SPIK - Sozialpolitik informativ & kurz
Newsletter Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit 30.1.2025
Lesedauer: 9 Minuten
Inhaltsübersicht
- International Rekordkrankenstände
- Arbeitszeitbetrug: Ein unterschätztes Problem
- Gesundheitsjahrbuch 2025: Gesunder Lebensstil gefragt
- „Gemeinsam gegen Krebs“: SVS startet die größte Krebsvorsorge-Aktion Österreichs
- Mentoring für Migranten - auf dem Weg zum Paar Nr. 3.000
- Fachtagung: Automatisierung der Arbeit am 10.3.2025
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
noch ist die Regierung nicht gebildet, aber es zeichnet sich ab, dass der Sozialbereich zur Budgetsanierung beitragen muss: Geplant sind u.a. die Abschaffung der Bildungskarenz und (mit Ausnahmen) der Kombination Geringfügigkeit-Transferbezug. Gut so. Denn angesichts der Finanz- und Arbeitsmarktlage können wir uns teure Maßnahmen nicht mehr leisten, die Menschen eher von Arbeit abhalten als dazu motivieren.
Ebenso können sich viele Betriebe die Rekordkrankenstände kaum noch leisten . Der Trend ist international, die Ursachen sind vielfältig.
Für Betriebe ist es auch belastend, dass Mitarbeiter immer mehr Arbeitszeit für Privates nützen, wie Umfragen zeigen.
Auch das Gesundheitssystem ist immer schwerer leistbar. Prävention ist eine Lösung. Ihr ist daher das neue Gesundheitsjahrbuch gewidmet.
Die SVS zahlt heuer allen Versicherten 100 Euro für die Teilnahme an einer Krebsvorsorgeuntersuchung.
Das Erfolgsprojekt „Mentoring für Migrant:innen“ geht mit 100 Mentees aus 28 Ländern in die nächste Runde. Bald kommt Paar Nr. 3.000!
Schließlich findet am 10.3.2025 eine Fachtagung zur Automatisierung der Arbeit statt.
Alles Gute!
Rolf Gleißner
International Rekordkrankenstände
Die aktuelle Grippewelle ist kein Ausreißer: Seit Covid sind die Krankenstände in vielen Ländern deutlich höher als Jahrzehnte vorher. 2024 setzte sich der Trend auch in Österreich fort. Die Ursachen sind unklar.
Seit 2000 waren die Österreicher stets 12 bis 13 Tage pro Jahr im Krankenstand. 2022 stiegen die Ausfallszeiten auf 14,9 Tage und 2023 auf 15,4 Tage – dem höchsten Wert seit 30 Jahren. 2024 verzeichnete die ÖGK gleich viele Krankenstände wie im Vorjahr.
Drei zusätzliche Krankenstandstage entspricht etwa 1% des gesamten Arbeitsvolumens. Das kann über eine Rezession oder ein (leichtes) Wachstum entscheiden! Fehlzeiten verursachen enorme Kosten: Die direkten betriebs- und volkwirtschaftlichen Kosten machten laut WIFO im Jahr 2022 ca. 1,2 Prozent des BIP aus. 2024 dürften die Betrieben Mitarbeitern im Krankenstand rund 5 Mrd Euro an Entgelt gezahlt haben. Zudem wird der herrschende Arbeitskräftemangel verschärft, Kollegen müssen einspringen, Aufträge können nicht übernommen werden oder verzögern sich.
Rekordkrankenstände auch in Deutschland und Großbritannien
Der Anstieg seit Covid ist international: In Großbritannien stiegen die Ausfälle in drei Jahren um 41%. In Deutschland waren unselbständig Erwerbstätige 2023 durchschnittlich 15,1 Arbeitstage krankgemeldet, das ist ein Plus von 4 Tagen im Vergleich zu 2021. Die Kosten für die deutschen Unternehmen betrugen im Jahr 2023 fast 77 Mrd Euro, das sind rund zwei Drittel mehr als im Jahr 2012. Angesichts der steigenden Kosten werden in Deutschland Stimmen laut, die einen Karenztag oder Teilzeit-Krankenstände fordern.
Denn nur in Deutschland, Österreich und Belgien wird das volle Entgelt im Krankenstand fortgezahlt. In Deutschland sechs Wochen, in Österreich je nach Betriebszugehörigkeit sogar sechs bis zwölf Wochen. In allen anderen EU-Ländern verringert sich das Entgelt bei Krankheit sofort.
