Österreichs Unternehmer im EU-Spitzenfeld
„GEM Österreich Bericht 2016“ unterstreicht Dynamik des heimischen Unternehmertums
Lesedauer: 5 Minuten
Der „Global Entrepreneurship Monitor“ (GEM) ist die größte Vergleichsstudie zur unternehmerischen Aktivität und zu Gründungsaktivitäten weltweit. In Österreich wurden dafür rund 4.594 Telefon- und 40 ausführliche Expertenbefragungen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen die unternehmerische Aktivität, förderliche und hemmende Faktoren sowie Handlungsempfehlungen zur Stärkung des Unternehmertums in Österreich.
In Kürze
- Der GEM Österreich Bericht untersucht die unternehmerische Aktivität der heimischen Bevölkerung.
- Die Ergebnisse: Österreich liegt in der Gruppe der innovationsbasierten Länder Europas auf dem 5. Platz, insgesamt gesehen auf dem 10. Platz.
- Bei den „etablierten UnternehmerInnen“, also jenen, die schon über 3,5 Jahre am Markt unternehmerisch tätig sind, erreicht Österreich sogar Rang 3 in Europa.
- Ebenso hebt der Bericht die hohe FTI-Affinität der heimischen Unternehmen hervor.
- Trotz der positiven Ergebnisse wird auch konkreter Handlungsbedarf identifiziert, der sich zu einem Großteil mit Forderungen der Wirtschaftskammer Österreich deckt, u.a. bei der Steuer- und Abgabenbelastung, bei der Bürokratie und bei der unternehmerischen Erziehung im Schulbereich.
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- Aktive Jungunternehmer-Szene
- 18,1 % gesamte unternehmerische Aktivität
- Technologieaffin und international tätig
- Junge Unternehmen schaffen Beschäftigung
- Unternehmen stark forschungsbasiert
- Gründe, Unternehmen zu gründen
- Handlungsbedarf identifiziert
- Fazit
Aktive Jungunternehmer-Szene
GEM zeigt, dass Österreich bei der „Rate des frühen Unternehmertums“ (total early-stage entrepreneurial activity rate bzw. TEA-Rate1) im internationalen Vergleich gut aufgestellt ist.
5. Rang bei der „Rate des frühen Unternehmertums“ unter den innovationsbasierten EU-Ländern
Mit 9,6 % der Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren – also etwa 550.000 Personen – liegt Österreich unter den europäischen Ländern in der Gruppe der innovationsbasierten Länder auf dem 5. Platz, noch vor Großbritannien (9,2 %), und Deutschland (4,6 %). 2014 lag die TEA-Rate noch bei 8,7%, 2007 gar nur bei 2,4 %. Gerade die hohe Zahl an Vorgründern wird sich aller Voraussicht nach über kurz oder lang positiv auf die heimische Gründerstatistik auswirken.
TEA-Rate1) europäischer Länder (in der Gruppe der innovationsbasierten Länder)2)
1) Die Rate des frühen Unternehmertums oder TEA-Rate umfasst lt. GEM-Definition Vorgründer (Personen, die sich kurz vor der Gründung befinden), Gründer und neue Unternehmer (bis zu 3,5 Jahre am Markt tätig).
2) Quelle: GEM Consortium (eigene Darstellung)
18,1% gesamte unternehmerische Aktivität
Vom 17,0% auf 18,1 % - Anstieg der „gesamten unternehmerischen Aktivität“ im Vergleich zum Jahr 2012
- Mit 18,1 % ist im Jahr 2016 die „gesamte unternehmerische Aktivität“ (TEA-Rate und etablierte UnternehmerInnen) ähnlich hoch wie 2014, im Vergleich mit 2012 sogar gestiegen (damals 17,0 %).
- Gemessen an den Alterskohorten zeigt GEM, dass die 25- bis 34-Jährigen mit fast 28 % der TEA-Rate unternehmerisch am aktivsten sind. Jeweils knapp ein Viertel fallen auf die 35- bis 44-Jährigen bzw. die 45- bis 54-Jährigen. Lediglich der Anteil der 55- bis 64-Jährigen ist in Österreich unterrepräsentiert (TEA-Rate von ca. 10 %).
Technologieaffin und international tätig
Verglichen mit etablierten Unternehmen nutzen junge heimische Unterneh-merInnen tendenziell aktuellere und neuere Technologien. Dies zeigt einen Handlungsbedarf in der Gruppe jener Unternehmen auf, die schon länger am Markt sind.
GEM unterstreicht starke Exportorientierung der heimischen Betriebe
Bestätigt wird im heurigen GEM-Bericht auch Österreichs Spitzenplatz bei der internationalen Orientierung der JungunternehmerInnen, d.h. Unternehmen, die einen großen Anteil an ihrer Kundschaft im Ausland haben: 32,5 % aller Jungunternehmer haben mehr als ein Viertel der Kunden im Ausland (Anstieg um 6 Prozentpunkte im Vergleich zu 2014). In der Gruppe der innovations-basierten Länder liegt Österreich im EU-Vergleich klar auf Platz 1, gesamt
gesehen auf Platz 4.
