Österreichischer Fehlzeitenreport: Zahl der Krankenstände gestiegen, Arbeitsunfälle weiter sinkend
2018 verbrachten die Beschäftigten durchschnittlich 13,1 Kalendertage im Krankenstand. Schwerpunktthema in diesem Jahr ist „Die flexible Arbeitswelt: Arbeitszeit und Gesundheit.“
Lesedauer: 4 Minuten
2018 haben sich die Krankenstände gegenüber dem Vorjahr leicht erhöht, die Beschäftigten waren im Jahresverlauf durchschnittlich 13,1 Kalendertage im Krankenstand (12,5 Tage 2017). Langfristig gesehen ist das Krankenstandsniveau in Österreich derzeit vergleichsweise niedrig: Die krankheitsbedingten Fehlzeiten erreichten 1980 ihren Höchstwert mit 17,4 Krankenstandstage. Von da an ging es sukzessive nach unten. 1990 waren es durchschnittlich 15,2 Tage, 2000 waren die Beschäftigten rund 14,4 Tage krank.
Zwei Gruppen von Krankheiten prägen das Krankenstandsgeschehen: Die Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und jene des Atmungssystems. Zusammen verursachen diese Erkrankungen rund 50 Prozent der Krankenstandsfälle und gut 43 Prozent aller Krankenstandstage. Die Zahl der psychischen Erkrankungen, die in einer langfristigen Betrachtung stark zugenommen hat, ist seit 2016 annähernd konstant.
„Es ist erfreulich, dass die krankheitsbedingten Fehlzeiten im langjährigen Trend nach unten gehen und sich auf einem niedrigen Niveau einpendeln. Auch im Bereich der Arbeitsunfälle, im speziellen auch bei den tödlichen Unfällen, konnte eine massive Reduktion erreicht werden. Das zeigt, dass wir mit unseren Bemühungen im ArbeitnehmerInnenschutz und in der betrieblichen Gesundheitsförderung auf dem richtigen Weg sind“, betont Dr. Alexander Biach, Verbandsvorsitzender im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.
Die flexible Arbeitswelt: Arbeitszeit und Gesundheit
Der Fehlzeitenreport beleuchtet im diesjährigen Schwerpunktkapitel die Chancen und Risiken, die sich durch die Arbeitszeitgestaltung für die Gesundheit ergeben. Die gesetzliche Flexibilisierung der Arbeitszeit, neue Arbeitszeitmodelle und die neuen Lebensmodelle der Menschen stehen hier im Zentrum. Herausforderungen die sich in der Gestaltung der Arbeitszeiten ergeben, müssen sorgsam und gemeinsam von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen abgewogen werden. Nur gemeinsam kann die Arbeitszeit so gestaltet werden, sodass Gesundheit, Wohlbefinden und Produktivität nachhaltig ausbalanciert sind, betont Dr. Josef Probst, Generaldirektor im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.
Für Wolfgang Panhölzl, Leiter der Abteilung Sozialversicherung in der AK Wien, bestätigt der aktuelle Fehlzeitenreport: Überlange Arbeitszeiten haben beträchtliche Auswirkungen auf die Gesundheit der betroffenen Beschäftigten. Insbesondere Schichtdienste, Nachtarbeit nagen an der Gesundheit. Schlafstörungen, Herz-Kreislauferkrankungen oder Diabetes sind oft die Folge. „Die WHO hat 2007 die Nacht- bzw Nachtschichtarbeit sogar als ´wahrscheinlich krebserzeugend´ eingestuft“, warnt Panhölzl und verweist darauf, dass die geltende Schwerarbeitsverordnung keine Rücksicht auf die Gesundheitsbelastungen durch unregelmäßige Arbeitszeiten (12-Stundenschichten, stark schwankende Dienstpläne, extreme Früh- oder Spätschichten) nimmt: „Es gilt die Schwerarbeiterregelung endlich bedarfsgerecht neu zu gestalten.“
Panhölzl kritisiert auch das geltende Arbeitszeitgesetz. Ein Arbeitszeitgesetz, welches generell einen 12 Stunden-Tag, eine 60 Stunden-Woche zulässt, wird dem Schutzcharakter, den dieses Gesetz eigentlich haben sollte, nicht mehr gerecht. Es ist nicht mehr geeignet, gesunde Arbeitsbedingungen sicher zu stellen. Die Beschäftigten spüren, dass der Druck auf sie immer größer wird, die Arbeitsverdichtung zunimmt, Arbeitszeit entgrenzt wird und die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit immer mehr verschwimmen. „Wer für Gesundheitsschutz, faire Verteilung der Erwerbsarbeit und Sicherung von Freiräumen für Familie und Freizeit ist, muss sich einer ernsthaften Diskussion über eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich stellen. Auch die 6. Urlaubswoche muss für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter fairen Bedingungen erreichbar sein“, fordert Panhölzl.
