SPIK - Sozialpolitik informativ & kurz

Newsletter Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit 31.3.2023

Lesedauer: 7 Minuten

Aktualisiert am 05.08.2023

Inhaltsübersicht

  • Pensionsreform à la française
  • Die Pandemie beschleunigte die Nachfrage nach „Green Jobs“
  • Grafik des Monats: Zusätzliche Lücke von 363.000 Arbeitskräften bis 2040
  • Fachkräftemangel – keine einfache Lösung durch höhere Löhne
  • Wie Muskel-Skelett-Erkrankungen verhindern?
  • Personalsuche barrierefrei


Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Nachhaltigkeit in jeder Hinsicht ist Thema Nr 1 – in Österreich wie international. Nachhaltigkeit heißt so wirtschaften, dass die Möglichkeiten junger und künftiger Generationen nicht eingeschränkt werden. Das betrifft Umwelt, Klima, aber auch Demografie, Wirtschaft und Finanzen.

Nachhaltigkeit ist der Grund, warum Präsident Macron die Pensionsreform gegen Widerstände durchsetzt.

Um Nachhaltigkeit sorgt sich die OECD, wenn sie zwar eine Zunahme an Green Jobs feststellt, aber auch, dass OECD-weit Arbeitskräfte für die Klimawende fehlen.

Dass in Österreich die Nachhaltigkeit fehlt, zeigt die Grafik des Monats: Bis 2040 entsteht eine zusätzliche Lücke von 363.000 Arbeitskräften.

Höhere Löhne sind dabei kein Patentrezept, im Gegenteil. 

Nachhaltig sind hingegen Investitionen in die Prävention, insbesondere von Muskel- und Skeletterkrankungen, sowie Investitionen in Barrierefreiheit, um Mitarbeiter mit Behinderung zu gewinnen. 

Alles Gute!

Rolf Gleißner


Pensionsreform à la française

Der französische Präsident Macron zieht die Pensionsreform offenbar gegen alle Widerstände durch. Dabei ist das französische Pensionssystem mit dem österreichischen vergleichbar. 

Nach wochenlangen Streiks und zwei erfolglosen Misstrauensanträgen gegen die französische Regierung scheint die Pensionsreform des französischen Präsidenten Emmanuel Macron beschlossene Sache – obwohl darüber nicht einmal in der Nationalversammlung abgestimmt wurde.

Die Reform sieht unter anderem eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters von 62 auf 64 Jahre vor. Zudem soll die Anzahl der erforderlichen Versicherungsjahre von 42 auf 43 ansteigen.

Für viele Franzosen zahlt sich ein Pensionsantritt mit 62 Jahren allerdings nicht aus, weil faktisch ein Pensionsantritt in voller Höhe, also ohne Abschläge, erst mit ca. 67 Jahren möglich ist - abhängig davon, wie viel in die Pensionskasse eingezahlt wurde. Zwar gibt es wie in Österreich Ausnahmen bei Invalidität und langer Versicherungsdauer. Ein Kritikpunkt ist aber, dass bestimmte Gruppen mit erschwerten Arbeitsbedingungen, vor allem Arbeiter, Mindestzeiten und -alter schwerer erreichen.

Der Hintergrund zur Reform 

Zum Vergleich: Das gesetzliche Pensionsantrittsalter für Männer liegt in Österreich drei Jahre über, das Pensionsalter für Frauen zwei Jahre unter dem französischen Niveau. Faktisch gehen Österreicher bereits mit 60,9 Jahren in Pension, Franzosen mit 60,7 Jahren.

In Frankreich kommen heute 1,7 Erwerbstätige auf einen Pensionisten, früher waren es noch vier Erwerbstätige. Das Einkommen der Über-65-Jährigen ist in Frankreich höher als das Durchschnittseinkommen. Frankreich gehört daher wie Österreich zu den Ländern mit hohen staatliche Pensionsausgaben, nämlich ca. 14% des BIP. Verstärkt durch die demografische Entwicklung werden diese Kosten In den nächsten Jahren weiter steigen. Daher ist Präsident Macron entschlossen zu Reformen, die das Erwerbsleben der Franzosen verlängern. Nach dem französischen Finanzminister gehe es jetzt um eine „Pensionsreform oder Staatspleite“.

Mit der Anhebung des Pensionsantrittsalters in Frankreich sollen die Aufwendungen des Pensionssystems bis 2030 finanziell ausgeglichen sein, dafür benötige man etwa 20 Milliarden Euro pro Jahr.

Fazit: Bereits zahlreiche europäische Länder haben Maßnahmen zur Erhöhung des Pensionsantrittsalters gesetzt. Frankreich gilt wie Österreich als Nachzügler bei Pensionen.

