SPIK - Sozialpolitik informativ & kurz

Newsletter Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit 28.5.2024

Lesedauer: 7 Minuten

Aktualisiert am 29.05.2024

Inhaltsübersicht

  • Indonesien und die Philippinen als Schlüsselmärkte für Fachkräfte
  • In der ganzen EU fehlen Arbeitskräfte
  • Neue nationale Zulassungsstelle stärkt Österreichs Medizinprodukte-Branche
  • Der neue Fehlzeitenreport wird am 2.7. präsentiert
  • Wir leben auf Kosten der Zukunft!
  • 59. Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht


Liebe Leserinnen, liebe Leser,

weltweit ist ein Wettbewerb um Talente im Gang. Die klassischen Einwanderungsländer USA, Kanada, Australien, etc. haben Riesenvorteile als „Marke“ und mit Englisch als lingua franca. Die deutsche Bundesagentur für Arbeit ist in vielen Drittstaaten aktiv. Die WKÖ nimmt mit ABA und BMAW am Wettbewerb teil. Gerade wurde mit Indonesien ein Abkommen unterzeichnet und auf den Philippinen die neue Dachmarke „Your Future Made in Austria“ vorgestellt.

Ein Bericht zum europäischen Arbeitsmarkt zeigt Berufe mit einem Überschuss an Arbeitskräften und noch mehr Mangelberufe. Der Binnenmarkt hilft, reicht aber nicht für die Fachkräftesicherung.

Es gibt viele Hebel, den Standort zu stärken. Die neue nationale Zulassungsstelle für Medizinprodukte stärkt die Branche in Österreich.

Am 2.7.2024 präsentieren der Dachverband, WKÖ und AK erstmals nach COVID den Fehlzeitenreport.

Zum Abschluss der Beitrag „Wir leben auf Kosten der Zukunft“ und eine Nachlese auf die Zeller Tagung für Arbeits- und Sozialrecht.

Alles Gute!

Rolf Gleißner



Indonesien und die Philippinen als Schlüsselmärkte für Fachkräfte

Indonesien und die Philippen zählen zu den bevölkerungsreichsten Ländern. Auch aufgrund von Bildungssystem und Kultur bieten sie potenzielle Fachkräfte für Österreich. In einer Reise von WKÖ und Arbeitsministerium wurden Meilensteine gesetzt.

Die Reise von 10. bis 17. Mai führte die von WKÖ-Generalsekretär Kopf und Tourismus-Staatssekretärin Kraus-Winkler geleitete Wirtschaftsdelegation nach Jakarta und Manila. Wie schon mit den Philippinen wurde ein Memorandum of Understanding (MoU) mit dem indonesischen Ministry of Manpower unterzeichnet. Das Abkommen zielt unter anderem darauf ab, Fachkräfte, die in Österreich arbeiten wollen, zu unterstützen, den Beschäftigungsstandort Österreich zu bewerben, Deutschkurse vor Ort auszubauen, Qualifikationen beiderseitig anzuerkennen sowie irreguläre Migration zu vermeiden.

Das MoU knüpft an ein Abkommen zur Zusammenarbeit bei der dualen Lehrausbildung aus 2022 an, um die Qualifikationen in Indonesien mit österreichischem Know-how zu verbessern. Die Philippinen sind bekannt für ihre Pflegekräfte, bieten aber auch Potenzial in Technik-, Handwerks- und IT-Berufen. In Indonesien ist der Fokus auf touristische, metall- und holzverarbeitende Berufe.

Indonesien und die Philippinen sind mit 275 Mio bzw. 120 Mio Menschen die Nr. 4 und 13 unter den bevölkerungsreichsten Ländern der Welt. Die Bevölkerung ist jung und wächst rasant, 1960 lebten dort erst 88 bzw. 28 Mio Menschen. Die Auswanderung ist im Interesse der Länder, weil ihre Arbeitsmärkte nicht genug Chancen bieten und sie von den Rücküberweisungen (Remittances) ihrer Auslandsbürger profitieren – 2022 waren das in Indonesien 13 Mrd US-Dollar, in den Philippinen sogar 33 Mrd US-Dollar. Etwa 5 Mio Indonesier arbeiten meist bei den „reicheren Nachbarn“ Taiwan, Hongkong und Malaysia.

Manila: Freundschaftswoche und neue Perspektiven

Nach Jakarta ging die Reise der Delegation weiter nach Manila zur philippinisch-österreichischen Freundschaftswoche, mit der die engen bilateralen Beziehungen gefeiert wurden. Höhepunkt war die Vorstellung der neuen Dachmarke "Your Future Made in Austria", die die WKÖ gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft und der Austrian Business Agency entwickelt hat. Die Marke soll internationale Talente ansprechen und Österreich als attraktiven Arbeitsstandort positionieren. Denn im weltweiten Wettbewerb um Talente hat Österreich Nachholbedarf im Vergleich zu den bekannten „Marken“ USA, Kanada, Australien, etc., die noch dazu keine Sprachhürde bieten. 

