SPIK - Sozialpolitik informativ & kurz
Newsletter Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit 28.3.2024
Lesedauer: 8 Minuten
Inhaltsübersicht
- Sorge um die Pension begründet?
- Europäische Kommission legt Aktionsplan gegen Arbeitskräftemangel vor
- Kostensenkung durch Patientensteuerung?
- Gute Arbeit – das Magazin für alle, die anpacken
- Volkswirtschaftliche Wirkung einer Arbeitszeitverkürzung
- Terminaviso ZAS-Tag am 3.Oktober 2024
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Dauerbrenner Pensionen: Laut Bevölkerungsprognose der Statistik Austria kommen derzeit drei Personen im Erwerbsalter auf eine im Pensionsalter, 2042 werden es nur mehr zwei sein. Der Anteil der Pensionisten steigt stetig, während die Geburtenrate immer weiter fällt. Kein Wunder, dass sich jeder dritte Österreicher Sorge um seine Altersvorsorge macht, obwohl unsere Pensionen im internationalen Vergleich hoch sind.
Diese Trends betreffen nicht nur Österreich, sondern fast alle EU-Staaten. Die EU-Kommission hat daher einen Aktionsplan gegen Arbeitskräftemangel vorgelegt.
Hohe Kosten erzeugen auch im Gesundheitssystem Handlungsbedarf. Eine Patientensteuerung könnte helfen, ohne die Versorgung einzuschränken.
Was nicht hilft, ist eine Arbeitszeitverkürzung – EcoAustria bestätigt einmal mehr die negativen Folgen.
Schließlich die erste Printausgabe des WKO-Wirtschaftsblogs Marie. Sie enthält zwölf gute Gründe dafür, jeden Tag aufs Neue zur Arbeit zu gehen.
Alles Gute!
Rolf Gleißner
Sorge um die Pension begründet?
Fast jede dritte Person sorgt sich in Österreich um ihre Altersvorsorge. Knapp die Hälfte der Österreicher denkt, dass sie nicht mit ihren Pensionen auskommen wird, obwohl diese im internationalen Vergleich hoch sind. Was sind die Gründe?
Eine aktuelle Umfrage des ORF erhebt das Stimmungsbild der österreichischen Bevölkerung. Von rund 91.000 Befragten gaben 44 % an, dass ihnen ihre Pension Sorge bereitet. Dabei machen sich Frauen und Personen im Alter von 30-49 Jahren die meisten Sorgen. Rund 70 % der befragten 14-49-Jährigen denken, dass sie im Alter nicht mit ihrer voraussichtlichen Pension gut auskommen werden.
Die Sorgen der Bevölkerung entsprechen nicht den aktuellen Zahlen: Denn laut EU-SILC sind Pensionisten in Österreich seltener armutsgefährdet als die Gesamtbevölkerung. Hingegen fallen in den meisten OECD-Ländern relativ gesehen mehr Menschen im Alter von 66+ unter die Armutsgrenze als insgesamt. Kein Wunder, liegt auch die Pension im Schnitt bei 87,4 Prozent des Nettoerwerbseinkommens – der vierthöchste Wert in der EU, in Deutschland sind es nur 55,3 Prozent (OECD). Selbst die Ausgleichszulage, also die Mindestpension, ist hierzulande höher als die Durchschnittspension in Deutschland.
Alterung wird zum Problem
Die Sorge der Bevölkerung dürfte demnach weniger mit der Höhe des Pensionsanspruchs, sondern mit Zweifeln an der Finanzierung zusammenhängen: Denn laut Statistik Austria steigt die Zahl der Menschen im Pensionsalter (65+) bis 2040 von 1,77 auf 2,57 Mio, während die Zahl der Menschen im Erwerbsalter (20-64) von 5,54 auf 5,3 Mio zurückgeht. Der so genannte Altersquotient verschiebt sich rasant: Sind 2024 auf 10 Personen im Erwerbsalter noch 3,3 Personen im Pensionsalter gekommen, sind es 2042 bereits 5. Umgekehrt gerechnet müssen derzeit drei Menschen im Erwerbsalter einen Pensionisten „erhalten“, 2042 sind es nur mehr zwei.
Doch nicht nur der Pensionsantritt der Babyboomer erhöht die Zahl der Pensionisten. Wir gehen immer noch früher in Pension als vor 50 Jahren, während die Lebenserwartung seit damals um 11 Jahre gestiegen ist und nach einem kurzen Rückschlag während Covid weiter steigt.
Gleichzeitig schaut die Zukunft finster aus: Denn die Fertilität ist 2023 auf ein Allzeittief gefallen. Sie sank von 1,53 Kindern je Frau im Jahr 2016 auf 1,36 im Jahr 2023. Auch der „Frühindikator“ Kinderwunsch fiel laut einer Umfrage des Österreichischen Instituts für Familienforschung von 2009 bis 2023 von 2,1 Kinder auf 1,68 Kinder.
