Fehlzeitenreport 2021
Lockdowns reduzieren Krankenstände 2020
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Im Auftrag des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger, der Wirtschaftskammer und der Arbeiterkammer erarbeitet das Institut für Wirtschaftsforschung jährlich den „Österreichischen Fehlzeitenreport“ und liefert damit einen fundierten Überblick über die Entwicklung und Verteilung der krankheitsbedingten Fehlzeiten in Österreich. Diesjähriger Schwerpunkt war das Thema Frühintervention, Wiedereingliederungszeit und psychische Gesundheit.
Reduktion der Krankheitslast 2020 durch die COVID-19-Pandemie?
Die Krankenstandsstatistik verzeichnet 2020 gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang der krankheitsbedingten Fehlzeiten. Die unselbständig Beschäftigten verbrachten im Jahresverlauf durchschnittlich 12,7 Tage im Krankenstand, um 4,2% weniger als 2019 (13,3 Tage). Die Entwicklung der Krankenstände war dabei von der COVID-19-Pandemie geprägt. Beschäftigte, die durch die Lockdown-Maßnahmen längere Zeit ihrer Tätigkeit nicht nachgehen konnten, waren berufsbedingt einem geringeren Infektions- und Unfallrisiko ausgesetzt. Unternehmen im aufrechten Betrieb schützten ihre Beschäftigten mit Hygienekonzepten, Maskenpflicht, veränderten Arbeitsabläufen und kurzfristigen Homeoffice-Lösungen vor einer COVID-19-Infektion. Darüber hinaus wurde versucht wirtschaftliche Einbußen durch Kurzarbeit zu überbrücken und die Beschäftigten in den Betrieben zu halten. All diesen Maßnahmen hatten Einfluss auf das Krankheitsgeschehen. Mit den generellen Kontaktbeschränkungen, den Hygienemaßnahmen und der räumlichen Distanzierung wurde die Krankheitslast insgesamt reduziert.
„Der drastische Rückgang bei den Krankenständen ist jedoch sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass sich viele Arbeitnehmer:innen im Homeoffice schlicht nicht krank melden, obwohl sie krank sind. Hier zeigen sich die Schwierigkeiten, die sich durch eine mitunter unklare Abgrenzung zwischen dem „privaten“ Daheimsein und dem Zuhause als Arbeitsort ergeben. Dass es beim Krankenstand nicht bloß um den Schutz der Kolleg:innen vor Ansteckung, sondern gerade auch um das eigene Wohlbefinden und eine rasche Gesundung geht, muss daher gerade während dieser Pandemie betont werden.“, erklärt die Vorsitzende des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger Mag.a Ingrid Reischl. „Dazu kommt wohl auch die Angst vor beruflichen Konsequenzen, die durch Arbeitgeber:innen drohen und in einem äußerst angespannten Arbeitsmarkt eine längere Arbeitslosigkeit bedeuten könnten. Zusammen mit anderen Faktoren, wie etwa Abstandhalten und den umfassenden Hygienemaßnahmen zeigt sich schließlich die Reduktion in der Statistik 2020.“
„Das Corona-Jahr 2020 ist schwer mit anderen Jahren vergleichbar. Jedenfalls setzte sich der erfreuliche rückläufige Trend bei den Krankenstandstagen fort. Bei den Arbeitsunfällen lag die Unfallquote auf dem tiefsten Stand seit 1974. Unabhängig von COVID zeigt der Trend, dass Prävention in den Betrieben wirkt und Gesundheitsförderung immer wichtiger wird“, folgert Mag. Dr. Rolf Gleißner, Leiter der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit in der WKÖ.
Frühzeitige Pensionsantritte durch Frühintervention und Wiedereingliederung vermeiden – geht das?
„Wir leben in einer alternden Gesellschaft, die Babyboomer gehen in Pension, wodurch es bereits in den nächsten Jahren zu einer spürbaren Verknappung des Arbeitskräfteangebots kommt. Wir brauchen verstärkt Gesundheitsförderung in den Betrieben, altersgerechte Arbeitsplätze und eine deutlich höhere Akzeptanz von älteren Arbeitnehmer:innen. Es sollte selbstverständlich sein, dass Arbeiter:innen und Angestellte gesund das Regelpensionsalter erreichen. Wiedereingliederung nach langen Krankenständen, Early Intervention, rechtzeitige Rehabilitation, betriebliche Gesundheitsförderung, Qualifizierung für leichtere Tätigkeiten, kurz um, wir müssen alle Register ziehen, um krankheitsbedingten Jobverlust und lange Arbeitslosigkeit erst gar nicht entstehen zu lassen. Denn der Weg zurück, nach einer längeren Krankheit verbunden mit langer Arbeitslosigkeit, ist vor allem für ältere Arbeitnehmer:innen kaum mehr möglich“. Mit diesen Worten unterstreicht Mag. Wolfgang Panhölzl, Leiter der Abteilung Sozialversicherung der AK Wien, die akute Herausforderung, Menschen bis zur Pension ein sicheres und gesundes Arbeitsleben zu ermöglichen und frühzeitige Pensionsantritte frühzeitig zu vermeiden.
