Sparte Industrie

Energieabhängigkeit

Lesedauer: 3 Minuten

13.03.2023

Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Länder der Europäischen Union sind hinsichtlich ihrer Energieversorgung von Russland abhängig. Das mag mit entsprechendem politischen Willen, hohem finanziellen Einsatz und der Bereitschaft zu dauerhaft höheren Energiekosten in einigen Jahren überwunden sein. Aber gegenwärtig ist es verantwortungslos, diese Realität zu ignorieren und durch forsche Sanktionen einen Ausfall der Erdgaslieferungen selbst herbeizuführen.

Sanktionen sollen dem sanktionierten Land eine Unannehmlichkeit bereiten und es zum Einlenken bringen; wenn aber diese Unannehmlichkeiten gering sind im Vergleich zu den dem eigenen Land zugefügten Schäden, sind Sanktionen unsinnig.

Kurzfristig sinnvoll ist hingegen dafür vorzusorgen, dass – angesichts der dramatischen Lage – die Speicher in den EU-Ländern möglich gut gefüllt sind. Hier hat Österreich aufgrund seiner großen Speicherkapazitäten einen Vorteil gegenüber anderen Ländern, der die besonders hohe Abhängigkeit des Landes von den russischen Importen ein wenig ausgleichen kann. Ich bin erleichtert, dass alle österreichischen Parteien dem Vorschlag nach einer zeitgemäßen Anpassung des Energielenkungsgesetzes gefolgt sind und damit eine rechtssichere Grundlage für die Erdgasspeicherung von Unternehmen und allfällige Entschädigungszahlungen geschaffen haben; ein Vorschlag, für den sich im Übrigen die Bundessparte Industrie besonders eingesetzt hat.

In den vergangenen Wochen wurde der Industrie von verschiedenen Seiten vorgeworfen, in den letzten Jahren mit Gas aufs völlig falsche Pferd gesetzt und damit Österreich in eine schwierige Lage gebracht zu haben. Dieser Vorwurf ist billige Polemik, denn die Industrie hat den Umstieg von Kohle und Erdöl auf Erdgas durchgeführt, um strenge Bestimmungen zur Luftreinhaltung zu erfüllen. Und Erdgas war die einzige realistische, verfügbare Alternative. Erdgas wurde daher nicht nur von der Industrie als sinnvolle Brückentechnologie am Weg zur Dekarbonisierung angesehen; und gerade die Industrie hat sich in der Vergangenheit immer wieder für eine Diversifizierung der Bezugsquellen eingesetzt.

Der Grund für den weit verbreiteten Einsatz von Erdgas liegt zwar auch im günstigen Preis, vor allem aber in der insgesamt zu geringen Menge an Energie aus erneuerbaren Energieträgern. Wenn der für den European Green Deal zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, nun meint, man solle „mit Lichtgeschwindigkeit“ zu den erneuerbaren Energieträgern wechseln, denn diese seien „billig, sauber und eine potenziell unendliche Quelle an Energie“, dann ist das nur die halbe Wahrheit. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Industrie stabile Netze braucht, die durch die Erneuerbaren derzeit nicht sichergestellt werden können. Wir haben noch große technologische Hürden zu überwinden, bis wir tatsächlich die Visionen des Green Deals erfüllen können. Auch ein furchtbarer Krieg in Europa und mehr Fördermittel werden keine Transformation in Lichtgeschwindigkeit erlauben, ohne die Grundlagen des Industriestandortes Europa zu gefährden.

Mitunter wird der Weg sogar in die Gegenrichtung führen: Zahlreiche Industriebetriebe haben in den letzten Wochen ihre Lage genau analysiert, kalkuliert und sind, sofern Substitutionspotenzial (meist auf Heizöl-Basis) besteht, in zunehmendem Kontakt mit ihren Behörden bezüglich eines alternativen Brennstoffeinsatzes. Bis dato gibt es aber keine zentrale Kommunikation von den zuständigen Ministerien, wie im Anlassfall mit fehlenden Genehmigungen, erhöhten Emissionen und ähnlichen Themen umzugehen ist. Pauschalausnahmen wären etwa über das Energielenkungsgesetz durch eine Verordnungsermächtigung der Energieministerin möglich, doch wie weit diese auch für mittelgroße und kleinere Verbraucher gehen kann, ist nach wie vor ungeklärt. Auch das Anlagenrecht selbst sieht begrenzte Möglichkeiten vor, die aber dringend auf Umsetzungstauglichkeit geprüft werden müssen.

Wie überhaupt die Politik mitunter den Eindruck erweckt, sie hofft durch Ignorieren die vorhandenen Probleme zu lösen: Anders als etwa in Deutschland wurde bis dato nicht kommuniziert, nach welchen Spielregeln Gasknappheiten in Österreich gemanagt würden. Zwar ist naheliegend, dass die Politik kein geplantes Zuteilungs-Ranking auf Branchen- oder Betriebsebene veröffentlichen wird, aber konkrete (über die allgemeinen Formulierungen des Energielenkungsgesetzes hinausgehende) Beurteilungskriterien und Entscheidungsparameter, wie die Verwaltung im Knappheitsfall vorgehen würde, wären aus zwei Gründen wichtig: Betriebe können zumindest in groben Zügen ihre Planungen durchführen und die Industrie (auch die Öffentlichkeit) würde wahrnehmen, dass sich die Politik mit dem Thema befasst und damit auf verschiedene Szenarien ruhig und geplant reagieren wird.

Die Europäische Union hat nicht nur den (beschleunigten) Umstieg auf erneuerbare Energieträger und die Auffüllung der Gasspeicher vorgeschlagen, sondern auch die Mitgliedsländer aufgefordert, aktiv gegen die überbordenden Energiepreise vorzugehen. Tatsächlich sind die Energiepreise eine große Belastung für die Industriebetriebe, und nicht nur für die energieintensive Industrie: Die Energierechnungen trocknen die Liquidität der Unternehmen aus und sie reduzieren die Fähigkeit der Unternehmen, aus eigener Kraft entsprechende Investitionsmittel für den Umstieg auf erneuerbare Energieträger zu generieren. Hier muss der Staat rasch entsprechende Liquiditätshilfen und Förderungen bereitstellen.

Zudem muss die Politik ihr Instrumentarium einsetzen, um der Energiepreisentwicklung dämpfend entgegenzutreten: Die Industrie tritt hier für eine Mischung verschiedener Maßnahmen ein, wie beispielsweise die Strompreiskompensation für energieintensive Betriebe, das Aussetzen von Energiesteuern und –abgaben sowie die Aussetzung der CO2-Bepreisung ohne Verzicht auf den Klimabonus. Angesichts sprudelnder Einnahmen aus energiebezogenen Steuern und erheblichen, progressionsbedingten Mehreinnahmen sollten solche gezielten Maßnahmen jedenfalls finanzierbar sein.

Unterschrift
©

Mag. Sigi Menz
Obmann der Bundessparte Industrie

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