SPIK - Sozialpolitik informativ & kurz

Newsletter Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit 30.7.2024

Lesedauer: 7 Minuten

Aktualisiert am 31.07.2024

Inhaltsübersicht

  • Arbeitskräfteradar 2024: Fachkräftemangel trotz Wirtschaftsflaute
  • Die Hälfte der ausländischen Studienabsolventen verlässt Österreich
  • Mindestlöhne und Arbeitskosten galoppieren im EU-Vergleich davon
  • Selektive Wahrnehmung beim Gender Pensions Gap
  • New Work: Chancen, Herausforderungen und Politikempfehlungen
  • ZAS-Tag am 3.10.2024: Schwerpunkt Personalmaßnahmen in schwierigen Zeiten



Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Die Wirtschaftsflaute hält sich hartnäckig. Ist damit die Zeit des Arbeitskräftemangels vorbei? Nein, sagen die Unternehmen laut Arbeitskräfteradar. Und so wie nach Regenwochen die heißen Sommer zurückkehren, wird sich auch der Mangel beim nächsten Aufschwung wieder stärke einstellen. 

Daher ist es wichtig, ausländische Studienabsolventen zu halten – die Hälfte verlässt Österreich.

Die Wirtschaft muss auch in punkto Wettbewerbsfähigkeit langfristig denken und hat daher vor überzogenen Lohnerhöhungen gewarnt. Der EU-Vergleich zeigt, dass Arbeitskosten und Mindestlöhne in Österreich weit überdurchschnittlich gestiegen sind.

Jährlich werden immer mehr „Equal Days“ begangen, demnächst der „Equal Pensions Day“. Die Diskussion dazu ist sehr einseitig.

New Work kann laut aktueller Studie von EcoAustria Produktivität und Arbeitszufriedenheit erhöhen. Das setzt passende Rahmenbedingungen voraus. 

Am 3.10. ist wieder ZAS-Tag mit einem Update zu Gesetzgebung und Judikatur und dem Schwerpunkt Personalmaßnahmen in schwierigen Zeiten.

Alles Gute!

Rolf Gleißner



Arbeitskräfteradar 2024: Fachkräftemangel trotz Wirtschaftsflaute

Die anhaltende Rezession hat die Verfügbarkeit von Arbeitskräften verbessert. Der Bedarf bleibt aber hoch und der Mangel wird beim nächsten Aufschwung ebenso sicher zurückkehren wie heiße Sommer nach Regenwochen. 

Jährlich befragt die Wirtschaftskammer Unternehmen nach ihrem Bedarf an Arbeitskräften. Die 2.800 Betriebe, die sich beteiligten, meldeten österreichweit 193.000 offene Stellen für Fachkräfte und damit etwas weniger als im Vorjahr (210.000).

Obwohl die Wirtschaft seit dem Sommer 2022 stagniert, melden 82% der Unternehmen, dass sie vom Mangel an Arbeits- und Fachkräften betroffen sind, 59% spüren den Fachkräftemangel stark. Gegenüber dem Vorjahr hat sich trotz des Konjunkturrückgangs wenig verändert: Die Werte sind stabil, nur der Anteil sehr stark betroffener Unternehmen ist leicht gesunken.

Wie wirkt sich der Mangel aus? In 81% der heimischen Betriebe entsteht eine Zusatzbelastung für die Firmenchefs und ihre Angehörige, der Aufwand für die Personalsuche steigt in 75% der Betriebe. Zudem klagen 66% der Betriebe über den Mehraufwand, der durch Beschäftigung nicht ausreichend qualifizierter Arbeitskräfte entsteht.

56% der befragten Unternehmen melden Umsatzeinbußen, 44% Einschränkungen der Innovationsfähigkeit, 28% der Betriebe sehen sich durch den Arbeitskräftemangel sogar in ihrer Existenz bedroht. 

Maßnahmen zur Fachkräftesicherung 

Was Lösungen betrifft, wünschen sich 82% der Unternehmen mehr Beschäftigungsanreize für Arbeitslose, 80% fordern Anreize zur Vollzeitbeschäftigung und eine Ausdehnung der Arbeitszeit. Mehrheitlich gefordert werden auch die Attraktivierung der Lehrlingsausbildung (77%), Förderungen für die Beschäftigung Älterer und Langzeitarbeitsloser (72%) und rechtliche Verbesserungen der Rot-Weiß-Rot-Karte samt Verfahrensdigitalisierung (55%).

Top-5-Wünsche Unternehmer zur Verringerung Arbeits-und Fachkräftemangel
© WKÖ

Der Arbeitskräfteradar zeigt: Der Arbeitskräftemangel ist gekommen, um zu bleiben. Der nächste Aufschwung kommt bestimmt und dann wird er mit aller Wucht zurückkehren. Ursache und Wirkung werden sich sogar umkehren: Denn die Wirtschaft kann nur wachsen, wenn es ausreichend arbeitsbereite Menschen gibt.   