„Die Arbeitswelt trägt über die Lebensspanne maßgeblich zur Entstehung von körperlichen und psychischen Belastungen bei“, unterstreicht Mag.a Reischl mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen: „Zur Gestaltung von sowohl physisch wie auch psychisch gesunden Arbeitsplätzen brauchen wir verstärkt Maßnahmen in den Bereichen Earlyintervention und der (betrieblichen) Gesundheitsförderung. Der diesjährige Fehlzeitenreport zeigt dabei deutlich, welche handlungspolitischen Möglichkeiten aktuell in Österreich bestehen. Er legt dar, wie wirksam diese Maßnahmen sind und dass zahlreiche gemeinsame Schritte noch gegangen werden müssen, um ein langes Leben in guter Gesundheit zu ermöglichen.“
Psychische Erkrankungen als gesellschaftliche Herausforderung
Die Zahl der psychischen Erkrankungen, die in einer langfristigen Betrachtung stark zugenommen hat, blieb 2016 bis 2018 annähernd konstant. 2019 und 2020 wurde jedoch ein Anstieg um rund je 8,5% verzeichnet. Die steigende Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) von psychischen Erkrankungen verursacht hohe tangible und intangible Kosten sowohl für die Betroffenen als auch für die Betriebe, die Sozialversicherungsträger, die Gesellschaft und die Wirtschaft insgesamt. Aufgrund der Veränderungen im Erkrankungsgeschehen und der Zunahme von psychisch bedingten Fehlzeiten nimmt dabei die Notwendigkeit von Frühinterventions- und Wiedereingliederungsmaßnahmen zu.
„Im heurigen Jahr wird die Pandemie erneut einen Einfluss auf die Fehlzeitbilanz haben. Das zeigt sich auch an den psychischen Erkrankungen. Dass deren Anteil 2020 nach einer Phase der Stagnation wieder gestiegen ist, liegt vor allem an den zunehmenden Ängsten und Depressionen durch die Covid-19-Krise“ unterstreicht Mag. Dr. Gleißner.
Aktuell nehmen in Österreich jährlich rund 90.000 Personen eine von der Krankenversicherung (voll) finanzierte Psychotherapie in Anspruch, ca. 80.000 erhielten einen Kostenzuschuss. Die Österreichische Gesundheitskasse beabsichtigt die vollfinanzierten Plätze bis 2023 um weitere 20.000 Plätze auszubauen. Dass sind zentrale, aber noch nicht ausreichende Schritte, merkt Mag. Panhölzl vor dem Hintergrund der aktuellen Krise an: „Die Zahl der psychischen Erkrankungen nimmt bei einer langfristigen Betrachtung unter anderem auch wegen den Herausforderungen in der Corona-Krise weiter zu. Die gestiegenen Arbeitsanforderungen aufgrund der Covid-Pandemie haben insbesondere für bestimmte Berufsgruppen (zB.: Gesundheitsberufe) zu enormen zusätzlichen Belastungen geführt. Trotz laufendem Ausbau der kassenfinanzierten Therapieplätze für psychisch erkrankte Personen, besteht weiterhin großer Handlungsbedarf, nicht nur bei Arbeitnehmer:innen, sondern insbesondere auch bei Kindern und Jugendlichen.“
Über den Dachverband der Sozialversicherungsträger:
Der Dachverband der Sozialversicherungsträger wurde mit 1. Jänner 2020 gegründet. Die Organisation koordiniert und unterstützt die fünf gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherungen ÖGK, SVS, BVAEB, PVA und AUVA und ist unter anderem für Digitalisierungsinitiativen, internationale und rechtliche Angelegenheiten, Statistik, Dienstrecht sowie Arznei- und Heilmittel zuständig. Das geschäftsführende Organ ist die Konferenz der Sozialversicherungsträger. Dieser gehören die Obleute und deren Stellvertreter der fünf Träger an. Am 14. Jänner 2020 wurden SVS-Obmann Peter Lehner als 1. Vorsitzender der Konferenz der Sozialversicherungsträger und die AUVA-Obmann-Stellvertreterin Ingrid Reischl als 2. Vorsitzende gewählt. Die Sitzungsführung rotiert unter den Vorsitzenden halbjährlich. Das Büro des Dachverbands wird von Büroleiter Martin Brunninger und seinem Stellvertreter Alexander Burz geleitet, hat rund 300 Mitarbeiter und seinen Sitz in der Kundmanngasse in Wien-Landstraße.