SPIK - Sozialpolitik informativ & kurz

Newsletter Abteilung Sozialpolitik und Gesundheit 3.3.2023

Lesedauer: 6 Minuten

Aktualisiert am 13.03.2023

Inhaltsübersicht

  • WIFO prognostiziert Arbeitskräfteangebot bis 2040
  • Teilzeitbeschäftigung zu 90% freiwillig
  • Demografie belastet Budget langfristig
  • Wie realistisch ist eine Viertagewoche?
  • Webinar & Informationsvideo: Wichtigste Informationen zur Rot-Weiß-Rot – Karte für Betriebe
  • MIT Conference 29.-30.3 in der WKÖ


Liebe Leserinnen, liebe Leser,

der Arbeitsminister hat eine längst fällige Diskussion initiiert: Wie können wir angesichts einer bröckelnden Basis – Rückgang der Bevölkerung im Erwerbsalter, Rückgang der Arbeitszeit – Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand halten und den Sozialstaat nachhaltig finanzieren? Das WIFO hat im Auftrag der Sozialpartner die Entwicklung des Arbeitskräfteangebots bis 2040 analysiert. Die Erwerbsquote bei Frauen soll steigen, aber das wird den Bedarf des Arbeitsmarkts bei weitem nicht decken.

Österreich ist Vizeeuropameister bei Teilzeit hinter Holland. Die Gründe sind vielfältig. An der Wirtschaft, die eine Rekordzahl offener Vollzeitstellen bietet, liegt es nicht.

Dazu kommt die Diskussion um die Viertagewoche – gut, wenn vereinbart, schlecht, wenn aufgezwungen.

Die Demografie betrifft auch die Finanzen – sie wird die Ausgaben für Pensionen, Gesundheit und Pflege langfristig massiv erhöhen.

Zu den vielen Neuerungen zur Rot-Weiß-Rot-Karte fand ein Webinar statt. Unten der Link.

Abschließend das Programm der MIT Europe Conference 2023, auf der Zukunftstrends diskutiert werden.

Alles Gute!

Rolf Gleißner


WIFO prognostiziert Arbeitskräfteangebot bis 2040

Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter nimmt ab, die Zahl Erwerbspersonen steigt leicht bis 2027 und sinkt dann. Zu dem Schluss kommt eine aktuelle WIFO-Studie. Jedenfalls besteht Handlungsbedarf.

Die im Auftrag der Sozialpartner erstellte WIFO-Studie soll Größe und Struktur der österreichischen Erwerbsbevölkerung bis zum Jahr 2040 abschätzen. Demnach soll die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (16 bis 64 Jahre) zwischen 2018 und 2040 um 245.000 oder 4 % rückläufig sein - trotz angenommener Nettozuwanderung von 30.000 Personen pro Jahr.

Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen 2018-2040
© WIFO

Dieses demografische Minus kann nach Abschätzung des WIFO durch eine steigende Erwerbsbeteiligung mehr als kompensiert werden:

  • Die Zahl der Erwerbspersonen soll von 2018 bis 2040 um 170.000 steigen. ABER: Die Hälfte dieses Zuwachses ist bis 2022 bereits realisiert und vom Arbeitsmarkt aufgenommen, d.h. große Zuwächse sind nicht mehr in Sicht.
  • Bis 2027 steigt die Zahl der Erwerbspersonen aufgrund der erhöhten Erwerbsbeteiligung, ab 2028 bis 2040 sinkt sie aufgrund des Pensionsantritts der Babyboomer.

Die Arbeitslosigkeit geht weiter zurück und es kommt zu einer weiteren Verknappung an Arbeitskräften, vor allem im technisch gewerblichen Bereich (Lehre), in gehobenen Gesundheits- und Pflegeberufen und in gehobenen technischen Berufen.

