Die 4-Tage-Woche im Handel
Kollektivvertragliches Arbeitszeitmodell zur Arbeitszeitflexibilisierung
Lesedauer: 6 Minuten
Die neue Möglichkeit zur Verteilung der Normalarbeitszeit ist ein weiteres kollektivvertragliches Arbeitszeitmodell und bringt mehr Flexibilität für Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen
Mit dem neuen Arbeitszeitmodell bietet der Kollektivvertrag für ArbeitnehmerInnen mehr Zeitautonomie und für ArbeitgeberInnen eine Ausdehnung der täglichen Normalarbeitszeit auf 10 Stunden. Beide Seiten profitieren von mehr Flexibilität.
Der Kollektivvertrag stärkt damit weiter die Positionierung des Handels als attraktiver Arbeitgeber und übernimmt hier eine Vorreiterrolle. Mit diesem Informationsblatt, welches von den Kollektivvertragsparteien gemeinsam erstellt wurde, wird die neue Regelung im Detail beleuchtet und werden Fragen zur praktischen Umsetzung beantwortet.
Die neue Regelung zur anderen Verteilung der Normalarbeitszeit findet sich im Kollektivvertrag für die Angestellten und Lehrlinge im Handel unter ABSCHNITT 2) A.4.
Andere Verteilung der Normalarbeitszeit (max. 4-Tage Woche)
- Auf Antrag der Arbeitnehmerin ist die vereinbarte wöchentliche Normalarbeitszeit regelmäßig auf vier oder weniger Tage zu verteilen.
- Die Arbeitgeberin kann diesen Antrag binnen zwei Wochen ablehnen, wenn
- die Einhaltung von Betriebsabläufen gefährdet ist oder
- die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes nicht mehr gewährleistet werden kann.
- Wird der Antrag abgelehnt, ist in Betrieben mit Betriebsrat dieser zu informieren und ein Vermittlungsgespräch zu führen.
- Wird die wöchentliche Normalarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten regelmäßig auf vier Tage verteilt, kann die tägliche Normalarbeitszeit auf zehn Stunden ausgedehnt werden.
- Wird die wöchentliche Normalarbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten regelmäßig auf vier oder weniger Tage verteilt, kann die tägliche Normalarbeitszeit auf zehn Stunden ausgedehnt werden, wenn die Angestellte an jedem Tag, an dem sie zum Einsatz kommt, mindestens 4 Stunden zusammenhängend beschäftigt wird.
- Im laufenden Dienstverhältnis ist die andere Verteilung der Normalarbeitszeit nach Antragsstellung mit dem nächst möglichen Zeitpunkt bei der Arbeitszeitplanung zu berücksichtigen.
- Die Verteilung der wöchentlichen Normalarbeitszeit auf die einzelnen Wochentage, der Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Dauer und Lage der Pausen sind zu vereinbaren.
FAQs
Wie beantragt eine ArbeitnehmerIn eine andere Verteilung Ihrer Arbeitszeit?
Die AN stellt einen Antrag an den AG. Der Antrag unterliegt keinen Formvorschriften, sollte jedoch schriftlich und mit Anführung des Datums der Antragstellung erfolgen. Gerichtet wird der Antrag an den direkten Vorgesetzten oder die Personalabteilung. Den AG wird empfohlen, die AN über die Zuständigkeit in ihrem Betrieb zu informieren.
Gilt diese Regelung auch für Teilzeitbeschäftigte?
Ja, Teilzeitkräfte können eine Verteilung ihrer Normalarbeitszeit auf maximal 4 Tage beantragen. zB eine 26-Stunden-Kraft auf 2 mal 10 Stunden und 1 mal 6 Stunden, oder eine 18 Stunden-Kraft auf 2 mal 9 Stunden.
Gibt es für Teilzeitbeschäftigte eine tägliche Mindestbeschäftigungsdauer?
Ja, diese muss mindestens 4 zusammenhängende Stunden betragen.
Wie lange hat der Arbeitgeber Zeit, den Antrag zu beantworten?
Zur Bearbeitung des Antrags hat der Arbeitgeber zwei Wochen nach Zugang des Antrags Zeit. Der Arbeitgeber prüft die Möglichkeit der Umsetzung.
Wie hat die neue Arbeitszeiteinteilung zu erfolgen?
Die einzelnen Arbeitstage müssen nicht zusammenhängend sein. Die Arbeitstage, der jeweilige Beginn und das Ende der Arbeitszeit sowie die Dauer und Lage der Pausen sind wie bisher mindestens zwei Wochen im Vorhinein zu vereinbaren. Alle gesetzlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen gelten weiterhin.