Fazit: Die Sorge um das heimische Pensionssystem ist angesichts der Demografie begründet. Dabei sind die Lösungen einfach: Da wir immer älter werden, Anreize für längeres Arbeiten bzw. Arbeiten neben der Pension schaffen und Beruf und Kinderwunsch besser vereinbaren.
Quelle: OECD, Pensions at a Glance 2023
ORF-Umfrage https://www.orffragt.at/books/pdf/umfrageergebnisse-final.pdf
von Mag. Nina Haas
Europäische Kommission legt Aktionsplan gegen Arbeitskräftemangel vor
Die meisten EU-Staaten sind von Alterung, Geburtenmangel und Stagnation bzw. Rückgang der Bevölkerung betroffen. Um Wachstum und das europäische Sozialmodell zu sichern, schlägt die Kommission eine Vielzahl an Maßnahmen vor.
In absoluten Zahlen wächst die EU-Bevölkerung seit 2010 kaum noch, sondern wird laut Eurostat-Prognose vom aktuellen Stand bis 2050 stagnieren und bis 2100 auf 419,5 Mio Einwohner schrumpfen. Auch die Erwerbsbevölkerung soll zwischen 2023 und 2050 von 263 Mio auf 236 Mio zurückgehen, wobei der Trend regional unterschiedlich ist.
EU-weit fehlen daher immer mehr Arbeitskräfte, die aktuelle Rezession entschärft das Problem nur kurzfristig. 63 % der kleinen und mittleren Unternehmen gaben in einer aktuellen Eurobarometer-Umfrage an, dass sie nicht die Arbeitskräfte finden können, die sie brauchen. Der Kommission zufolge gefährdet der Arbeitskräftemangel Wirtschaftswachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und die Finanzierung des europäischen Sozialmodells.
EU, Mitgliedstaaten und Sozialpartner sollen aktiv werden
Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern einen Aktionsplan gegen Arbeitskräftemangel vorgelegt. Der Plan enthält Maßnahmen in fünf Bereichen, die von EU, Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern zügig umgesetzt werden sollen:
- Aktivierung von unterrepräsentierten Personen auf dem Arbeitsmarkt
- Unterstützung von Qualifikation und (Aus)Bildung
- Verbesserung der Arbeitsbedingungen in bestimmten Sektoren
- Verbesserung der EU-internen Mobilität
- Anwerbung von Talenten von außerhalb der EU
Die EU soll u.a. neue Projekte gegen Langzeitarbeitslosigkeit, Projekte zur Aktivierung junger Menschen und Zentren für berufliche Spitzenleistungen finanzieren. Sie soll die Auswirkungen der Pensionsreformen bewerten, die einen flexiblen Ruhestand und eine Kombination von Pension und Erwerbstätigkeit bieten. Die Mitgliedstaaten werden u.a. dazu aufgefordert, Sozialleistungen so zu gestalten, dass sie Erwerbstätigkeit fördern, die Steuerbelastung für Zweitverdiener und Geringverdienern zu verringern und legale Arbeitsmigration zuzulassen. Die Sozialpartner sollen u.a. Arbeitsbedingungen durch Kollektivvertragsverhandlungen in bestimmten Sektoren (z.B. Berufskraftfahrer) verbessern, unterrepräsentierte Gruppen aktivieren und die Beschäftigung Älterer fördern.
Fazit: Alterung, Geburtenmangel und Stagnation bzw. Rückgang der Bevölkerung sind nicht auf Österreich beschränkt, sondern betreffen alle EU-Staaten. Will Europa sein Sozialmodell und sein Gewicht in der Welt behalten, muss es umfassend aktiv werden.
Aktionsplan
https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-8153-2024-INIT/en/pdf
von Claudia Golser-Roet, M.A.I.S., LL.M., Bakk., BA
Kostensenkung durch Patientensteuerung?
Aufgrund der freien Arztwahl sucht der Patient oft den teuersten Leistungserbringer auf, nämlich Spital oder Facharzt. Eine intelligente Patientensteuerung könnte Kosten sparen, ohne die Versorgung einzuschränken.
Die OECD bescheinigt dem heimischen Gesundheitssystem in den Bereichen „Quality of care“ und „Access to care“ eine gute Performance. Das liegt auch am Prinzip der freien Arztwahl, das in anderen Ländern nicht üblich ist. Das Prinzip trägt allerdings auch dazu bei, dass die Gesundheitsausgaben in Österreich mit 6.685 Euro pro Kopf bzw. 11,4% des BIP deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 4.581 Euro pro Kopf bzw. 9,2% des BIP liegen.
Vor diesem Hintergrund haben zwei wichtige Vertreter der Selbstverwaltung das Prinzip zuletzt in Frage gestellt. Peter Lehner, Vorsitzender der Konferenz der Sozialversicherungsträger, ortete eine „Alles-gratis-und-jederzeit“ – bzw. eine „Vollkasko-Mentalität“ der Versicherten. ÖGK-Obmann Andreas Huss schlug vor, den Zugang zum Facharzt einzuschränken, die Hausärzte sollten wieder für die Zuweisung zu Fachärzten zuständig sein.
