International Procurement Instrument (IPI)
WKÖ Position
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Der Marktzugang zum öffentlichen Beschaffungswesen für internationale Anbieter ist in der EU kaum eingeschränkt. Hingegen werden europäische Anbieter oft in Drittstaaten von deren öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen. Die EU-Kommission hat mit dem internationalen Beschaffungsinstrument (IPI) einen rechtlichen Rahmen für den Zugang zum EU-Beschaffungsmarkt vorgeschlagen.
Das IPI verfolgt das unterstützenswerte Ziel offener Märkte. Es stärkt das Prinzip des ausgewogenen gegenseitigen Marktzugangs, das im Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) der Welthandelsorganisation (WTO) verankert ist.
Ausgangssituation
Im Jahr 2012 schlug die Europäische Kommission die Schaffung eines internationalen Beschaffungsinstruments (IPI) vor, um die Öffnung öffentlicher Beschaffungsmärkte für europäische Unternehmen und gleiche Wettbewerbsbedingungen sowohl in der EU als auch auf den Märkten von Drittländern zu gewährleisten.
Nach einer Unterbrechung der Verhandlungen legte die Europäische Kommission 2016 einen überarbeiteten Vorschlag vor. Im März 2019 forderte die Europäische Kommission im Zusammenhang mit einer Überprüfung der Beziehungen zu China den Ministerrat und das Europäische Parlament auf, die Triloge auf der Grundlage des überarbeiteten Vorschlags wieder aufzunehmen und das IPI vor Ende 2019 zu verabschieden. Das Datum konnte nicht eingehalten werden und es wird jetzt eine Einigung noch im Jahr 2021 angestrebt.
Anforderungen aus Sicht der WKÖ an ein Internationales Beschaffungsinstrument (IPI)
- Das öffentliche Auftragswesen ist ein wichtiger Motor für das Wachstum der Europäischen Wirtschaft. Obwohl die EU als einer der offensten Beschaffungsmärkte der Welt gilt, werden Unternehmen aus der EU bei der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen in Drittstaaten oft diskriminiert. Das Kernziel eines Internationalen Beschaffungsinstruments sollte darin bestehen, der Europäischen Kommission eine Möglichkeit in die Hand zu geben, um Beschaffungsmärkte in Drittländern zu öffnen und ein „level playing field“ herzustellen.
- Das IPI soll diskriminierende Maßnahmen gegen europäische Unternehmen in Drittländern verhindern und die fehlende Reziprozität beim Zugang zu öffentlichen Beschaffungsmärkten herstellen: Bei dem Versuch, Zugang zu Beschaffungsmärkten in Drittländern zu erhalten, sehen sich europäische Unternehmen mit einer beträchtlichen Anzahl von de jure und de facto Barrieren konfrontiert. Zu den de jure Hindernissen zählen Probleme im Zusammenhang mit der Festlegung nationaler Anforderungen, "Buy National"-Bestimmungen, (insbesondere USA, China, Indien, Südafrika, Russland, Brasilien und Türkei), der Ausschluss bestimmter Projekte von den staatlichen Beschaffungsregeln, die Umsetzung von Preisvorteilsmaßnahmen für inländische Bieter oder Importverbote für ausländische Waren für öffentliche Beschaffungszwecke. Unter die de facto Barrieren fallen der Mangel an Transparenz oder Diskriminierung wie zum Beispiel schlechter Zugang zu Informationen über beabsichtigten Beschaffungsprojekte, über die geltenden Regeln/Verfahren, technische Spezifikationen und Bewertungskriterien für Ausschreibungen oder die oft unvorhersehbare Durchsetzung der entsprechenden Regeln sowie Korruption. Das IPI soll helfen, Offensivinteressen österreichischer und/oder europäischer Firmen in bestimmten Drittmärkten zu wahren und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft steigern.