Helfen soll ein neues „Migrant Workers Office“, das die Philippinen Ende 2024 in Wien errichten wollen und das die Arbeitsmigration von Filipinos nach Österreich erleichtern soll. Teil der Delegation waren auch heimische Personalvermittler und Unternehmensvertreter, die sich mit indonesischen und philippinischen Personalvermittlern vernetzten und zu Rekrutierungsprozess und lokalen Arbeitsmärkten informierten.

Die Reise war Teil der Internationale Fachkräfte-Offensive (IFO) der WKÖ, die zum Ziel hat, in bestimmten Drittstaaten jene Fachkräfte zu gewinnen, bei denen in Österreich Mangel herrscht.

Indonesische Fachkräfte: Eine Lösung für den Arbeitskräftemangel? (youtube.com)


von Larena Eibl, MA



In der ganzen EU fehlen Arbeitskräfte

Trotz Rezession stellt die Europäischen Arbeitsbehörde zahlreiche Berufe fest, bei denen es EU-weit an Arbeitskräften mangelt. 

Der aktuelle EURES-Bericht über Arbeitskräftemangel und -überschuss 2023 der Europäischen Arbeitsbehörde zeigt Ungleichgewichte am gesamten europäischen Arbeitsmarkt auf. Demnach konkurrieren die Unternehmen EU-weit um Arbeitskräfte vor allem im Bau- und Ingenieurhandwerk, im Gesundheitswesen, in den IKT-Berufen sowie im Tourismus.

Für diese Entwicklung werden vielfältige Gründe identifiziert: Aufgrund des langjährigen Geburtenrückgangs in ganz Europa betreten nur mehr schwache Jahrgänge den Arbeitsmarkt. Gleichzeitig verlassen nicht nur in Österreich, sondern in ganz West-, Mittel- und Nordeuropa die Babyboomer den Arbeitsmarkt. In Süd- und Osteuropa wird dieser Prozess zwar erst später einsetzen, dafür leiden die Länder dort unter massiver Abwanderung – ins Ausland, aber auch innerhalb der Länder von peripheren Regionen in Zentralräume. Zudem sinkt die durchschnittliche Arbeitszeit in den meisten EU-Ländern.

Die Folge: EU-weit verdoppelte sich der Anteil offener Stellen an der Gesamtjobzahl (Job Vacancy Rate) von 1,5% 2015 auf 3% 2022 und liegt derzeit bei 2,7%. Österreich hat mit 4,1% den dritthöchsten Wert (Eurostat).  

Job Vacancy Rate 4. Quartal 2023
© Eurostat Job Vacancy Rate 4. Quartal 2023

Die Mangelberufe sind überwiegend männlich, die Überschussberufe weiblich 

Der Strukturwandel in der Wirtschaft sowie der digitale und ökologische Wandel verändern die Qualifikationsanforderungen an Arbeitskräfte. Einen besonders gravierenden Arbeitskräftemangel weisen die Berufe Lkw-Fahrer, Pflegefachkräfte, Elektriker, Dachdecker, Kellner und Bauarbeiter auf. Der Anteil junger Arbeitnehmer ist in einigen der Mangelberufe gering, sodass die kommenden Pensionsantritte den Mangel noch verschärfen werden.

Doch es gibt auch Überschussberufe mit einem Arbeitskräfteübergang, etwa Frachtabfertiger, Designer, Bürokräfte, Rezeptionisten, Taxifahrer, Verkäufer und Hilfsarbeiter. Dabei zeigt sich zweierlei: Erstens handelt es sich auch um qualifizierte Berufe, ein hohes Bildungsniveau bedeutet also nicht automatisch gute Beschäftigungschancen. Zweiten waren 2022 über 60 Prozent der Beschäftigen in diesen Bereichen Frauen, während nur 27 Prozent der Beschäftigten in Mangelberufen weiblich waren. Daraus ergibt sich eine ungünstigere Arbeitsmarktsituation für Frauen im Vergleich zu Männern.

Innereuropäische Mobilität hilft, reicht aber nicht 

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU reduziert die Ungleichgewichte und die Arbeitslosigkeit insgesamt, weil Menschen meist von Ländern mit geringen Job- und Verdienstchancen in Länder mit besseren Chancen wandern. Für etwa zwei Drittel der Mangelberufe gibt es zumindest ein europäisches Land mit einem Überschuss im jeweiligen Beruf. Das gilt aber nicht für die meist verbreiteten Mangelberufe. Und die Demografie wird diesen Mangel künftig verschärfen. Das zeigt, dass nicht nur einzelne Länder, sondern die gesamte EU aktiv werden muss.

