SPIK - Sozialpolitik informativ & kurz

Newsletter Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit 19.12.2024

Lesedauer: 10 Minuten

Aktualisiert am 22.11.2024

Inhaltsübersicht

  • Gesetzliche Änderungen ab 1.1.2025
  • Österreich im EU-Vergleich: Defizite bei Beschäftigung von Älteren, Frauen und Migranten
  • Warum es der Welt und uns viel besser als früher geht
  • Die Arbeitszeit fällt und fällt
  • Präsentation DAS JAHRBUCH GESUNDHEIT 2025 online am 14.1.2025
  • 60. Tagung der Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht 9.-11.4.2025 in Zell am See
  • Pensionsreformen in Europa  im Überblick

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

neue Regierungen auf EU-Ebene, in Frankreich, demnächst in den USA und Österreich, im Frühjahr in Deutschland. Das bringt Unsicherheit. Dazu Rezession, Kriege, Klimawandel – da kommt schwer Weihnachtsstimmung auf. Zeit, um innezuhalten und sich vor Augen zu führen, dass die Welt und mitten drin Österreich dennoch viel wohlhabender, sicherer, gesünder und sogar gleicher geworden ist als früher.

Vieles ändert sich, der Jahreswechsel bringt hingegen wenige Neuerungen im Arbeits- und Sozialrecht.

Ein EU-Vergleich zeigt einmal mehr: Österreich hat Defizite bei der Beschäftigung von Älteren, Frauen und Migranten, die eine künftige Regierung beheben muss.

Auch rezessionsbedingt haben die Österreicher noch nie so kurz gearbeitet wie jetzt. Daher ist Mehrarbeit zu fördern, nicht kürzere Arbeitszeit.

Am 14.1. wird das Jahrbuch Gesundheitswirtschaft online mit spannenden Beiträgen präsentiert.

Und 9.-11.4.2025 findet die 60. Tagung für Arbeits- und Sozialrecht in Zell am See statt.

Damit beschließen wir ein schwieriges Jahr für die Wirtschaft. Allen Leserinnen und Lesern wünschen wir ruhige, besinnliche Weihnachtstage und einen guten Rutsch in ein gesundes und glückliches Jahr 2025.

Rolf Gleißner, Christina Marx und das gesamte Team Sozial- und Gesundheitspolitik der Wirtschaftskammer Österreich



Gesetzliche Änderungen ab 1.1.2025

Mit Jahreswechsel sowie zu Stichtagen danach ergibt sich eine Reihe arbeits- und sozialrechtlicher Änderungen, die wir zusammengefasst haben.

Liste gesetzliche Änderungen ab 1.1.2025 (pdf)



Österreich im EU-Vergleich: Defizite bei Beschäftigung von Älteren, Frauen und Migranten

Rezession und Insolvenzen beschäftigen nicht nur Österreich, sondern ganz Europa. Synthesis hat die künftige Demografie analysiert und Österreich mit Vorreitern in Skandinavien verglichen. Das Ergebnis: Wir haben Aufholbedarf.  

Laut Synthesis wird die Bevölkerung im Erwerbsalter bis 2040 um 4,2 % bzw. um 250.000 Personen zurückgehen, in Kärnten und der Steiermark sogar um 10 %. Die Zahl der Beschäftigten wird bei einem "weiter wie bisher“ um rund 50.000 Vollzeitäquivalente sinken.

Die Beschäftigungsquote der 60- bis 64-jährigen Frauen wird bis 2033 wegen des steigenden Frauenpensionsalters zwar steigen, ab 2033 werden Arbeitsmarkt und Demografie aber weitere Schritte erfordern.

Österreich insgesamt gut, bei Älteren schlecht 

Österreichs Beschäftigungsquote ist zwar mit 65,9 % über dem EU-Schnitt, liegt aber deutlich hinter Deutschland (71,3 %), Schweden und Dänemark (jeweils 70,7 %). Hauptgrund ist die niedrige Erwerbsquote im Alter. Doch auch bei Geringqualifizierten ist Deutschland besser als Österreich.

Beschäftigungsquote Österreich 2023
© AMS, Synthesis Forschung


Quelle: Synthesis , Eurostat, Die Beschäftigungsquote der unselbständig Beschäftigten ist definiert als der Anteil der unselbstständig Beschäftigten im Alter zwischen 15-64 Jahren an der Gesamtbevölkerung im Alter zwischen 15-64 Jahren. 