Ab wann ist die neue Verteilung der Normalarbeitszeit in der Personaleinsatzplanung zu berücksichtigen?
Je nach betrieblicher Übung ist die neue Verteilung mit dem nächst möglichen Zeitpunkt einzuplanen. Bereits festgelegte Personaleinsatzpläne müssen nicht abgeändert werden.
Kann dieses Modell mit der durchrechenbaren Arbeitszeit (Ausdehnung auf 44 Stunden NAZ/Woche) oder einer Gleitzeitregelung kombiniert werden?
Die andere Verteilung der Normalarbeitszeit (max. 4-Tage-Woche) ist ein weiteres Arbeitszeitmodell im Kollektivvertrag und existiert neben dem Modell der durchrechenbaren Arbeitszeit oder der Gleitzeit.
- So ist bei der Durchrechenbaren Arbeitszeit die Ausdehnung auf 44 Stunden Normalarbeitszeit in der Woche verbunden mit einer maximalen täglichen Normalarbeitszeit von 9 Stunden.
- Bei der Gleitzeit ist die Ausdehnung auf 10 Stunden Normalarbeitszeit durch festgelegte Kernzeiten oder/und einem Gleitzeitrahmen zulässig, um die notwendige Zeitautonomie für den Arbeitnehmer zu schaffen. Diese Zeitautonomie ist bei dem Modell der 4-Tage-Woche nicht mehr gegeben. Auch die Regelung zur Vereinbarung der Lage der täglichen Arbeitszeit steht der Zeitautonomie einer Gleitzeitregelung entgegen. Damit geht das Wesen einer Gleitzeitregelung verloren und ist nicht mit einer 4-Tage-Woche vereinbar.
Was ist, wenn zwei Wochen für die Bearbeitung des Antrags nicht ausreichen?
Grundsätzlich ist diese Frist einzuhalten. Geht es jedoch um die genaue Planung zur Umsetzung (zB Änderung Einsatzplanung, organisatorische Anpassungen, Gespräche, etc.) ist dem Arbeitnehmer mitzuteilen, bis wann eine finale Entscheidung erfolgen wird. Diese muss jedoch so zeitnah wie möglich stattfinden.
Was passiert, wenn der Arbeitgeber den Antrag nicht beantwortet?
Wird der Antrag des Arbeitnehmers nicht beantwortet und erhält der Arbeitnehmer auch keine Information, dass die Bearbeitung seines Antrages längere Zeit in Anspruch nehmen wird, kann der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass dem Antrag zugestimmt wurde.
Wann kann der Arbeitgeber einen Antrag ablehnen?
Die Ablehnung muss sachlich begründet sein. Der Arbeitgeber kann den Antrag ablehnen, wenn
- die Einhaltung von Betriebsabläufen gefährdet ist oder
- die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes nicht mehr gewährleistet werden kann.
Die Betrachtung dieser Ablehnungsgründe ist auf die Organisationseinheit (zB Filiale, Abteilung, Standort, etc.) bezogen. In der jeweiligen Organisationseinheit dürfen die Betriebsabläufe nicht beeinträchtigt werden. Beispielsweise müssen Kundenberatung oder andere wichtige Tätigkeiten mit qualifiziertem Personal in jeder Organisationseinheit gewährleistet bleiben.
Trotz dieser Betrachtung ist die andere Verteilung der Normalarbeitszeit eine Einzelvereinbarung und daher ist jeder Antrag individuell zu prüfen. Jedenfalls empfehlen wir, die Beantwortung des Antrages in Schriftform vorzunehmen.
Die Begründung, die zukünftige Personaleinsatzplanung nicht ändern zu wollen, reicht als Ablehnungsgrund nicht aus. Ebenso ist eine pauschale Ablehnung aller Anträge eines Betriebes kein sachlich gerechtfertigter Ablehnungsgrund.
Ist ein Arbeitgeber verpflichtet, „Springer“ einzusetzen oder Ersatzpersonal einzustellen?
Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, Kompensationsmaßnahmen wie die Einstellung von Ersatzpersonal oder Einsatz von Springern aus anderen Filialen oder Abteilungen zu setzen.
Kann ein Arbeitnehmer die Änderung von Öffnungszeiten oder eine Einschränkung von betrieblichen Leistungen verlangen?
Die Festsetzung von Rahmenbedingungen wie Öffnungszeiten, Filialbesetzungen, Abteilungsbesetzungen liegt im Entscheidungsbereich des Arbeitgebers. Die Mitwirkungsrechte des Betriebsrates sind in der Arbeitsverfassung geregelt und dabei zu berücksichtigen.