Flexible Arbeitszeiten tragen zum Wohlbefinden bei
„Flexible Arbeitszeiten, die auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Spielräume geben, tragen zu deren Wohlbefinden bei. Es ist daher positiv, dass Gleitzeit inzwischen die meistverbreitete Arbeitszeitform ist. Dazu kommt, dass unabhängig von den gesetzlichen Rahmenbedingungen die durchschnittliche Arbeitszeit in den letzten 12 Jahren kontinuierlich zurückging, weil Teilzeit zunahm und Überstunden wegfielen“, fasst Rolf Gleißner, Leiter der Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit der Wirtschaftskammer Österreich, zusammen.
Nachhaltiger Rückgang bei Arbeitsunfällen
Besonders erfreulich ist, dass sich der langjährige Trend des Rückgangs bei Arbeitsunfällen mittlerweile verfestigt hat: Die Unfallquote der Beschäftigten erreichte 2018 mit 3,2 Prozent das historisch niedrigste Niveau seit 1974 (7,6 Prozent). Dies entspricht einem Rückgang um 59 Prozent, also fast zwei Drittel. „Die äußerst positive Entwicklung bei den Arbeitsunfällen ist keineswegs selbstverständlich, sondern die Folge des Engagements unserer Betriebe im ArbeitnehmerInnenschutz sowie der Bemühungen der Allgemein Unfallversicherungsanstalt“ hält Rolf Gleißner, zufrieden fest.
Der Fehlzeitenreport als stabile Basis in einer dynamischen Arbeitswelt
Thomas Leoni, Autor des Fehlzeitenreports und Mitarbeiter am österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), unterstreicht, dass Veränderungen am besten auf einer stabilen Basis begleitet und alle Maßnahmen idealerweise vor einem dialektischen Abwägen der Vor- und Nachteile umgesetzt werden sollten. „Neue Formen der Arbeitszeitflexibilität gewinnen an Bedeutung, während etablierte Modelle wie Schicht- und Nachtarbeit nach wie vor stark verbreitet sind. Der Gestaltung der Arbeitszeit kommt vor diesem Hintergrund eine wichtige Rolle zur Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden zu. Durch die steigende Verbreitung neuer Technologien und den allgemeinen Trend in Richtung größerer Flexibilität entstehen neue Chancen, aber auch neue gesundheitliche Risiken, die es zu analysieren und steuern gilt“.
Andreas Huss, stv. Vorsitzender im Überleitungsausschuss der ÖGK, schließt mit einem Aufruf und fordert die weitere Verbesserung aller Bemühungen rund um das Thema Arbeit im Allgemeinen und dem Fehlzeitenreport im Speziellen – auch und gerade in dynamischen Zeiten. „Der Fehlzeitenreport ist ein wichtiges Instrument um die Qualität der Arbeitswelt in Österreich einzuschätzen, der durch die Kassenfusion nicht kaputt gemacht werden darf. Ich glaube es ist vielmehr Zeit den Fehlzeitenreport noch besser zu machen. Hier werden die Auswirkungen einer noch stärkeren Flexibilisierung der Arbeit dokumentiert was die Basis schafft Verbesserungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu argumentieren und durchzusetzen. Eine gesunde Arbeitswelt ist das vorrangige Ziel und muss über wirtschaftliche Interessen gestellt werden.“