Kommentar Wirtschaftspolitik: KMU (und Micro-multinationals) nutzen Digitalisierung

Ausgabe 40/2016

Lesedauer: 5 Minuten

Aktualisiert am 13.03.2023

In Kürze

  • Micro-multinationals sind Klein- und Mittelbetriebe (KMU), die die Chancen der Digitalisierung nutzen.
  • Sie exportieren spezialisierte Waren und Dienstleistungen über digitale Vertriebsformen.
  • Digitale Vertriebswege senken die Informations- und Transaktionskosten und somit die Exporthürden, Micro-multinationals profitieren davon.


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Mittelständische Unternehmen bieten zunehmend Güter und Dienstleistungen außerhalb des Heimatmarkts über digitale Vertriebswege an. Neben bekann­teren Internetgrößen wie Zalando und anderen digital affinen Firmen nutzen auch Mittelständler die Vorteile digitaler Technologien, um in neue Märkte zu exportieren. Ihre Expansionspläne sind nahezu vollständig digital auf- und ausgebaut. Ihr Geschäftsmodell – oftmals basierend auf einer digitalen Platt­form – ist leicht skalierbar. So sind sie in der Lage, sich auf einzelne Prozesse der Wertschöpfungskette zu konzentrieren, um vom Kunden nachgefragte Güter oder Dienstleistungen über die Plattform kostengünstig anbieten zu können oder um mit Wettbewerbern Kooperationen eingehen zu können.

Micro-multinationals profitieren von der Digitalisierung

Micro-multinationals sind eine Gruppe der KMU und wurden jüngst in zwei Studien analysiert.[1] [2] Charakteristisch für diese Unternehmen ist die Größe eines KMU, dass sie über Landesgrenzen hinweg denken, früh in ihrem Unternehmens­zyklus expandieren, ein Nischenprodukt- oder eine Nischendienstleistung anbieten und digital affin sind. Micro-multinationals sind gekennzeichnet durch flache Hierarchien und sie nutzen soziale Medien: Ist die Marke online einmal etabliert, kann sie relativ einfach und schnell in andere Regionen und Märkte kommuniziert werden.   

5 Charakteristika von Micro-multinationals: 

  • digital-affin
  • globales Denken
  • Größe eines KMU
  • frühe(r) Expansion/Export im Unternehmenszyklus
  • Nischenprodukt oder Nischendienstleistung

Genauso nutzen natürlich Handelsunternehmen oder bisher regionale Unternehmen, die sich im Unternehmenszyklus in der Reifephase befinden, digitale Vertriebswege als Mittel für die Expansion in neue Märkte.

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Fokus auf Nischenprodukte und Dienstleistungen

Micro-multinationals sind global in Nischen tätig, stellen hochspezialisierte Waren oder Dienstleistungen her oder vertreiben diese und komplementieren damit ihre traditionellen lokalen Verkäufe. Oft nutzen Micro-multinationals Nischen zwischen Kunden und etablierten Produzenten und sie konzentrieren sich in der Regel auf einen einzelnen Prozess, einen Dienst oder ein einzelnes Produkt entlang der Wertschöpfungskette traditioneller Unternehmen und Märkte.

Diese Unternehmen bieten oftmals unternehmensbezogene Dienstleistungen (z.B. Forschung und Entwicklung, Architektur- und Ingenieurbüros, technische, physikalische und chemische Untersuchung), die der Produktion von Gütern vor- bzw. nachgelagert sind.  Hier geht es nicht alleine um die Herstellung von Produkten, sondern um Bereitstellung von Problemlösungen, Funktionen und Erfahrungen.

Digitale Vertriebswege senken Exporthindernisse

Traditioneller Export ist aufgrund von Regularien und den damit verbundenen Kosten komplexer und teurer als der Absatz im Heimatmarkt. Demnach liegt der Anteil der exportierenden Firmen bei traditionellen (Offline-)Firmen durch­schnittlich bei 5 bis 15 %.[3] In Österreich lag dieser Anteil 2015 über alle Unter­nehmensgrößen hinweg bei rund 19 % und spiegelt somit die Bedeutung der Exporte für die österreichische Wirtschaft wider.[4] Auf Online-Plattformen ist der Anteil von exportierenden Firmen, unabhängig von der Firmengröße, bei über 90 %.[5] 

Auch die Anzahl der Länder, in die exportiert wird, wird durch Online-Plattformen erhöht: Während lediglich über 10 % der Offline-Firmen in über fünf Länder exportieren, verkaufen über die Hälfte der Online-Exporteure ihre Waren und Dienstleistungen im Durchschnitt in mehr als fünf Länder.[6] Bei den über digitale Vertriebswege abgeschlossenen Verkäufen ist die geografische Nähe zum Kunden weniger wichtig als bei Offline-Verkäufen.   