- Staatliche und staatlich subventionierte Unternehmen aus wichtigen Drittländern wie China werden verstärkt auf dem europäischen Markt aktiv und legen dabei häufig Angebote mit sehr niedrigen, potenziell gedumpten Preisen. Gleichzeitig lassen diese Herkunftsländer keine Bereitschaft erkennen, das öffentliche Beschaffungswesen ihrer Staates für europäische Bieter zu öffnen. Hier kann das IPI seine Hebelwirkung entfalten, indem als Kriterium bei der Überprüfung von Anboten öffentlicher Ausschreibungen, die jeweils vorherrschenden Voraussetzungen für europäische Unternehmen am Beschaffungsmarkt des drittländischen Herkunftsstaat des Bieters miteinbezogen werden.
- Die WKÖ unterstützt die EU in ihrem Bestreben, im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO, durch das plurilaterale Beschaffungsabkommen GPA (Government Procurement Agreement (1) und auch durch bilaterale Handelsabkommen mit Drittstaaten den Zugang für europäische Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen in Drittländern zu verbessern und damit Reziprozität im Sinne besserer Geschäftschancen herzustellen. Das IPI soll dazu beitragen, die Handelspartner der EU zu Verhandlungen über die Öffnung ihrer Beschaffungsmärkte zu ermutigen: Das IPI kann Anreize für weitere Drittländer schaffen, dem plurilateralen Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA) beizutreten oder bilaterale Handelsabkommen mit der EU zu unterzeichnen, die Kapitel über das öffentliche Beschaffungswesen enthalten. Das gilt insbesondere für Länder wie China und Indien mit bedeutenden Beschaffungsmärkten.
- Insgesamt unterstützt die WKÖ auch einen umfassenden Ansatz für das öffentliche Auftragswesen, der es ermöglicht, dass alle der EU zur Verfügung stehenden Instrumente (Richtlinien 2014/23/EU, 2014/24/EU und 2014/25/EU) komplementär und sich gegenseitig verstärkend genutzt werden. Insbesondere wenn es um die Umsetzung und praktische Anwendung der Regeln für ungewöhnlich niedrige Angebote geht, wird dieser Rechtsrahmen aber von den EU-Mitgliedstaaten und den öffentlichen Auftraggebern oft nicht ausreichend genutzt.
- Die betroffenen Firmen und Wirtschaftszweige sollten die Möglichkeit haben, eine Überprüfung durch die Europäische Kommission einleiten zu können und bei der Entscheidungsfindung der Europäischen Kommission gehörig miteinbezogen werden. Ähnlich wie beim „Investment Screening“ befürworten wir EU-intern über den gegenseitigen Marktzugang in Drittstaaten hinaus, ein EU-Rechtsinstrument, das eine möglichst transparente und vergleichbare Entscheidungspraxis der EU-Mitgliedstaaten und ihrer ausschreibenden Stellen garantiert.
- Die Bemühungen der EU-Institutionen sollten sich darauf konzentrieren, sicherzustellen, dass keine zusätzlichen bürokratischen und finanziellen Belastungen für EU-Unternehmen geschaffen werden. Dies gilt insbesondere für die technisch komplexesten Bereiche der Verordnung, wie z. B. die Bestimmungen des IPI, die sich auf den Warenursprung beziehen, die Ausgestaltung der vorgesehenen Sanktionen und die Einigung auf praxisorientierte Schwellenwerte für das IPI. Vergabeentscheidungen ausschreibender Stellen in der EU sollten – da die Wirtschaft in globalen Wertschöpfungsketten agiert und Angebote aus Drittländern oft auch europäische Komponenten enthalten können –unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, nach einer gründlichen Abwägung politischer, wirtschaftlicher und individuell unternehmensbezogener Interessen gegenüber Bewerbern aus Drittstaaten getroffen werden.