Kann die Vier-Tage-Woche befristet zugesagt werden?
Da die Regelung zur anderen Verteilung der Normalarbeitszeit im Kollektivvertrag keine Vorgaben über die Laufzeit vorgibt, kann eine befristete Anwendung der Regelung vereinbart werden. Wenn die Auswirkung der 4-Tage-Woche auf Betriebsabläufe noch nicht genau eingeschätzt werden kann, ist eine befristete Anwendung z.B. ein Quartal lang sinnvoll. Jedenfalls sollte eine Befristung begründet sowie die weitere Vorgehensweise nach Ende der Befristung vereinbart werden. Eine erneute Befristung ist zulässig, muss jedoch erneut sachlich begründet werden.
Kann die Vier-Tage-Woche für einen gewissen Zeitraum zugesagt werden?
Die Zusage des Arbeitgebers kann sich auf einen gewissen Zeitraum beziehen, der auch wiederkehrend sein kann. Die Ausdehnung der Normalarbeitszeit auf 10 Stunden ist dann nur in diesen Zeiträumen zulässig. Beispielsweise können Zeiten mit erhöhtem Arbeitsbedarf (zB Saisonen, Jahresabschluss, etc.) ausgenommen werden. Eine Zusage könnte beispielsweise lauten: Die Vier-Tage-Woche gilt für die Zeit vom 01.01. bis 31.03. und 01.06. bis 31.12. jeden Jahres. Die Frühjahrssaison in der Zeit von 01.04. bis 31.05. jeden Jahres ist davon ausgenommen.
Kann eine bestehende Vereinbarung widerrufen werden?
Eine zugesagte Vier-Tage-Woche kann nur dann widerrufen werden, wenn die im Kollektivvertrag festgehaltenen Ablehnungsgründe durch betriebliche oder personelle Veränderungen eintreffen. Dies könnten zB Umstrukturierungen, Änderung von Arbeitsabläufen, Rückkehr von AN aus der Karenz in eine ETZ, etc. sein.
Darf eine 6-, 5-, und 4-Tage Woche kombiniert werden?
Ja, im Einvernehmen zwischen AN und AG ist jede Regelung, die den gesetzlichen Bestimmungen (AZG, ARG) entspricht, zulässig. Die Ausdehnung der täglichen Normalarbeitszeit auf 10 Stunden ist jedoch nur in jenen Wochen möglich, wo es auch regelmäßig eine Vier-Tage-Woche gibt.
Was passiert, wenn die Vier-Tage-Woche nicht eingehalten werden kann, zB auf Grund von Personalausfällen, erhöhtem Arbeitsbedarf, etc….?
Wird außerhalb der Vier-Tage-Woche gearbeitet, handelt es sich um Überstunden (zB 11. und 12. Stunde am Tag, oder 5. Arbeitstag).
Was passiert mit dem Urlaubsanspruch bei einer regelmäßigen Vier-Tage-Woche?
Ist eine regelmäßige Vier-Tage-Woche vereinbart, kann der Urlaubsanspruch entsprechend aliquotiert werden. Es ist jedoch sicher zu stellen, dass es bei tageweisem Urlaubskonsum zu keiner Benachteiligung auf Grund der Vier-Tage-Woche kommt.
Besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Rückkehr zur Fünf-Tage-Woche?
Eine Änderung der Verteilung der Normalarbeitszeit ist zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu vereinbaren. Ein Anspruch besteht daher nicht.
Welche Mitsprachemöglichkeiten hat ein Betriebsrat?
Der Betriebsrat muss über jede Ablehnung eines Antrages informiert werden. In Folge ist dem Betriebsrat ein Vermittlungsgespräch anzubieten. Gemäß § 97 ArbVG darf zur Arbeitszeitgestaltung eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden. In Betrieben ohne Betriebsrat entfällt das Vermittlungsgespräch.
Für weitere Fragen wenden Sie sich bitte an Ihre Interessensvertretung (Wirtschaftskammer Ihres Bundeslandes oder die Regionalgeschäftsstelle der GPA-djp in Ihrem Bundesland, die Kontaktdaten finden Sie auf der jeweiligen Homepage).
*) Die Bezeichnung „Vier-Tage-Woche“ gilt als Synonym für eine zB Zwei- oder Drei-Tage-Woche bei Teilzeitkräften.
*) Um eine bessere Lesbarkeit zu erreichen, wurde auf geschlechtsneutrale Formulierungen verzichtet. Es versteht sich jedoch von selbst, dass sich alle personenbezogenen Bezeichnungen auf beide Geschlechter beziehen.
Stand: 30.12.2022