Arbeitskräfteradar


von Margarita Aleksieva, BA


Die Hälfte der ausländischen Studienabsolventen verlässt Österreich

Um mögliche Potenziale am Arbeitsmarkt auszuloten, hat die WKÖ bei der Statistik Austria eine Sonderauswertung zu den internationalen Studierenden in Österreich beauftragt. Denn es ist leichter, qualifizierte Kräfte im Land zu behalten, die bereits Deutsch können und auch schon ein gewisses Netzwerk aufgebaut haben, als internationale Talente neu für Österreich zu gewinnen. Derzeit allerdings geht ein großer Teil des Potenzials der internationalen Studierenden für den heimischen Arbeitsmarkt verloren.

So zeigt die Sonderauswertung, dass von den rund 16.000 internationalen Studienabsolventen (EU + Drittstaaten) im Jahr 2020/21 fast die Hälfte (46 %) Österreich innerhalb von 12 Monaten verlassen hat. Vor allem bei wichtigen Fächern wie MINT, Gesundheit, Wirtschaft/Recht ist der Abgang sehr hoch. Rund 4.900 der 16.000 Absolventen kamen von außerhalb der EU. Hier hat der Standort Österreich 45 % (rund 2.200) innerhalb eines Jahres verloren, wobei Leute aus europäischen Drittstaaten (Balkan, UK, siehe Grafik) überwiegend bleiben, als Studienabsolventen von außerhalb Europas überwiegend gehen.

Die Hälfte der ausländischen Studienabsolventen verlässt Österreich
© WKÖ

Die rechtlichen Rahmenbedingungen wurden im Zuge der letzten Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte bereits geschaffen: Sowohl Bachelor- als auch Master-Absolventen können die RWR-Karte beantragen, es braucht kein Mindestalter mehr. 925 internationale Studienabsolventen in Österreich haben diese Möglichkeit 2023 auch schon genutzt, 2017 waren es erst 267 Bewilligungen.

Menschen, die in Österreich ein Studium absolviert haben, sind gut integriert und qualifiziert. Um sie in Österreich zu halten und Brain Drain zu vermeiden, sollten sie, aber auch die Betriebe motiviert und besser über Chancen und Potenziale informiert werden. Wesentlich ist eine gute Verbindung der Betroffenen mit den Career-Centern der Universitäten.


von Mag. Julia Moreno-Hasenöhrl



Mindestlöhne und Arbeitskosten galoppieren im EU-Vergleich davon

Eurofound hat erstmals nicht nur gesetzliche, sondern auch kollektivvertragliche Mindestlöhne in 24 EU-Staaten analysiert. Österreich ist im Spitzenfeld – auch beim Anstieg der Arbeitskosten generell. 

Eurofound hat repräsentative Daten zu kollektivvertraglichen Mindestlöhnen für 24 EU-Mitgliedstaaten zusammengestellt. Dabei wurden insgesamt 692 Tarifverträge, die sich auf 24 Niedriglohnsektoren beziehen, ausgewertet. Der Zeitraum umfasst die Jahre 2015 bis 2022. Der EU-weite Vergleich von kollektivvertraglichen Löhnen ist neu, denn bisher wurden lediglich gesetzliche Mindestlöhne verglichen.

In Österreich wurden rund 50 Kollektivverträge analysiert und auch die international unüblichen Sonderzahlungen berücksichtigt. Im Ergebnis betrug der durchschnittliche kollektivvertragliche Mindestlohn in Österreich 2022 € 1.960.

Im Ländervergleich liegt Österreich in der Spitzengruppe mit den Benelux-Staaten, skandinavischen Ländern und Deutschland. Spitzenreiter ist Dänemark mit € 2.951, auch weil es dort keine Lohnnebenkosten gibt, dafür der hohe Bruttolohn massiv besteuert wird. Beim Nettolohn lag Ö 2022 mit € 1.736 auf Platz 4 hinter Luxemburg, Dänemark und Belgien. Ö hat wie skandinavische Länder keinen gesetzlichen Mindestlohn. Während aber KV-Mindestlöhne in Ö praktisch für alle Arbeitnehmer gelten, ist das in Skandinavien nicht der Fall.

Seit 2022 dürfte sich Ö im Ranking noch gesteigert haben. Denn sowohl die Mindestlöhne als auch die Arbeitskosten generell sind in Österreich - abgesehen von den neuen Mitgliedstaaten – am stärksten gestiegen. Das zeigt einerseits die Eurofound-Analyse

„Minimum wages in 2024: Annual review“, andererseits der Eurostat-Vergleich. In Österreich stiegen die Arbeitskosten im 1. Quartal 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 9,8%, im Euroraum nur um 5,1%. Der aktuelle OECD Employment Outlook bestätigt die Spitzenstellung Österreichs beim Lohnwachstum.