Patientensteuerung dämpft Kosten, aber nicht unbedingt Zufriedenheit und Qualität
In vielen Ländern ist der Allgemeinmediziner der Gatekeeper für Patienten ins Gesundheitssystem. Das muss sich keineswegs negativ auf Zufriedenheit der Versicherten mit den Leistungen oder die Qualität der Behandlungen auswirken, erhöht aber die Effizienz und dämpft die Kosten.
Damit aber aus einem persönlichen Termin beim Facharzt nicht grundsätzlich zwei Termine bei Haus- und Facharzt werden, braucht es auch eine gute digitale Gesundheitsinfrastruktur: Konsultationen via Telefon oder Video sind etwa in Dänemark bereits gang und gäbe und auch wesentlich, um ländliche Gebiete medizinisch zu versorgen. Dort müssen sich Versicherte bei einem Allgemeinmediziner registrieren, der alle Erstbehandlungen durchführt und wenn nötig in ein Spital oder zu einem Facharzt überweist. Nicht registrierte Versicherte zahlen einen Selbstbehalt (European Observatory in Health Systems and Policies).
Erstkonsultation per Telefon oder Videokonferenz
Ein Grundsatz für den Finanzausgleich 2023 ist „digital vor ambulant vor stationär“. Daher werden 50 Mio Euro jährlich in Digitalisierung investiert: Damit soll die Gesundheitshotline 1450 ausgebaut werden, Erstabklärungen übernehmen sowie Video-Beratungen von Ärzten anbieten. Es bleibt abzuwarten, ob die Versicherten diese Angebote annehmen oder ob dazu Prämien/Selbstbehalte und andere Anreize nötig sind.
Fazit: Die freie Arztwahl war bisher ein Tabuthema. Andere Länder zeigen allerdings, dass eine bessere Patientensteuerung eine win-win-Situation für Patienten und Gesundheitssystem sein kann.
Denmark Health system information (who.int)
Digitalisierung in der Neuordnung des dänischen Krankenhausmarktes | SpringerLink
Gute Arbeit – das Magazin für alle, die anpacken
Wer arbeitet, ist glücklicher. Denn der Mensch ist ein soziales Wesen und will gebraucht werden. Zu diesem Schluss kamen Paul Lazarsfeld und Marie Jahoda in den 1930er-Jahren in ihrer Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“. Die einzige Fabrik in einem Dorf südlich von Wien hatte zugesperrt; die Arbeiter wurden erst aggressiv, dann depressiv. Heute spielt diese Erkenntnis in der öffentlichen Debatte eine untergeordnete Rolle: Alle, so scheint es, wollen nur noch Teilzeit arbeiten, selbst wenn sie keine Kinder haben. Der jüngste Trend heißt „Bare Minimum Monday“: Montags geht man es erst einmal langsam an. Aus diesem Grund bringen die Wirtschaftskammer dieses Magazin heraus, als ersten Printableger des Wirtschaftsblogs MARI€. Allen, die anpacken, werden (mindestens) zwölf gute Gründe geliefert, warum es sich lohnt, jeden Tag aufs Neue zur Arbeit zu gehen.
https://marie.wko.at/unternehmertum/marie-magazin-gute-arbeit.pdf
Volkswirtschaftliche Wirkung einer Arbeitszeitverkürzung
Wie die aktuellen Zahlen von Statistik Austria zeigen, arbeiteten die Österreicher 2023 29,2 Stunden pro Woche, im Jahr 2019 waren es noch 30,6 Stunden. Die Gründe sind bekannt – mehr Teilzeit, weniger Überstunden. Gleichzeitig sind trotz Rezession, die vorübergeht, mehr Stellen offen als vor Covid. Dennoch fordert der SPÖ-Vorsitzende weiterhin eine gesetzliche Verkürzung der Arbeitszeit. EcoAustria hat die Auswirkungen einer Verkürzung auf 32 Stunden berechnet. In allen Szenarien sinken die Einkommen der Beschäftigten und die Wirtschaftsleistung, während die Arbeitskosten und Preise steigen.
https://ecoaustria.ac.at/wirkung-arbeitszeitverkuerzung-oesterreich/
Terminaviso ZAS-Tag am 3.Oktober 2024
Der heurige ZAS-Tag ist dem Schwerpunkt „Personalmaßnahmen in schwierigen Zeiten“ gewidmet und findet wie üblich in der WKO, Wiedner Hauptstraße 63 in Wien von 9 bis 16 Uhr statt.
Impressum
Wirtschaftskammer Österreich
Wiedner Hauptstraße 63, 1045 Wien
Abteilung für Sozial- und Gesundheitspolitik
Leiter: Mag. Dr. Rolf Gleißner
Telefon: +43 (0)5 90 900 4286
sp@wko.at
https://wko.info/sp