Synthesis analysierte speziell die Gruppen mit Potenzial - Frauen mit Betreuungspflichten, Ältere zwischen 50 und 64 und Migranten – und zeigt auf, was die Spitzenreiter besser machen als Österreich.

Arbeitsmarkt braucht späteren Pensionsantritt 

Das meiste unausgeschöpfte Potenzial findet sich in Österreich bei den Älteren. Würde Österreich die hohen Beschäftigungsquoten der Spitzenreiter Schweden und Dänemark erreichen, wäre die Beschäftigung bis 2040 um etwa 200.000 Vollzeitäquivalente höher. Dänen gehen um etwa 3 Jahre später in Pension als Österreicher, Schweden sogar um 4 Jahre. Männer arbeiten in Schweden im Schnitt bis 65,5 Jahre, also ½ Jahr über das Regelpensionsalter hinaus – Männer in Österreich nur bis 61,6 Jahre. 

Zwar hebt Österreich das Frauenpensionsalter bis 2033 auf 65 Jahre an, aber weil auch die anderen EU-Staaten ihr Pensionsalter stetig anheben, werden wir auch 2033 früher in Pension gehen als die meisten Europäer. Dabei würde der heimische Arbeitsmarkt einen späteren Pensionsantritt gut auffangen, ja sogar brauchen. Entgegen Fehlmeldungen gingen laut AMS 2024 76 % der Frauen aus einer Beschäftigung heraus in Pension, nur 7,5 % aus Arbeitslosigkeit.

Frauen mit Betreuungspflichten – Schweden Vorbild 

Frauen mit Betreuungspflichten arbeiten in Österreich meist Teilzeit. Top sind hier wieder Schweden und Dänemark. Schweden hat nicht nur die niedrigste Teilzeitquote unter Frauen zwischen 25 und 49, sondern auch die höchste Beschäftigungsquote (71,6 %). Der Grund: Schweden hat etwa eine Platzgarantie in frühkindlicher Bildung ab dem 2. Lebensjahr, ein leistbares Betreuungsangebot und ein breites Netz an Ganztagesschulen mit Freizeitbetreuung. Dänemark hat ebenfalls einen Rechtsanspruch auf frühkindliche Bildung. Synthesis rechnet hier mit einem Beschäftigungspotenzial in Österreich bis 2040 von 75.000 Vollzeitäquivalenten.

Bei Flüchtlingen und Vertriebenen liegt Österreich mit einer Beschäftigungsquote von 54 % nur im unteren Mittelfeld. Schweden ist auch hier Quotenbester mit einem Fast-Track-Programm, das Neuankömmlingen hilft, eine Beschäftigung zu finden, die ihrer Ausbildung und Erfahrung entspricht. Dänemark punktet hier mit einem zweijährigen Integrationsprogramm, das bezahlte Praktika in Unternehmen und parallel dazu eine Ausbildung umfasst. Das Beschäftigungspotenzial liegt hier laut Synthesis bei 15.000 Personen.

Der Vergleich mit den EU-Spitzenreitern bestätigt nur bisherige Erkenntnisse. Nun ist zu hoffen, dass die Regierungsverhandlungen diese Erkenntnisse umsetzen.

AMS Forschungsnetzwerk - Vortrag zur demografischen Entwicklung bis 2040 im Kontext der Arbeitskräfteknappheit (Folienvortrag, AMS-Forschungsgespräch, 9.12.2024)

Studie: Demografie und Arbeitskräfteknappheit im (inter)nationalen Kontext

 

von Mag. Gabriele Straßegger, Mag. Maria Kaun



Warum es der Welt und uns viel besser als früher geht

Rezession, Kriege, Klimawandel, die vielen Krisen drücken auf die Stimmung. Gerade vor Weihnachten sollte man sich aber vor Augen führen, dass sich die Verhältnisse in den letzten Jahrzehnten massiv verbessert haben. 

Angesichts der vielfältigen Krisen in Europa und der Welt bekommt man den Eindruck, die Welt sei in einer furchtbaren Verfassung, zumindest bewege sie sich in eine falsche Richtung. Ein Grund sind die Medien: Sie sind voller bad news - Kriege, Klimawandel, Naturkatastrophen, Ungleichheit, Epidemien, Armut, Inflation. Good news hingegen – Friede, Wohlstand, Sicherheit, Langlebigkeit, Gesundheit - sind langweilig, fallen nicht auf und kommen in Medien selten vor.

