Kommentar Wirtschaftspolitik: Bad Ischler Dialog 2016 - Migration und Integration

Ausgabe 36/2016

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 13.03.2023

In Kürze

Der „Bad Ischler Dialog 2016“ brachte Experten aus Politik und Wirtschaft mit Sozialpartnern und Regierungsmitgliedern zusammen.

Gemeinsam diskutierte man über Handlungsfelder, Lösungsansätze sowie Chancen und Herausforderun­gen von „Migration und Integration“.

Zugleich präsentierten die Sozialpartner die Erfolge von „70 Jahre Sozialpartnerschaft“ und das Jubiläum „10 Jahre Bad Ischler Dialog“.

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Volkswirtschaftliche Effekte

Grundsätzlich hängt das Gelingen der wirtschaftlichen und sozialen Integration von MigrantInnen entscheidend von der gesamtwirtschaftlichen Ausgangslage ab. Die starke Zunahme der Migration der letzten Jahre trifft Österreich zu einem konjunkturell ungünstigen Zeitpunkt. Die gesamtwirtschaftliche Nach­frage und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen muss somit durch Anreize und geeignete Rahmenbedingungen für Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen, Fachkräfte ausbilden und Investitionen tätigen, angekurbelt werden.

Es gibt positive langfristige, volkswirtschaftliche Effekte von Migration, die sich aus dem Saldo der von Migranten bezogenen Sozialtransfers und den von ihnen entrichteten Steuern und Sozialbeiträgen ergeben. Diese sind in der kurzen Frist aufgrund des starken Flüchtlingszuzugs jedoch negativ. Ein hoher ‚Return on Investment‘ auf lange Sicht kann nur erreicht werden, wenn Flüchtlinge früh und nachhaltig integriert werden.

Migration ist notwendig, damit die österreichische Bevölkerung nicht schrumpft und unser Sozialsystem aufrechterhalten werden kann. Wichtig ist außerdem qualifikationsgesteuerte Migration. Die Rot-Weiß-Rot Karte dient als Tool, um transparente Zuwanderungsregeln für qualifizierte MigrantInnen zu schaffen. Die als sehr hoch angesetzten (Gehalts-)Kriterien erschweren allerdings ihre Anwendung durch die Unternehmen.

Die volkswirtschaftlichen Kosten der Nichtintegration sind viel höher als die der Integration. Vor diesem Hintergrund sollte bei der Integration möglichst früh angesetzt werden. Dies bedeutet einerseits eine möglichst frühe Kompetenz­erfassung der Fähigkeiten von Flüchtlingen sowie eine räumliche Verteilung der Flüchtlinge - orientiert an der Arbeitsmarktsituation -, um eine rasche Integra­tion in den Arbeitsmarkt zu erlauben und Talente zu entdecken.  

Arbeitsmarkt

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für eine Verbesserung des Lebensstandards von MigrantInnen sowie deren Integration in die Gesellschaft essenziell. Eine rasche und nachhaltige Integration von MigrantInnen bzw. Flüchtlingen in den Arbeits­markt ist darüber hinaus Voraussetzung, um die Chancen der aktuellen Migra­tionsbewegungen nützen zu können. Die rasche und unbürokratische Anerken­nung von erfassten Kompetenzen ist eine wichtige Voraussetzung für den Zugang zum Arbeitsmarkt für MigrantInnen. Studien belegen, dass keine systematische Verdrängung inländischer Arbeitskräfte durch Zuwanderinnen und Zuwanderer stattfindet, sondern vielmehr neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ab dem 6. Monat nach Antragstellung auf Asyl mit Ersatzkraftstellung (Arbeitsmarktprüfung) sowie die Ausweitung der Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr auf die Personengruppe der Asyl-

werberInnen sind wichtige Maßnahmen im Sinne einer nachhaltigen Integration. Um jugendlichen AsylwerberInnen mit hoher Anerkennungswahrscheinlichkeit ab dem 15. Lebensjahr die Integration in den Arbeitsmarkt zu erleichtern, sollte für diese Personengruppe der Zugang zu Lehrstellen in allen Berufen ermöglicht werden.

Klein- und Mittelunternehmen tragen die Hauptlast der Integration von Zuwan­derinnen und Zuwanderern in die Unternehmen. Die relativen Kosten für die Integration von Flüchtlingen in den Betrieb sind für KMUs viel höher als für Großunternehmen, zusätzlich sind diese auch auf zugewanderte Fachkräfte angewiesen. Daher muss es Unterstützung für KMUs geben, damit diese die Arbeitsmarktintegration der AsylwerberInnen bestmöglich umsetzen können, wie z.B. eine Senkung der Arbeitskosten und unterstützende Maßnahmen zur betrieblichen Integration. 

Bildung

Das Thema Bildung im Rahmen von Integration kann nicht ausschließlich auf Spracherwerb heruntergebrochen werden – jedoch ist die Verständigung in der gemeinsamen Sprache Deutsch der Grundstein für eine nachhaltige Integration von MigrantInnen. Demokratiebildung sowie die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse wie Kompetenz, Zugehörigkeit, Macht und Nützlichkeit sollen außerdem im Bildungsangebot für MigrantInnen berücksichtigt werden. Die meisten Aufgaben in der Bildungsarbeit von Flüchtlingen werden von Schulen übernommen, denen jedoch selbst oft die notwendigen Ressourcen für eine adäquate Betreuung fehlen. Um MigrantInnen eine Schulbildung zu ermöglichen und damit ihre Integration zu erleichtern, sollte es auch nach dem Pflichtschul­alter möglich sein, den Pflichtschulabschluss nachzuholen sowie weiterführende Schulen zu besuchen.

Die besten Ergebnisse in der Ausbildung von SchülerInnen werden in kleinen heterogenen Klassen erzielt, also in Klassen, in denen nicht mehrheitlich MigrantInnen unterrichtet werden. Dies zu erreichen muss Ziel der Integrations­bemühungen sein. 

Europäische Union

Eine gemeinsame Asylpolitik der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist wichtig, um Chancengleichheit für AsylwerberInnen zu wahren und zu vermei­den, dass sich diese die attraktivsten Mitgliedstaaten aussuchen können. Als wichtiger Teil einer gemeinsamen Asylpolitik müssen die Strukturen in den Herkunftsländern verbessert werden, um Migrationsströme zu reduzieren und diese Länder beim Wiederaufbau zu unterstützen.

Da das Dublin System nicht funktioniert, sieht ein Vorschlag der Europäischen Kommission einen Solidaritätsmechanismus vor, bei dem bei Erreichen von 150 % eines Schwellenwerts von Asylanträgen Flüchtlinge in andere EU-Staaten umver­teilt werden können. Das Europäische Parlament hält jedoch im Moment eine Verteilung auf freiwilliger Basis für die einzige gerade politisch durchsetzbare Lösung.

Zu einem fairen Asylverfahren gehört es auch, Abschiebungen durchzusetzen. Allerdings funktionieren die Rückführungsabkommen mit vielen Herkunfts­ländern nicht. Aus diesem Grund wurden nur 200.000 von 500.000 negativen Asylbescheiden durchgesetzt. Handlungsbedarf besteht daher in der Ausver­handlung dieser Abkommen.

Weitere Informationen zu den österreichischen Sozialpartnern und zum
Bad Ischler Dialog finden Sie unter www.sozialpartner.at.

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