Zahl an Erwerbspersonen, Basisszenario und Migrationsszenarien
© WIFO

Veränderung der Zusammensetzung der Erwerbspersonen bis 2040: 

  • Die Zahl der Personen mit Lehrabschluss soll um 250.000, der Personen mit abgeschlossener berufsbildender Schule um 130.000 sinken, ihr Anteil an der Bevölkerung im Erwerbsalter sinkt von 37 auf 31%.
  • Die Zahl der Akademiker steigt um 375.000, der Personen mit Matura um 220.000 Personen. Der Akademikeranteil steigt von 20 auf 28%.
  • Die Erwerbspersonen über 55-Jahre nehmen um 221.000 Personen zu (davon 177.000 Frauen wegen des steigenden gesetzlichen Pensionsalters)
  • Die Zahl der Personen im Haupterwerbsalter (25 – 54) sinkt um –33.000, jene der Jungen um 12.000. 

FAZIT: Die WIFO-Studie nimmt eine Zunahme der Erwerbspersonen nur bei den Über-55-Jährigen sowie bei den gesundheitlich Beeinträchtigten an. Sie erwähnt dabei ausdrücklich, dass „der Erschließung von nicht (voll) genutzten Erwerbspotentialen am Arbeitsmarkt zunehmende Bedeutung zukommt“. Daraus folgt Handlungsbedarf – etwa im Hinblick auf das faktische Pensionsantrittsalter, Frauen, Teilzeitbeschäftigte, Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen, aber auch Personen aus bestimmten Herkunftsländern.

https://orf.at/stories/3307390/


von Mag. Dr. Rolf Gleißner



Teilzeitbeschäftigung zu 90% freiwillig

Wirtschaft bietet genug Vollzeitstellen 

Die Gründe für den hohen Teilzeitanteil in Österreich sind vielfältig. Die AK warf der Wirtschaft zuletzt vor, zu wenige Vollzeitstellen zu bieten. Dabei belegen Umfragen: Die Menschen wollen Teilzeit, es liegt nicht an den Unternehmen.

Österreich hat mit 30% den zweithöchsten Teilzeitanteil in der EU nach Holland. Jede zweite berufstätige Frau arbeitet Teilzeit. Über 80% der berufstätigen Frauen mit Kindern unter sechs Jahren arbeiten in Teilzeit (unter 36 Wochenstunden). Was sind aber die häufigsten Gründe für Teilzeit? Das wurde in der Studie „Familien in Zahlen 2022“ vom Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF) sowie im „StepStone – Jobreport 2023“ erhoben.

Vorweg: Laut Eurostat sind nur 9,2% der Teilzeitarbeitnehmer unfreiwillig in Teilzeit, bei Frauen sogar nur 8,1%. 90% der Frauen, deren Kinder unter 15 Jahre alt sind und die aufgrund der Betreuungspflichten eine Teilzeitbeschäftigung gewählt haben, würden diese auch bei einem passenden Betreuungsangebot beibehalten und keine Vollzeitstelle annehmen. Überhaupt ist nur jede dritte Mutter von Kindern unter drei Jahren berufstätig. 79% der Frauen mit Kindern unter einem Jahr nennen als Grund für ihre Nicht-Erwerbstätigkeit das Bedürfnis, die Kinder selbst betreuen zu wollen.

Freizeit oft wichtiger als Gehalt und Karriere 

Für die Mehrheit (55%) der Beschäftigten in Teilzeit ist laut StepStone-Studie Freizeit wichtiger als ein hohes Gehalt oder Karrierechancen. Außerdem werden gesundheitliche Gründe für die Entscheidung zur Teilzeitbeschäftigung genannt (38% der Beschäftigten geben an, aufgrund mentaler Anstrengung in Teilzeit zu arbeiten, 37% nennen körperliche Anstrengung). Mehr als ein Drittel arbeitet nicht in Vollzeit, da es sich für sie steuerlich bzw. finanziell nicht rentieren würde. 31% geben an, aufgrund fehlender Betreuungsmöglichkeiten für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige weniger zu arbeiten, 26% meinen, ihr Arbeitgeber hätte keinen Bedarf.

Dass Betriebe keine Vollzeitstellen anbieten, ist hingegen selten ein Grund für Teilzeitarbeit. Das untermauern auch die Zahlen des AMS: Auf eine offene Teilzeitstelle kommen 3,5 Arbeitslose mit Teilzeitwunsch, bei Vollzeit ist das Verhältnis 2,5 : 1. Außerdem ist der Anteil an Stellen, die zusätzlich zur Vollzeit auch als Teilzeit ausgeschrieben sind, massiv gestiegen. 