 Nominale Lohnkosten pro Stunde, Gesamte Wirtschaft
© Eurostat

Fazit

In Österreich garantieren flächendeckende KV einen Mindestlohn, der EU-weit im Spitzenfeld liegt. Ein gesetzlicher Mindestlohn ist daher nicht nötig. In den letzten Jahren stiegen nicht nur die Mindestlöhne, sondern die Arbeitskosten generell weiter über dem EU-Schnitt an. Ö fällt daher im Wettbewerb zurück, zumal auch die Produktivität kaum steigt. Um den Faktor Arbeit zu entlasten, sind daher dringend die Lohnnebenkosten zu senken. 

Quelle:

Eurofound - Minimum wages for low-paid workers in collective agreements 2024

Eurofound - Minimum wages in 2024: Annual review

EUROSTAT – Euroindikatoren 17.6.2024

 

von Dr. Ingomar Stupar



Selektive Wahrnehmung beim Gender Pensions Gap

Alljährlich werden immer mehr „Equal Days“ zelebriert, in diesen Tagen etwa der Equal Pensions Day. Dabei wird beklagt, dass Männer deutlich mehr Pension erhalten als Frauen. Der Hintergrund wird stets nur „selektiv“ beleuchtet. 

Das System einer Pensionsversicherung zielt nicht primär auf Gleichheit ab, sondern soll zunächst das im Erwerbsleben erzielte Einkommensniveau im Pensionsleben erhalten. Die aktuellen Pensionen spiegeln dabei nicht die gegenwärtige Arbeitswelt, sondern die der letzten Jahrzehnte wieder, in denen die Erwerbsbeteiligung der Frauen deutlich geringer war als heute.

Tatsächlich gilt der Grundsatz „wer mehr einzahlt, bekommt mehr heraus“ ohnehin nur eingeschränkt, weil das Pensionssystem die Unterschiede aus dem Erwerbsleben stark einebnet: Zwischen höheren und niedrigeren Einkommen, aber auch zwischen den Geschlechtern. Die Ausgleichszulage, also Mindestpension, ist gleich hoch wie die durchschnittliche deutsche Frauenpension.

Frauen beziehen zwar aufgrund ihrer Erwerbszeiten niedrigere monatliche Pensionen, doch diese dafür viel länger als Männer. Österreich hat mit 60,5 Jahren nach Polen das niedrigste Frauenpensionsalter in der EU. Gleichzeitig leben Frauen um fünf Jahre länger als Männer. Auch profitieren Frauen weit überproportional von Witwen(r)pensionen, Ausgleichszulage und – völlig zurecht! – der Anrechnung von Kindererziehungszeiten. All diese Faktoren sind legitim, bleiben aber bei der Gegenüberstellung der nackten Pensionszahlen unberücksichtigt. Sie führen dazu, dass Frauen insgesamt jährlich die gleiche Summe an Pensionen erhalten wie Männer.

Frauenpensionsantrittsalter in den EU-Staaten 2023
© WKÖ

Das heißt natürlich nicht, dass es keinen Handlungsbedarf gibt: Um Einkommen und Pensionen von Frauen zu heben, fordert die Wirtschaftskammer den Ausbau der Kinderbetreuung, Aufklärung und Förderung bei der Berufswahl (Stichwort Frauen in die Technik) und Anreize, der Teilzeitfalle zu entkommen.


von Mag. Dr. Rolf Gleißner



New Work: Chancen, Herausforderungen und Politikempfehlungen

In einer aktuellen Studie im Auftrag der Jungen Wirtschaft zeigt EcoAustria, dass neue Arbeitsformen in Zukunft ökonomische Effekte und wichtige Impulse für die heimische Wirtschaft auslösen können. Konkret können die Produktivität gesteigert und Personen für den Arbeitsmarkt gewonnen werden. Eine interessante Gruppe sind die „digitalen Nomaden“. Sie können ihre Arbeit von jedem Ort der Welt ausführen. Doch nur wenn sie das in Österreich machen, kommen ihre Kaufkraft und Abgabenleistung der heimischen Wirtschaft und dem Staat zugute. Umso wichtiger sind geringere Abgabenlast für Leistungsträger, mehr Flexibilität, weniger Regulierung und gute Lebens- und Arbeitsbedingungen.

EcoAustria Studie




ZAS-Tag am 3.10.2024: Schwerpunkt Personalmaßnahmen in schwierigen Zeiten

Traditionell bietet der Manz-Verlag in Kooperation mit der Wirtschaftskammer Österreich ein Update zum Arbeits- und Sozialrecht des Jahres in einem Tag. Geboten werden:

  • Neues aus der Gesetzgebung
  • Maßnahmen im Zuge der Beendigung
  • Sonstige Maßnahmen: Qualifizierung, Bildungskarenz, Abbau von Urlaub und Zeitguthaben
  • Maßnahmen des AMS
  • Judikatur-Update 

Ort: Wirtschaftskammer Österreich, Saal 2, Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien

Zeit: Donnerstag, 3. Oktober 2024, 9:00 (Eintreffen) – 16:00 Uhr 

Programm und Anmeldung: https://shop.manz.at/shop/events/614935





Impressum
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Leiter: Mag. Dr. Rolf Gleißner
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