Junge Unternehmen schaffen Beschäftigung
Laut GEM hat sich die Beschäftigungssituation bei den Jungunternehmen leicht verbessert.
Im Vergleich zum Jahr 2014 schaffen Junge Unternehmen 2016 mehr Jobs
Die Beschäftigungserwartung bei den Jungunternehmern scheint sich für die kommenden fünf Jahre im Vergleich zu 2014 leicht verbessert zu haben, d.h. Jungunternehmer schaffen 2016 tendenziell mehr Jobs als noch 2014 (egal ob in der Kategorie 1 - 5 Jobs, 6 - 19 Jobs oder 20+ Jobs). Etablierte Unternehmer sind etwas pessimistischer in ihren Joberwartungen als Jungunternehmer.
Aber: Lediglich 10,4 % der TEA-Unternehmer erwarten eine sehr hohe Steigerung (+50 % Belegschaft in den kommenden fünf Jahren), womit Österreich an viert-letzter Stelle der innovationsbasierten Länder liegt (2014 noch 9,6 %). Nur Schweden, Spanien und Griechenland liegen hinter Österreich.
Unternehmen stark forschungsbasiert - starke FTI-
Ausrichtung der Unternehmen
2016 wurde im Rahmen der Österreich-Analyse wieder eine tiefgreifende Erhebung bzgl. forschungs-, technologie- und innovationsbasierter (FTI) Gründungs- und Unternehmensaktivitäten durchgeführt. Die FTI-Ergebnisse des GEM zeigen, dass ein überwiegender Anteil der in der Gründungsphase befindlichen Unternehmen sowie JungunternehmerInnen sich selbst im weitesten Sinne als forschungs-, technologie- und innovationsbasiert einschätzen, wobei die Forschungs-, Technologie- und Innovationsindikatoren im Vergleich zu 2014 gestiegen sind.
Bei den forschungsbasierten Jungunternehmern gab es im Vergleich zu 2014 einen leichten Anstieg (33,3 % vs. 29,9 %). UND: Der Anteil der forschungsbasierten Jungunternehmer ist deutlich höher als jener der etablierten Unternehmer (33,3 % vs. 20,1 %).
Gründe, Unternehmen zu gründen
Der GEM-Bericht zeigt, dass Möglichkeitsmotive bei der Unternehmens-
gründung klar dominieren:
- Selbstverwirklichung, der Wunsch nach höherem Gehalt oder der Wunsch nach mehr Unabhängigkeit sind auch 2016 nach wie vor hoch: 79,4 % der Jungunternehmen haben bei der Gründung eines dieser Motive.
Leicht bedenklich stimmt jedoch, dass Notwendigkeitsmotive im Jahr 2016 um ca. 5 Prozentpunkte auf 15,6 % gestiegen sind.
Ein gemischtes Bild zeigt sich bei der Einschätzung von Gründungsmöglichkeiten und –fähigkeiten: Im Vergleich zu 2014 nehmen 42,4 % der Bevölkerung gute Gründungsmöglichkeiten wahr, d.h. sehen ein gutes wirtschaftliches Umfeld (aber: minus 2 Prozentpunkte). 49,8 % der Bevölkerung würde sich ausreichend kompetent ansehen, um ein Unternehmen zu gründen.
Gleichzeitig haben/hätten aber nicht weniger als 46,2 % der befragten Personen Angst vorm Scheitern (dies ist der achthöchste Wert bei den innovationsbasierten Ländern).
Handlungsbedarf identifiziert
Trotz der positiven Ergebnisse geht aus GEM hervor, dass in Österreich nach wie vor zahlreiche hemmende Faktoren für das Unternehmertum bestehen und Handlungsbedarf in folgenden – wohl bekannten – Bereichen besteht:
- Die Steuer- & Abgabenbelastung sowie die Lohnnebenkosten werden als zu hoch eingestuft.
- Die Bürokratie wirkt sich negativ auf die unternehmerische Aktivität aus.
- Die unternehmerische Bildung (v.a. im Primär- und Sekundarbereich) wird als stark ausbaufähig eingestuft. Im EU-Vergleich nimmt Österreich den letzten Platz ein.
- Der Zugang zu Unternehmensfinanzierung muss laut GEM weiter verbessert und Investitionsanreize für Unternehmen gesetzt werden.
Fazit
Österreichs Unternehmerinnen und Unternehmer sind FTI-affin und schaffen
Beschäftigung. Um auch in Zukunft den Spitzenplatz im EU-Vergleich halten zu können, bedarf es aber weiterer Anstrengungen im Bereich der Steuer- und Abgabenentlastung, beim Bürokratieabbau, im Bildungssystem und bei der Finanzierung. Diese Punkte decken sich auch mit langjährigen Forderungen der Wirtschaftskammer Österreich.
Weiterführende Informationen
Der GEM Österreich Bericht wurde 2016 erstellt von der FH JOANNEUM und JOANNEUM Research. Förderer und Partner des Projekts sind die Wirtschaftskammer Österreich, die Wirtschaftskammer Steiermark, die Wirtschaftskammer Wien, das BMWFW, das BMVIT, das BMF sowie aws GmbH und der Rat für Forschung und Technologieentwicklung.