Fazit: Teilzeitarbeit geschieht meist freiwillig und auf Wunsch der Arbeitnehmer. Letztlich sollen alle Menschen die Arbeitszeit vereinbaren, die sie wollen. Eine echte Wahlfreiheit erfordert aber ein flächendeckendes Angebot für Kinderbetreuung. Klar ist auch: Wenn die Zahl der Erwerbspersonen UND die Arbeitszeit sinken, erodiert die Basis für den Sozialstaat. Wir brauchen daher Maßnahmen, um Beschäftigung und Arbeitszeit zu heben. 

Genannte Gründe für Teilzeiterwerbstätigkeit 2021
© ÖIF ÖIF Familie in Zahlen, Tabelle: 51, S. 69


Quellen: 


von Mag. Katja Heine


Demografie belastet Budget langfristig

Demografiebedingte Budgetausgaben in Prozent des BIP
© WKÖ

An der langfristigen Budgetprognose des Finanzministeriums wird die Demografie sichtbar: Die Budgetausgaben für Pensionen, Gesundheit und Pflege steigen bis 2040 rasant, weil immer mehr Menschen in Pension gehen bzw. pflegebedürftig werden. Der Anstieg übersteigt das zulässige Maastricht-Defizit von 3% und führt zu einer steigenden Staatsverschuldung. Kein Trost sind die rückläufigen Ausgaben für Familien (von 1,8 auf 1,5% des BIP). 2040 werden wir zehnmal so viel für Pensionen ausgeben wie für Familien. Zukunft ist anders. 



Wie realistisch ist eine Viertagewoche?

Das fragt die Frankfurter Allgemeine Zeitung angesichts des vielbeworbenen Projekts in Großbritannien. Vom Projekt wurden ja zuletzt positive Ergebnisse in punkto Zufriedenheit und Produktivität gemeldet. In der FAZ wird bezweifelt, ob eine Studie für 61 Unternehmen, die sich freiwillig gemeldet haben, positiv zur Viertagewoche stehen und unterstützt werden, aussagekräftig für die 5 Mio Unternehmen im UK ist. Zudem können Unternehmen, die im Wettbewerb stehen, die Produktivität nicht einfach um 25% steigern, umso weniger gilt das für die Gesamtwirtschaft.

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/vier-tage-woche-kampagne-zufrieden-mit-experiment-in-grossbritannien-18695069.html 

https://marie.wko.at/unternehmertum/rolf-gleissner-4-tage-woche.html




Webinar & Informationsvideo: Wichtigste Informationen zur Rot-Weiß-Rot – Karte für Betriebe

Am 18.1.2023 veranstalteten die WKÖ & Austrian Business Agency („ABA“) ein Webinar zur Rot-Weiß-Rot – Karte. In diesem Webinar wurden zum einen die verschiedenen Varianten der Rot-Weiß-Rot – Karte und zum anderen das umfangreiche Serviceangebot der ABA für Unternehmen, wie vor allem der Immigration Guide, vorgestellt. Sowohl die Aufzeichnung des Webinars, wie auch die Präsentationsunterlagen finden Sie hier

Weiters wird auf das Informationsvideo „Beschäftigungsmöglichkeiten für Mitarbeiter aus dem Ausland“ speziell für den Bereich Tourismus hingewiesen. Dieses Informationsvideo wurde von der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in Zusammenarbeit mit der WKÖ, Abteilung für Sozial- und Gesundheitspolitik, erstellt und kann hier abgerufen werden.“




MIT Conference 29.-30.3 in der WKÖ

Connect with Innovative Minds from the Massachusetts Institute of Technology 

Die WKÖ lädt am 29.-30.3. zur MIT Europe Conference 2023 ein, um Zukunftstrends und Fortschritte in Schlüsselbereichen wie Energie, Materialwissenschaften, Gesundheitstechnologien und Nachhaltigkeit zu diskutieren. Der erste Tag bietet Vorträge von führenden MIT-Wissenschaftlern und österreichischen Top-Rednern, am zweiten Tag können an 2 Deep-Dive-Workshops wichtige Themen aus den Bereichen Management, Design & Fertigung, neue Technologien bzw. Energie & Klima mit MIT-Wissenschaftlern analysiert werden. Details und Anmeldung: www.MITeurope.at




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