Auf der Suche nach den Ursachen
Was die Ursachen dieses breitflächigen Trends betrifft, gibt es Vermutungen, aber keine Gewissheit: Sie reichen von besserer Erfassung der Krankenstandsdaten, Covid als zusätzlicher Krankheit, erhöhter Sensibilität von Betroffenen und Betrieben bezüglich Ansteckungen bis hin zur Demografie. In Deutschland wird auch vermutet, dass durch die telefonische Krankschreibung leichtfertiger krankgeschrieben wird.
Ein weiterer Faktor ist die Impfmüdigkeit nach Covid. Eine Auswertung der Medizinischen Universität Wien zeigt, dass sich etwa die Zahl der Masernfälle in Österreich im letzten Jahr verdreifacht hat. Aktuell ist es die echte Grippe, die rund 4.300 ÖGK-Versicherte ans Bett fesselt. ÖGK-Chefarzt Andreas Krauter geht davon aus, dass der Höhepunkt der heurigen Grippewelle noch nicht erreicht ist und appelliert: „Holen Sie sich die kostenlose Grippeimpfung, denn diese bietet den wirksamsten Schutz vor einer schweren Erkrankung."
Arbeitszeitbetrug: Ein unterschätztes Problem
Beklagt wird die Vermischung von Arbeits- und Freizeit, konkret, dass Betriebe Mitarbeiter in der Freizeit mit Anrufen oder Mails behelligen. Nach Umfragen ist der umgekehrte Fall, nämlich die Nutzung der Arbeitszeit für Privates, viel häufiger.
Das Europäische Parlament forderte noch 2024 für Arbeitnehmer das Recht auf Nichterreichbarkeit, um diese vor beruflicher Inanspruchnahme in ihrer Freizeit zu schützen. Umgesetzt wurde es bisher nicht.
Die Kehrseite der Medaille, nämlich die Zweckentfremdung von Arbeitszeit, wurde kürzlich durch die Studie „Arbeitszeitbetrug: Ein unterschätztes Problem in Unternehmen“ beleuchtet. Das Time Management Office befragte dabei 1.000 Arbeitnehmer und 373 Führungskräfte zur Arbeitszeiterfassung in deutschen Unternehmen. Dabei ging es um unkorrekte Zeit(Pausen)erfassungen und die private Nutzung der Arbeitszeit.
Gemäß der Studie erledigen 72% der Arbeitnehmer private Dinge während der Arbeitszeit. Besonders verbreitet ist diese Praxis unter der Generation Z (also Personen unter 30 Jahren) und dabei insbesondere unter Gutverdienern mit Einkommen über 5.500 Euro pro Monat. Nur 37% der Arbeitnehmer erkennen, dass falsche Arbeitszeiterfassungen zu Mehrbelastungen von Team-Kollegen führen können.
Bei der Pausenerfassung zeigen sich die Befragten etwas korrekter: Nur 25% gaben an, die korrekte Pausenerfassung gelegentlich zu vernachlässigen. Jedoch war auch hier die größte Gruppe die der unter 30 Jährigen. Ein höheres Einkommen fördert die Sorgfalt auch bei der Pausenerfassung nicht: Nur 35% der Beschäftigten mit einem Gehalt von € 4.500 - € 5.499 Euro dokumentieren ihre Pausen regelmäßig korrekt.
Als Gründe für den Arbeitszeitbetrug gaben die Befragten an, dass sie ihre Arbeitszeit als Ausgleich für unbezahlte Überstunden falsch erfassen sowie dass sie über die Arbeitsbedingungen frustriert sind. Nur 13% gaben persönliche oder familiäre Verpflichtungen an.
Wie sehen Arbeitgeber den Arbeitszeitbetrug? Obwohl 33% der Arbeitgeber jedenfalls „starke“ Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des gesamten Teams sehen, zeigen sie sich eher kulant: 65% der Arbeitgeber führen als erste Maßnahme lediglich ein Mitarbeitergespräch. Abmahnungen oder Kündigungen gelten hingegen als letzte Mittel.
Täglich 28 Minuten Arbeitszeit für Privates
Diese Erkenntnisse decken sich mit einer WKÖ-Umfrage aus 2022, laut der 66% aller befragten Arbeitnehmer den Dienst-PC sowie das Diensthandy privat nutzen. Die private Handy- und PC-Nutzung während der Arbeitszeit wird mit 28 Minuten pro Arbeitstag angegeben. Im Gegenzug gaben die Befragten an, dass sie im Schnitt 11 Minuten pro Tag beruflich in ihrer Freizeit beansprucht werden. Auch in dieser Studie zeigten sich die Arbeitgeber kulant: Die Verbote von privater Nutzung von Handy und PC während der Arbeitszeit haben abgenommen, die Nutzung wird weitgehend toleriert. Nur vereinzelt wurde erwartet, dass Dienstnehmer außerhalb der Dienstzeit erreichbar sind. Kein Wunder, dass die Befragten mit der Praxis zufrieden waren.
