die Zahl der Pensionen, steigt. Das Fundament, die Zahl der Menschen im Erwerbsalter, schwindet hingegen. Mit einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung würde es einbrechen. Die Folgen: Abstriche bei Pensionen & Sozialstaat, höhere Steuern und keine Reserven für Zukunftsinvestitionen in Innovation, Klimaschutz und Kinder.
[1] Zitat WKÖ-Präsident Harald Mahrer 21.3.2023
Autor: Dr. Ingomar Stupar
Stand: März 2024