Tatsächlich hat sich das Leben der meisten Menschen in den letzten Jahrzehnten aber massiv verbessert, wie der kanadische Psychologe und Wissenschaftler Pinker in seinem Buch „Aufklärung Jetzt“ nachweist. Bill Gates hat es als „sein Lieblingsbuch aller Zeiten“ genannt. Pinker beschreibt anhand von 15 Indikatoren die unglaublichen Fortschritte, die die Menschheit gemacht hat, die aber den wenigsten bewusst sind.

Lebenserwartung, Wohlstand steigen 

Woran erkennt man, dass es uns besser geht als unseren Eltern, Großeltern und Vorfahren? Zunächst leben wir länger: Die Lebenserwartung stieg in Österreich zwischen 1950 und 2023 von 64,5 auf 81,8 Jahre, weltweit von 46 auf 73 Jahre. Dieser Zuwachs wurde möglich durch enorme Verbesserungen in der Gesundheit: Impfungen, sauberes Wasser, verbesserte Ernährung senkten nicht nur die Sterblichkeit, sondern verbesserten auch den Gesundheitszustand der meisten Menschen.

Was Wohlstand betrifft, war absolute Armut die Regel für nahezu alle Menschen bis 1800. Das änderte sich mit Beginn der Industriellen Revolution. Das Welt-BIP hat sich seit 1820 verhundertfacht, pro Kopf in etwa verzwölffacht. Positive Faktoren waren seit 1990 der Niedergang des Kommunismus, das Ende des Kalten Kriegs und die Globalisierung. Heutzutage hat die Hälfte der Weltbevölkerung ein Smartphone. Auch in Österreich hat sich die Kaufkraft pro Kopf allein seit 1950 mindestens vervierfacht.

Aber wie steht es um die Verteilung des Wohlstands? Vor allem von linker Seite wird ja die wachsende Ungleichheit beklagt. Die Gleichheit ist Glück-Theorie klingt plausibel, ist aber umstritten: Wenn in einer armen Gesellschaft Wohlstand entsteht, führt das, so Pinker, zwangsläufig zu mehr Ungleichheit. Kriege und andere Katastrophen sind hingegen Gleichmacher. Die Ungleichheit in der Welt hat demnach bis 1980 zugenommen, seitdem nimmt sie ab. Beklagt wird aber auch die zunehmende Ungleichheit innerhalb von Staaten. Doch diese kann für Österreich und die EU-Staaten nicht festgestellt werden: Die Maßzahl für Gleichheit, der GINI-Koeffizient, ist seit vielen Jahren unverändert. 

Leben und Arbeit werden sicherer 

Angesichts der Konflikte überrascht, dass Leben und Arbeit wesentlich sicherer als früher sind. So ist die Anzahl der Verkehrstoten und der Arbeitsunfälle in den meisten Ländern massiv zurückgegangen. In Österreich hat sich die Zahl der Arbeitsunfälle seit 1980 fast halbiert, obwohl die Beschäftigung um rund 40% stieg. 1972 starben noch 2.948 Menschen in Verkehrsunfällen, 2023 waren es 385, obwohl sich die Zahl der Autos verdreifacht hat.

Auch der Anteil der Arbeitszeit an der Lebenszeit ist international weit geringer als früher und sinkt stetig. Wir treten aufgrund längerer Ausbildung später ins Erwerbsleben ein und verbringen aufgrund der höheren Lebenserwartung mehr Zeit in Pension. Gleichzeitig geht die laufende Arbeitszeit in den meisten EU-Staaten zurück, besonders deutlich in Österreich. Pinker rechnet weiters vor, dass sich durch technische Haushaltshilfen auch die Hausarbeit stark reduziert hat, sodass der moderne Mensch weit mehr freie Zeit hat als früher.

Pinker führt eine Vielzahl weiterer,  auch kurioser Verbesserungen an – so hat sich zB die Wahrscheinlichkeit, von einem Blitz getötet zu werden, dank Sicherheitsmaßnahmen, Wettervorhersage und Medizin um das 37fache (!) reduziert.

Den globalen Fortschritt führt der Optimist Pinker auf die Werte der Aufklärung – Vernunft, Wissenschaft und Humanismus – zurück, die heute allerdings gefährdet sind. Der Haken bei Pinkers Befund ist, dass er aus 2018 stammt, also vor der Pandemie und dem Ukraine-Krieg. Pinker hält seine Thesen aufrecht, ändern diese Ereignisse doch nichts am gesamten Trend nach oben. Es ist wahrscheinlich und gerade vor Weihnachten zu hoffen, dass sie Ausnahmen sind und keine Wende einleiten.


von Mag. Dr. Rolf Gleißner



Die Arbeitszeit fällt und fällt

Trotz zwei Jahren Rezession ist die Beschäftigung stabil. Aber die Wirtschaftslage schlägt bei der Arbeitszeit voll durch: Von Juli bis September 2024 arbeiteten die Österreicher im Schnitt 26,9 Stunden – das ist weniger denn je! Selbst im ersten Covid-Jahr 2020 arbeiteten wir im dritten Quartal 28,3 Stunden. Insgesamt war die Arbeitszeit 2024 bisher um über zwei Stunden pro Woche kürzer als 2019.