Österreichische Mikrounternehmen mit bis zu 9 Beschäftigten exportierten 2013 16 % der gesamten Ausfuhren. KMU mit 10 bis 49 Beschäftigte (50 bis 249 Beschäftigte) exportierten 2013 9 % (23,6 %) aller Ausfuhren.[7] Somit exportieren KMU 48,6 % aller Ausfuhren. Vom gesamten Exportvolumen wurde der größte Teil (73 %) in der Industrie und fast 22 % im Handel umgesetzt. [8] 

KMU denken vermehrt global

Laut einer Studie der Beratungsfirma Oxford Analytics und SAP gehen erfolg­reiche mittelständische Unternehmen zunehmend über ihren heimischen Markt hinaus, um schneller zu wachsen. 66 % von 2.100 KMU in 21 verschiedenen Ländern erwarteten im Jahr 2013, über 40 % ihrer Erträge außerhalb ihres Heimatmarkts zu erwirtschaften. Diese Expansionspläne werden oft digital umgesetzt bzw. durch den technischen Fortschritt erleichtert. Über die Hälfte der befragten KMU in dieser Studie erwarteten, Innovationen und Wachstum über Online-Netzwerke und Plattformen zu generieren.[9] 

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Bedeutung der Micro-multinationals

Da exportorientierte Unternehmen durchschnittlich über eine größere Beleg­schaft verfügen, bestehen gute Chancen, dass Micro-multinationals, die früh
im Unternehmenszyklus expandieren und exportieren, zunehmend zu Wert­schöpfung und Beschäftigung im Heimatmarkt beitragen. Micro-multinationals erfüllen dabei, wie alle anderen Unternehmen, wichtige ökonomische Aufgaben: Sie tätigen Investitionen, bilden Fachkräfte aus, leisten Steuern und Abgaben und tragen durch die Übernahme des unternehmerischen Risikos zur stärkeren Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit des Landes bei.  

Fazit

Die Digitalisierung bietet Chancen für die gesamte Wirtschaft, insbesondere auch für KMU und traditionelle Branchen. Micro-multinationals sind eine Kohorte der KMU, die sich die Digitalisierung zunutze machen. Trotz der Vorteile der Digitalisierung für KMU sind auch diese Unternehmen mit den Hindernissen des Exports konfrontiert, wie z.B. mit komplizierten Zollangelegenheiten (vor allem außerhalb des europäischen Binnenmarkts) oder regularischen Hindernissen, wie sie auch alle anderen (Offline-)/(Export-)Unternehmen erfahren. Ein Abbau dieser Hindernisse und eine weitere Verbesserung der Rahmenbedingungen der Unternehmen würde die Wettbewerbsfähigkeit und somit den Wohlstand des Landes steigern.

Um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, ist es umso bedeut­samer, dass Österreich bei der Digitalisierung eine Vorreiterrolle einnimmt und Unternehmen beim Einstieg und bei der Weiterentwicklung der Geschäfts­prozesse unterstützt werden. Eine Vereinfachung des regulatorischen Rahmens, mehr Zugang zu Risikokapital und Investitionsanreize wie erweiterte Abschrei­bungsmöglichkeiten und Investitionsfreibeträge  sind weitere Maßnahmen, von denen Micro-multinationals und andere KMU profitieren würden. Durch eine zukunftsorientierte Digitalisierungspolitik, die neue Marktchancen ermöglicht, kann das Wachstumspotenzial Österreichs maßgeblich angehoben werden.

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Quellenangaben

[1] Lendle, A., Olarrega, M., Schropp, S., Vézina, P.-L., „eBay’s anatomy“, 
  Ecnomics Letters, Vol. 121, 1, October 2013, pp. 115 - 120

[2] The rise of micro-multinationals, HSBC Commercial Banking, 2016

[3] Lendle et al., 2013

[4] 2015: 55.000 Exporteure von rund 260.000 Unternehmen im Kammerbereich, Leistungs- und Strukturerhebung, Statistik Austria 

[5] Lendle et al., 2013 

[6] ibid

[7] Statistik Austria, Ein- und Ausfuhren der Außenhandel treibenden Unternehmen 2013 nach Beschäftigtengrößenklassen 

[8] ibid

[9]Oxford Economics im Auftrag von SAP, SMEs: Equipped to compete, 2013


Ansprechperson

Devin Bicer, MA
Wirtschaftskammer Österreich
Stabsabteilung Wirtschaftspolitik

+43 5 90 900-3402
Devin.Bicer@wko.at



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