Fazit: Beklagt wird häufig, dass Mitarbeiter in der Freizeit erreichbar sind und dass nicht immer alle Überstunden korrekt vergütet werden. Die Kehrseite der Medaille, die massive Nutzung der Arbeitszeit für Privates, die Internet, Smartphone, etc. ermöglichen, wird übersehen. Solange es im Betrieb ein Geben und Nehmen gibt, wird eben nicht alles so heiß gegessen wie es gekocht wird…
Studienzusammenfassung_timo24_Arbeitszeiterfassung_2024-1.pdf
Gesundheitsjahrbuch 2025: Gesunder Lebensstil gefragt
Bei den Gesundheitsausgaben pro Kopf sind wir Nr.2 in der EU, bei den gesunden Lebensjahren aber nur Durchschnitt. Die Lösung liegt in der Prävention. Daher war ihr das Gesundheitsjahrbuch 2025 und eine prominente Podiumsdiskussion gewidmet.
In der EU geben nur die Deutschen pro Kopf mehr für ihre Gesundheit aus als die Österreicher. Die Demografie verschärft den Trend: Mehr Ältere benötigen mehr Versorgung und damit mehr Mittel, weniger Menschen im Haupterwerbsalter finanzieren das Gesundheitssystem in Zukunft. Zudem verursacht der Fachkräftemangel Engpässe in der Gesundheitsversorgung.
Es braucht somit einen Gamechanger, und das ist die Prävention. Denn Studien zufolge entscheidet weniger die Gesundheitsversorgung als das Verhalten der Menschen über ihren Gesundheitszustand, insbesondere Ernährung, Tabakkonsum, Bewegung und mentale Gesundheit. Österreicher konsumieren besonders viel Alkohol und Tabak, wie auch der aktuelle Drogenbericht zeigt.
Verhalten entscheidet über Gesundheit, nicht die Gesundheitsversorgung
Die WKÖ und SANOFI Österreich haben daher Anfang 2025 die Gesundheitsszene zum Diskurs zu Prävention eingeladen. Vor mehr als 150 Stakeholdern aus Wirtschaft und Wissenschaft wurde bei einer hochkarätig besetzten Veranstaltung das neue Jahrbuch Gesundheit 2025 vorgestellt. Die 16. Ausgabe präsentiert sich in einem komplett neuen Design und legt den Fokus auf Prävention und proaktives Gesundheitsmanagement.
Die Veranstaltung stand unter dem Motto “Health Heroes – Neustart für proaktive Gesundheit” und wurde live aus dem Puls24-Studio übertragen. In seiner Keynote verdeutlichte Alexander Braun, Professor für Gesundheitsökonomie am IMC Krems, die Vorteile von Gesundheitsvorsorge im Vergleich zu kurativer Medizin. Die Forschung zeigt, dass Investitionen in Prävention nicht nur Krankheitskosten senken, sondern auch Lebensqualität und Produktivität nachhaltig verbessern.
So sind zB viele Infektionskrankheiten durch Impfungen besiegt oder lassen sich gut heilen. Heutzutage leiden die Menschen vielmehr an chronischen, oft unheilbaren Krankheiten wie Diabetes. Gesunde Lebensjahre gewinnt man hier weniger durch Gesundheitsversorgung als durch Prävention.
Den Present Bias durchbrechen
Das Problem ist die Neigung des Menschen, Belohnungen vorzuziehen und Nachteile in die Zukunft zu verschieben. Bei der Prävention ist es umgekehrt: Ich verzichte jetzt auf Alkohol oder fettes Essen und überwinde mich jetzt zu Sport, Vorsorgeuntersuchungen oder Impfungen, während ich die verbesserte Gesundheit oft erst Jahre später spüre. Das selbe gilt für die Politik, die jetzt in Prävention investieren muss, während sich die Vorteile teilweise erst Jahrzehnte danach einstellen.
Gesund verhalten kann sich jede/r nur selbst, Politik, Gesellschaft und Unternehmen können aber Anstöße für die Healthy Choice geben. Ein Weg ist Aufklärung: So können nach Studien durch Lebensstilanpassung 40% der Demenzen vermieden werden. Prävention bedeutet hier nicht nur, die Kosten aufzuschieben – denn Gesundlebende sterben letztlich auch -, sondern produktive Jahre zu gewinnen und unproduktive oder gar schmerzhafte Jahre wie jene in Demenz zu reduzieren.
