Funktionierendes Kurzarbeitsmodell dringend notwendig
Die wirtschaftliche Lage in der Industrie verschärft sich, die Arbeitslosigkeit steigt. Die BSI fordert daher einen liberalen Zugang zur Kurzarbeit.
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Die europäische Industrie befindet sich nach wie vor in der Rezession. Die Konjunkturumfragen des WIFO deuten bislang noch auf keine Besserung. Die wirtschaftliche Krise wird daher noch einige Zeit andauern. Ein in der Corona-Pandemie und bei Ausbruch des Ukrainekrieges bewährtes Kriseninstrument stellt die Kurzarbeit dar, die in Österreich derzeit aber de facto nicht existent ist. Gegenwärtig ist der Zugang zur Kurzarbeit den Unternehmen praktisch komplett versperrt. Zuletzt wurde auch der Kurzarbeitsantrag vom Haushaltsgerätehersteller Liebherr in Lienz, mit dem 960 Mitarbeiter in Kurzarbeit beschäftigt werden sollten, pauschal abgelehnt. Das Lienzer Traditionsunternehmen „konnte nicht ausreichend nachweisen, dass die wirtschaftlichen Probleme nur vorübergehend sind“, hieß es auf ORF-Nachfrage beim AMS.
Der „Fall Liebherr“ ist leider kein Einzelfall. An die erforderliche wirtschaftliche Begründung wird vom AMS ein derart hoher Maßstab angelegt, dass dieser von den Unternehmen praktisch nicht erfüllt werden kann. Bei den betroffenen Firmen herrscht Unmut und Unverständnis. Mittlerweile werden von den Unternehmen Frühwarnmeldungen an das AMS übermittelt und (auch langjähriges) Stammpersonal abgebaut, das jedoch später beim Aufschwung schmerzlich fehlen und damit wiederum den Aufschwung bremsen wird. Das AMS verzeichnet in der Zwischenzeit auch einen überproportional hohen Anstieg an Arbeitslosigkeit in der Sachgütererzeugung: Zum Stichtag Ende Juni 2024 waren aus dem Bereich der Herstellung von Waren 23.048 Personen beim AMS arbeitslos vorgemerkt. Dies entspricht einem Anstieg von 17,7 % verglichen mit dem Juni des Vorjahres. Insgesamt stieg der Bestand arbeitslos Vorgemerkter in diesem Zeitraum um 10,3 %. In der Sachgütererzeugung war der relative Anstieg demnach deutlich höher. Dem AMS hat dies mittlerweile auch erkannt und die Arbeitslosigkeit in der Industrie genauer analysiert. Im Juli hat der Anstieg der Arbeitslosen in der Sachgütererzeugung auf 18,5 %, wiederum verglichen zum Vorjahresmonat, noch einmal deutlich zugenommen.
Das AMS verlangt bei Kurzarbeits-Begehren mit einer Laufzeit von maximal drei Monaten Belege und Nachweise, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten „erwiesenermaßen“ nach drei Monaten vorbei sind, weil es sich ja nur um „vorübergehende“ wirtschaftliche Schwierigkeiten handeln darf. Diese Nachweise können aber in der Praxis nicht erbracht werden, so auch nicht von Liebherr in Lienz. Die Unternehmen können nur hoffen, dass die Probleme überwunden werden können, garantieren kann das niemand. Kurzarbeit muss dort, wo sie volkswirtschaftlich sinnvoll und notwendig ist und die Voraussetzungen vorliegen (vorübergehende, nicht saisonbedingte wirtschaftlichen Schwierigkeiten) wieder ermöglicht werden. Die nötige Abwägung zwischen jenen Betrieben, die ihre Beschäftigten die Krise hindurch halten möchten und daher Kurzarbeit dringend benötigen, und jenen Unternehmen mit Arbeitskräftemangel, die die freigesetzten Mitarbeiter sofort aufnehmen würden, sollte regional unter Beiziehung der Sozialpartner näher beleuchtet und gemeinsam entschieden werden.
Die derzeit praktisch nicht existente Kurzarbeit wird auch mehr und mehr zu einem echten Standortnachteil für die österreichische Industrie. In der deutschen Metall- und Elektronindustrie nimmt die Kurzarbeit sprunghaft zu. Innerhalb von Konzernen finden mittlerweile erste Verlagerungen in das Ausland statt.
Erfreulich sind hingegen die Erleichterungen beim Zugang zu Kurzarbeit in Zusammenhang mit dem Hochwasser im Osten Österreichs (bzw. generell bei Naturkatastrophen), wenn in betroffenen Unternehmen die Beschäftigung entfällt. Es gilt ein vereinfachtes Verfahren: Der Antrag kann rückwirkend gestellt werden, das Beratungsverfahren vor Kurzarbeit entfällt. Die Sozialpartnervereinbarung auf betrieblicher Ebene (Betriebsvereinbarung, Vereinbarung mit den betroffenen Arbeitnehmer:innen) schließt der Betrieb vor der Begehrensstellung beim AMS ab (Mustersozialpartnervereinbarung). Die Zustimmung der überbetrieblichen Sozialpartner holt das AMS im Zuge des Bewilligungsverfahrens ein.
Forderungen der Bundessparte Industrie in Zusammenhang mit Kurzarbeit:
- Die österreichische Industrie braucht, um international wettbewerbsfähig zu bleiben, auch abseits von Naturkatastrophen - dringend ein funktionierendes Kurzarbeitsmodell mit liberaleren Zugangsvoraussetzungen.
- Rechtssicherheit für Unternehmen durch rasche, verbindliche Zu- oder Absage und eine seriöse und rechtlich saubere Abwicklung aller Kurzarbeitsbegehen.
- Forderungen des AMS nach realitätsfremden bzw. faktisch unmöglich erbringbaren Bestätigungen oder sonstigen Nachweisen, dass bestimmte wirtschaftliche Schwierigkeiten garantiert nach Ablauf von drei Monaten überwunden sein werden, müssen ein Ende haben.
- Einheitliche Vorgangsweise der Kurzarbeitsabwicklung in allen Bundesländern. Es kann nicht sein, dass in einem Bundesland einem Unternehmen Kurzarbeit zugesagt wird, in einem anderen Bundesland dem unmittelbaren Mitbewerber bei den gleichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten hingegen abgelehnt wird.
- Aufstockung der Budgetmittel für Kurzarbeit jedenfalls auf 100 Mio. Euro.
Autor:
Mag. Thomas STEGMÜLLER
E-Mail: thomas.stegmueller@wko.at