Quelle:

Pensions at a Glance 2021: OECD and G20 Indicators | READ online (oecd-ilibrary.org)


von Mag. Nina Haas



Die Pandemie beschleunigte die Nachfrage nach „Green Jobs“ 

Die Klimawende gelingt nur mit Hilfe von „Green Jobs“: Die OECD hat in der Studie „Bridging the Great Green Divide“ Arbeitsmarktlage und Trends analysiert. Klar ist: In Österreich und im Rest der EU fehlt es an Fachkräften für Green Jobs. 

„Green Jobs“ sind Berufe, bei denen mindestens 10% der Aufgaben direkt zu einer nachhaltigen Entwicklung der konkret zur Treibhausgasreduktion beitragen. Laut OECD ist der Anteil „grüner Arbeitsplätze“ am Arbeitsmarkt von 2011 bis 2021 nur langsam gestiegen. Doch seit der Pandemie übertrifft die Nachfrage nach Green Jobs die allgemeine Jobnachfrage um 20%. Derzeit sind 18% aller Arbeitsplätze in den OECD-Ländern „grün“, 2011 waren es 16%. Das liegt auch an Konjunkturpaketen der Länder mit massiven Investitionen in den Klimaschutz. 

Österreich bei grünen und emissionsintensiven Berufen über OECD-Schnitt 

Österreich liegt mit 20,8% Anteil über dem Durchschnitt, auch der Zuwachs an Green Jobs war überdurchschnittlich. In der EU zeigen sich große Unterschiede: In den Städten ist der Anteil hochqualifizierter Jobs, darunter auch green Jobs höher, so etwa auch in Wien. 

Green Jobs (2011 - 2021)

Green Jobs (2011 - 2021)
© OECD Quelle: OECD calculations based on EU LFS

Auch der Anteil an emissionsintensiven Jobs ist in Österreich mit 15,1% höher als im OECD-Schnitt (11,7%). Dabei liegt es in der Natur von Industrie und Transportwesen, dass sie energieintensiver sind als etwa Verwaltung und Dienstleistungen. Dabei nutzt es dem Weltklima nichts, wenn energieintensive Branchen und ihre Jobs abwandern - womöglich in Länder mit niedrigeren Umweltstandards. Es geht darum, diese Branchen bei der Dekarbonisierung zu unterstützen.

Der Frauenanteil ist sowohl in grünen als auch in emissionsintensiven Berufen gering, auch weil Technik immer noch Männerdomäne ist. Im OECD-Schnitt beträgt der Anteil von Frauen in grünen Berufen knapp ein Drittel, in Österreich liegt er bei nur 23,5%. Dabei sind Umweltberufe nachgefragt, gut bezahlt und zukunftssicher, Jugendliche und Frauen sollten gezielt darauf angesprochen werden.

Problem Arbeitskräftemangel 

Nach der OECD kann der Arbeitskräftemangel die Klimawende zumindest verzögern. Tatsächlich fehlen nicht nur in Österreich, sondern in der ganzen EU die nötigen Arbeitskräfte etwa zur Montage von Solarpanelen, zum Anbringen von Wärmedämmungen und Austausch von Heizsystemen. Die WKÖ ist hier aktiv: Wir unterstützen die Ausbildungen für grüne Berufe durch Anpassung der Lehrinhalte an die grüne Transformation, durch die geförderte arbeitsplatznahe Ausbildung arbeitsloser Männer und Frauen in der Umweltstiftung und durch die Schaffung von nachgefragten Aus- und Fortbildungen wie etwa den Elektropraktiker.

 

Umweltstiftung: https://www.aufleb.at/umweltstiftung/

OECD-Bericht: Bridging the Great Green Divide https://www.oecd.org/employment/job-creation-and-local-economic-development-26174979.htm


von Mag. Maria Kaun, Mag. Katja Heine



Grafik des Monats: Zusätzliche Lücke von 363.000 Arbeitskräften bis 2040

Zusätzliche Lücke von 363.000 Arbeitskräften bis 2040
© WKÖ

Die Grafik zeigt die Entwicklung von Arbeitskräfteangebot laut WIFO-Prognose und der Arbeitskräftenachfrage laut Prognose von Synthesis. Während sich aktuell Arbeitskräfteangebot und -nachfrage noch in etwa im Gleichgewicht befinden – die Anzahl der offenen Stellen entspricht fast der Zahl der Arbeitslosen und Schulungsteilnehmer – kippt diese Balance in den nächsten Jahren: Die Zahl der Erwerbspersonen steigt noch leicht bis 2027 und sinkt dann: Einerseits sinkt die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter, weil die Babyboomer in Pension gehen. Andererseits steigt die Erwerbsquote durch ein steigendes Bildungsniveau und die Erhöhung des Frauenpensionsalters.