Die Agenda 2024+ der WKÖ zeigt nötige europäische Maßnahmen zur Sicherung von Fachkräften auf: Dazu zählen die Stärkung der Berufsbildung, die Verbesserung der innereuropäischen Mobilität (EURES), der geplante EU-Talentepool und die Forcierung der qualifizierten Zuwanderung aus Drittstaaten. Dazu kommen die verbesserte Integration etwa von Vertriebenen und langfristig eine wirksame Familienpolitik.


von Claudia Golser-Roet, M.A.I.S., LL.M., Bakk., BA



Neue nationale Zulassungsstelle stärkt Österreichs Medizinprodukte-Branche

Nach langem Warten ist es so weit: Mit QMD Services gibt es seit Mitte Mai 2024 wieder eine eigene nationale Zulassungsstelle für Medizinprodukte. Die Akkreditierung von QMD Services als „Benannte Stelle" stärkt die heimische Medizinproduktebranche und den Wirtschaftsstandort Österreich.

Heftpflaster, Brillen, Rollstühle, Röntgengeräte sind Beispiele für die hunderttausenden Medizinprodukte, die aus unserem Alltag und in der medizinischen Behandlung nicht mehr wegzudenken sind. Doch diese Produkte unterliegen aufgrund der EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) strengen Anforderungen und benötigen eine sog. Konformitätsbewertung. Dies kann auch die Beiziehung einer externen Stelle - einer Benannten Stelle - erfordern.

Die QMD Services GmbH erhielt nun - nach jahrelangem Verfahren - die Berechtigung zur Konformitätsbewertung für Medizinprodukte. Dies war überfällig, da es seit 2016 bzw. 2017 keine Benannte Stelle in Österreich gab. Bereits Ende 2022 wurde die QMD Services als Zulassungsstelle für In-vitro-Diagnostika anerkannt. Dabei handelt es sich etwa um Produkte zur medizinischen Diagnose von biologischen Proben – bekanntestes Beispiel sind die COVID-Tests. Für die Überprüfung der Produkte engagierte QMD Experten mit einschlägigen Kenntnissen auf den jeweiligen Gebieten (die konkreten Produktcodes, die in der Benennung enthalten sind, findet man in der Datenbank der Benannten Stellen NANDO).

Stärkung von Standort und Versorgungssicherheit

Es ist erfreulich, dass die heimischen Unternehmen nicht länger auf ausländische Zulassungsstellen angewiesen sind, sondern in Österreich eine Anlaufstelle haben. Eine zusätzliche Benannte Stelle in der EU steht allen EU-Unternehmen offen und wird die Wartezeiten für die Konformitätsbewertungen reduzieren – ein enormer Vorteil besonders für Start-ups und KMU, die auf rasche Marktzugänge angewiesen sind. Die Ernennung der QMD wird daher den Standort Österreich und die Versorgungssicherheit stärken. 


von Mag. Christina Zwinger



Der neue Fehlzeitenreport wird am 2.7. präsentiert

Schwerpunkt: Lehrlinge und junge Erwerbstätige

Dienstag, 2. Juli 2024, 10 – 12:30 Uhr
(Get together: 9:30 Uhr)
Ort: Dachverband der Sozialversicherungsträger

Einladung und Programm



Wir leben auf Kosten der Zukunft!

Meint Rolf Gleißner im Standard. Basis für (künftigen) Wohlstand und Sozialstaat sind die Zahl der Arbeitskräfte, die durchschnittliche Arbeitszeit und die Produktivität. In allen drei Bereiche ist ein zunehmender Gegenwind zu verspüren, was nichts Gutes für die Zukunft verheißt.  

https://www.derstandard.at/story/3000000220034/wir-leben-auf-kosten-der-zukunft-warum-wir-laenger-arbeiten-sollten




59. Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht

Bei der gut besuchten Tagung war der erste Tag von drei arbeitsrechtlichen Vorträgen geprägt: Den ersten Vortrag bestritt Univ.-Prof. Elisabeth Brameshuber (Universität Wien) zum Thema „Freiwilligenarbeit, Praktika und Volontariate: Verhältnis zur Normalarbeit“. Dabei fokussierte sie sich auf die Fragen nach der Abgrenzung zu „normalen“ Arbeitsverhältnissen und der Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften auf Freiwilligenarbeit. Zu erster Frage hielt sie ua fest, dass – ausgehend von den Typusmerkmalen eines Arbeitsverhältnisses – ehrenamtliches Engagement grundsätzlich an drei Merkmalen zu messen sei: (Un-)Entgeltlichkeit, Freiwilligkeit und dem Vorliegen sozialer Motive. Bzgl der Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften sei festzuhalten, dass diese bei Ausbildungsverhältnissen auf Grund eines mit Arbeitsverhältnissen vergleichbaren Schutzniveaus oftmals zu bejahen sei.

Presseaussendung zur Tagung





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