In der anschließenden Podiumsdiskussion beleuchteten Eva Höltl, Leiterin des Gesundheitszentrums der Erste Bank AG, Alexander Biach, Generaldirektor der SVS und Jakob Hochgerner, Gesundheitsdirektor der Oberösterreichischen Landesverwaltung gemeinsam mit Professor Braun das Thema Prävention und eine Vielzahl von Ansatzpunkten.
Fazit: Österreich hat ein gutes, aber teures Gesundheitssystem, die Gesundheit der Österreicher ist aber bestenfalls Durchschnitt. Die Lösungen, wie wir gesünder leben, sind bekannt und liegen durchwegs in Prävention und Eigenverantwortung. Wir müssen sie nur umsetzen!
Weitere Infos rund um das Jahrbuch Gesundheit 2025 – Download, e-Paper, Blogbeiträge unserer Experten, Archiv – sowie zur Präsentation am 14. Jänner, inklusive Fotos und Presseinfo und Aufzeichnung, finden Sie HIER.
von Mag. Maria Cristina de Arteaga
„Gemeinsam gegen Krebs“: SVS startet die größte Krebsvorsorge-Aktion Österreichs
Jedes Jahr belohnt die SVS gesundes Verhalten: 2024 stand unter dem Motto Zahnhygiene, heuer ist die Devise „Gemeinsam gegen Krebs“: SVS-Versicherte und ihre mitversicherten Angehörigen, die 2025 eine Krebsvorsorgeuntersuchung absolvieren, erhalten einmalig einen Bonus von 100 Euro. Die Gutschrift erfolgt automatisch über die Abrechnung des Arztes.
Ziel ist es, die Vorsorgeuntersuchungen bezüglich Hautkrebs, Prostatakrebs, Gebärmutterhalskrebs, Brustkrebs und Darmkrebs um 30% zu steigern. In Österreich erkranken jährlich 45.000 Menschen an Krebs. Studien zeigen, dass 50% aller Krebstodesfälle durch gesundes Verhalten und Vorsorgeuntersuchungen vermeidbar wären.
Näheres unter https://www.svs.at/krebsvorsorge
Mentoring für Migranten - auf dem Weg zum Paar Nr. 3.000
Am 20.1. 2025 startete der 19. Durchgang des Erfolgsprojekts „Mentoring für Migrant:innen“. Die WKO rief das Programm 2008 ins Leben und veranstaltet es seitdem in Kooperation mit ÖIF und AMS. Dabei unterstützen Mentoren aus der Wirtschaft qualifizierte Migranten beim Einstieg in den Arbeitsmarkt.
In einer Umfrage meldeten 80% der Mentees UND Mentoren, dass die Teilnahme ihnen Vorteile bringt. Das liegt am Programm, aber auch daran, dass die Veranstalter bei der Bildung der Paare genau auf Gemeinsamkeiten achten.
Beim 19. Durchgang wurden 100 Mentoring-Paare aus Wien, Niederösterreich und dem Burgenland gebildet. Die Mentees stammen aus 28 verschiedenen Ländern, Nr.1 ist die Ukraine mit 39 Teilnehmern, dahinter Syrien und Russland. Zwei Drittel der Mentees sind Frauen.
Die Mentoren, darunter viele Selbständige, aber auch WKO-Mitarbeiter werden bis zum Projektschluss im Juni 2025 ihre Mentees bei Fortbildung und Jobsuche unterstützen. Seit 2008 wurden bereits 2.760 Mentoring-Paare gebildet.
Mentoring für Migrant:innen - WKO
Fachtagung: Automatisierung der Arbeit am 10.3.2025
Am 10.3. findet am Campus der WU Wien eine Fachtagung zur Automatisierung der Arbeit statt. Die Vorträge beleuchten, wie generative KI (ChatGPT, DeepArt, etc.) die Arbeitswelt revolutionieren wird und welche rechtlichen Rahmenbedingungen bereits bestehen. Mehrere Vorträge widmen sich der kürzlich in Kraft getretenen KI-Verordnung.
Zeit: 10.3.2025 9-17 Uhr
Ort: Campus WU, Gebäude LC, Festsaal 2
Anmeldung und Details unter: automationofwork.at
Impressum
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Abteilung für Sozial- und Gesundheitspolitik
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