Arbeitszeit pro Kopf und gesamt
© WKÖ, Bild von diana.grytsku auf Freepik

Gründe sind der Rückgang bei Überstunden und die Zunahme von Teilzeit. So hat die Zahl der Vollzeitbeschäftigten laut Statistik Austria von 2013 bis 2023 um 3,2% zugenommen, die Zahl der Teilzeitbeschäftigten hingegen um 30,9%.

Das Arbeitsvolumen ist die Basis für Wohlstand und Sozialstaat. Eine künftige Regierung muss somit Mehrarbeit fördern, nicht kürzere Arbeitszeit.

Teilzeitarbeit seit 2013 um mehr als 30 % zugenommen

 

von Mag. Dr. Rolf Gleißner



Präsentation DAS JAHRBUCH GESUNDHEIT 2025 online am 14.1.2025

Am Dienstag, den 14.01.2025 präsentieren wir von 10:00 bis 11:30 Uhr unser neues Jahrbuch unter dem Motto „Health Heroes – Neustart für proaktive Gesundheit“. Die Keynote „Vorsorge statt Nachsorge – Investition in Gesundheit lohnt sich“ von Alexander Braun, Professor für Gesundheitsökonomie am IMC Krems, sowie die anschließende hochkarätige Diskussion zu Prävention und eigenverantwortlichem Gesundheitsmanagement in Österreich werden online übertragen. Details zum Programm und Anmeldung finden sie HIER



60. Tagung der Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht 9.-11.4.2025 in Zell am See

Themen am Donnerstag, dem 10. April 2025:

  • Gestaltungsmacht der Kollektivvertragsparteien Univ.-Prof. Mag. Dr. Elias Felten (Paris Lodron Universität Salzburg)
  • Aus- und Fortbildung im Arbeitsverhältnis Hon.-Prof. RA Mag. Dr. Christoph Wolf (Universität Wien)
  • Arbeitskräfteüberlassung im Spannungsverhältnis zwischen Unionsrecht und nationalem Arbeitsrecht MMag.a Dr.in Birgit Schrattbauer (Paris Lodron Universität Salzburg) 

Themen am Freitag, dem 11. April 2025:

  • Heilmittel: Versorgungsanspruch und Ökonomiegebot Univ.-Prof.in MMag.a Dr.in Michaela Windisch-Graetz (Universität Wien)
  • Atypische Beschäftigung und Sozialversicherungsrecht – dargestellt am Beispiel des Sports Univ.Prof. Mag. Dr. Dr.h.c. Gert-Peter Reissner (Universität Graz) 

Neben den angeführten Vorträgen wird am Donnerstag, dem 10. April 2025 von 17:30 bis 19:00 Uhr ein Seminar über das Thema „Gleichbehandlungsrecht“ von Mag.a Dr.in Christina Schnittler (Universität Wien) angeboten.

Am Mittwoch, dem 9. April 2025 findet zudem wieder von 16:00 bis 17:30 Uhr ein „Nachwuchsforum“ statt. 

Ort: Ferry Porsche Congress Center 5700 Zell am See, Brucker Bundesstraße 1a 

Anmeldebeginn: Mittwoch, 8. Jänner 2025 Anmeldeschluss: Freitag, 14. März 2025 

Tagung 2025 - Österreichische Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht - Tagung Zell am See




Pensionsreformen in Europa im Überblick

Angesichts knapper öffentlicher Mittel stellt sich die Frage nach weiteren Reformoptionen für das Pensionssystem. Eine aktuelle WIFO-Studie gibt einen Überblick zu den Alterssicherungssystemen in Europa und den letzten Reformen. Die Mehrheit der Länder hob in den letzten Jahren das Pensionsantrittsalter an, einige senkten die Pensionen oder erhöhten die Beiträge. In Skandinavien wurden die Hinterbliebenenpensionen eingeschränkt. Mehrere Länder führten automatische Anpassungsformeln ein. Eine schlechte Konjunktur fördert die Umsetzung von Reformen. 

Alterssicherungssysteme und Pensionsreformen in Europa





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