Die Arbeitskräftenachfrage hängt vom BIP-Wachstum, der durchschnittlichen Arbeitszeit und der Produktivität ab. Schreibt man die Entwicklung der letzten Jahre fort, steigt die Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften stetig und wesentlich schneller als das Angebot. Im Jahr 2028 fehlen zusätzlich 107.000 Arbeitskräfte, bis 2040 steigt der Mangel – im Vergleich zu 2023 – auf 363.000.  



Fachkräftemangel – keine einfache Lösung durch höhere Löhne

Nicht nur Gewerkschaften behaupten, höhere Löhne würden den Fachkräftemangel beheben. Das IW Köln hält dem in einer Analyse entgegen,

  • dass fehlende Qualifikationen nicht durch Löhne entstehen,
  • dass ein Lohndruck nach oben voraussetzt, dass Arbeitskräfte mobil in jene Branchen/Regionen mit besseren Angeboten wechseln – was oft nicht geschieht,
  • dass Lohnerhöhungen zT das Arbeitsangebot reduzieren, weil man so dasselbe mit weniger Arbeitszeit verdienen kann.

https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Kurzberichte/PDF/2023/IW-Kurzbericht_2023-Fachkr%C3%A4ftemangel-h%C3%B6here-L%C3%B6hne.pdf 



Wie Muskel-Skelett-Erkrankungen verhindern?

Etwa 20% aller Krankenstandstage sind auf Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems zurückzuführen – das belastet Menschen, Unternehmen und Volkswirtschaft. Dabei wirken präventive Maßnahmen hier besonders gut.

Von arbeitsbedingten Muskel- und Skeletterkrankungen (MSE) spricht man, wenn gesundheitliche Probleme der Muskeln, Gefäße, Nerven bzw. anderer Weichteile oder Gelenke des Bewegungsapparates hauptsächlich durch die Arbeit selbst verursacht oder verschlimmert werden.

Schwerpunktaktion der Arbeitsinspektion in vier Branchen 

Etwa 20% aller Krankenstandstage sind in Österreich auf solche Erkrankungen zurückzuführen, weswegen die Arbeitsinspektion Schwerpunktaktionen zur Prävention von arbeitsbedingten Muskel- und Skeletterkrankungen durchführt. Am 16.5., 20.9. und 30.11. werden Arbeitsinspektoren in ganz Österreich gezielt Kontrollen und Beratungen zu den spezifischen Belastungsfaktoren, wie z.B. ziehen, heben oder schieben durchführen und zwar in den Branchen Groß- und Einzelhandel, Bau- und Baunebengewerbe, Gesundheits- und Sozialwesen sowie Verkehr und Lagerei.

Muskel- und Skelett-Erkrankungen schränken nicht nur die Lebensqualität von Betroffenen massiv ein, sie verursachen auch Kosten in Millionenhöhe für Betriebe und Volkswirtschaft. Sie sind häufig auf Fehl- oder Überbelastungen, z.B. langes Sitzen, schweres Heben und Tragen und repetitive Tätigkeiten zurückzuführen. Das Risiko lässt sich durch präventive Maßnahmen gezielt reduzieren: Am wirksamsten ist dabei – je nach Tätigkeit und Branche - eine Kombination von technischen, organisatorischen und personenbezogenen Maßnahmen, z.B. Angebot ergonomischer Handwerkzeuge, um den nötigen Kraftaufwand zu verringern, Hilfsmittel zum Ergreifen, Heben und Bewegen von Lasten, Re-Design von Arbeitsplätzen, um Zwangshaltungen zu vermeiden, konkret etwa das Anheben von Werkstück, um nicht knieend oder hockend arbeiten zu müssen, und zusätzliche Pausen bei belastenden Arbeitshaltungen, wie knieenden Tätigkeiten, Arbeiten über Kopf oder Haltearbeiten. 


von Mag. Pia-Maria Rosner-Scheibengraf



Personalsuche barrierefrei

Beim Einstellen von Mitarbeitern mit Behinderungen gibt es immer noch Vorbehalte. Daher haben wir auf der Website Barrierecheck www.barriere-check.at die wichtigsten Punkte und Tipps zu Personalsuche und Rekrutierung zusammengefasst. Alles mit Augenmerk auf Barrierefreiheit und einen Umgang auf Augenhöhe mit Menschen mit Behinderungen. Mit dem Barrierecheck können Unternehmen ihren Status der Barrierefreiheit online überprüfen.

Barrierecheck - Personalsuche barrierefrei (barriere-check.at)





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