- Hinsichtlich der Herkunft oder des Ursprungs einer Ware sollte sichergestellt werden, dass die Verordnung nicht umgangen wird, weshalb sich die erfolgreichen Bieter vertraglich verpflichten müssen, dass sie nicht mehr als 50 % des Wertes der bei der Auftragsausführung verwendeten Waren aus den IPI betroffenen Zielländern beziehen. Hier bedarf es aber einer weiteren Klarstellung, ob das betroffene Drittland in Bezug auf die verwendeten Waren als Ursprungsland oder Einkaufsland gesehen wird. Wird auf den tatsächlichen Ursprung einer Ware abgestellt, sollten während des Vergabeverfahrens, abgesehen von der Eigenerklärung jedes Bieters, grundsätzlich keine zusätzlichen Angaben bzw. Dokumente zum Ursprung der Waren verlangt werden. In dieser Phase haben die Unternehmen möglicherweise noch nicht die volle Transparenz über den Ursprung von 100 % der Waren, die sie bei Ausführung des Auftrages verwenden werden. Oftmals sind formale Nachweise zum Warenursprung (wie z. B. nichtpräferenzielle Ursprungszeugnisse) zum Zeitpunkt der Ausschreibung/der Auftragsvergabe noch nicht verfügbar, weil Nachweise zum Warenursprung erst ausgestellt werden, wenn die Ware tatsächlich exportiert wurde. Der formale, weiterführende Nachweis zum Ursprung der Ware kann nur im Laufe der Auftragserfüllung sukzessive zum jeweiligen Zeitpunkt der Warenlieferung (bzw. der Teillieferung/Teilerbringung) erfolgen. Im Bereich des Warenursprungs kämen hierfür dann in der EU bzw. in Drittländern ausgestellte nichtpräferenzielle Ursprungszeugnisse in Betracht. Ein Unternehmen kann nur den Positiv-Beweis erbringen, dass mehr als 50 % der Waren aus der EU oder aus anderen Ländern als dem betroffenen Drittland stammen und es gibt es auch viele Fälle unbekannten Ursprungs.
- Die im Verordnungsentwurf aktuell vorgesehenen Schwellenwerte sind nach Meinung der Wirtschaft zu senken, um ein effektives handelspolitisches Instrument zu bekommen, da auch bereits bei „kleineren“ Aufträgen der enorme Druck aus Drittstaaten (insbesondere von staatlich unterstützten Unternehmen) hoch ist. Eine Trennung von Waren und Dienstleistungen sehen wir eher kritisch, insbesondere wenn Dienstleistungen und Waren in einem Auftrag gemeinsam anfallen, dies würde klare Abgrenzungsregelungen erfordern und den bürokratischen Aufwand bei der Abwicklung von Vergabeverfahren erhöhen.
- Das Internationale Beschaffungsinstrument sollte letztlich ein durchsetzbares Instrument sein. Aus diesem Grund sollten klare Komitologieregeln definiert werden. Es sollten klare Verfahren festgelegt werden, die eine einheitliche Umsetzung in der gesamten EU ermöglichen, die von der Europäischen Kommission sichergestellt werden sollte.
(1) Das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement, GPA) ist ein plurilaterales Abkommen der World Trade Organisation (WTO), das den Zugang zu öffentlichen Aufträgen zwischen den teilnehmenden Vertragsstaaten regelt. Das GPA wurde am 15. April 1994 beschlossen und trat am 1. Januar 1996 in Kraft.
Gegenwärtig besteht das Abkommen aus 19 Parteien, die 47 WTO-Mitglieder umfassen. Weitere 33 WTO-Mitglieder/Beobachter nehmen als Beobachter am GPA-Ausschuss teil, wovon 10 Mitglieder sich im Beitrittsprozess befinden.
Als Ergebnis mehrerer Verhandlungsrunden haben die GPA-Parteien Beschaffungsaktivitäten für den internationalen Wettbewerb (d.h. für Lieferanten von GPA-Parteien, die Waren, Dienstleistungen oder Baudienstleistungen anbieten) im Wert von geschätzten 1,7 Billionen US-Dollar jährlich eröffnet.
Die Durchsetzung des Abkommens erfolgt über zwei Mechanismen: den nationalen Überprüfungsmechanismus auf nationaler Ebene und den WTO-Streitbeilegungsmechanismus auf internationaler Ebene.