Die linke Seite des Gesichts einer Person mit blonden Haaren ist zu sehen. Sie blickt mit ihren Augen schräg nach unten. Eine Haarsträhne fällt ihr ins Gesicht. Sie trägt längliche Ohrringe, die aus Steinen, Metall und glitzernden Blumen bestehen
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Rechtliche Infos Piercer

Ohrläppchen­stechen durch Piercer:innen mit einer Piercing­nadel

Keine Altersbeschränkung gemäß Ausübungsregeln

Lesedauer: 3 Minuten

17.01.2025

In aller Kürze

Das Durchstechen von Ohrläppchen unter Verwendung einer Piercingnadel zur Anbringung von Schmuck fällt in den Berechtigungsumfang der Kosmetik (Schönheitspflege)-Gewerbetreibenden, eingeschränkt auf Piercen.

Eine Altersbeschränkung wie für Piercen gem § 2 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über Ausübungsregeln für das Piercen und Tätowieren durch Kosmetik (Schönheitspflege)-Gewerbetreibende, BGBl II 141/2003 idF BGBl II 261/2008 normiert ist, ist für diese Tätigkeit gewerberechtlich nicht vorgesehen.

Argumentation

Das Durchstechen von Ohrläppchen unter Verwendung einer Piercingnadel zur Anbringung von Schmuck fällt in den Berechtigungsumfang der Kosmetik (Schönheitspflege)-Gewerbetreibenden, eingeschränkt auf Piercen.

Eine Altersbeschränkung wie für das Piercen gemäß § 2 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über Ausübungsregeln für das Piercen und Tätowieren durch Kosmetik (Schönheitspflege)-Gewerbetreibende, BGBl II 141/2003 idF BGBl II 261/2008 (im Folgenden: Ausübungsregeln) normiert ist, ist für diese Tätigkeit gewerberechtlich nicht vorgesehen.

Diese Rechtsansicht wurde nun mit Schreiben vom 16.1.2025 vom Wirtschaftsministerium bestätigt und es wurde dabei der Argumentation gefolgt, dass gemäß § 109 Abs 4 GewO 1994 sowie § 1 Abs 1 der Ausübungsregeln als „Piercen“ im gewerberechtlichen Sinn das Durchstechen der Haut zwecks Anbringung von Schmuck an Hautfalten, verknorpelten Stellen des Ohres oder des Nasenflügels oder an der Zunge vor dem Zungenbändchen gilt, sofern dazu ein Gerät verwendet wird, das höchstens zwei Millimeter durchmessend in die Haut eindringt und keine strich- oder flächenförmigen Verletzungen oder Vernarbungen verursacht.

Bei der Tätigkeit des Durchstechens des Ohrläppchens mit einer Piercingnadel zur Anbringung von Schmuck handelt es sich somit nicht um „Piercen“ iSd § 109 Abs 4 GewO 1994, da der Schmuck nicht an einer der oben genannten Körperstellen angebracht wird.

Somit gilt auch keine Altersbeschränkung, wie sie in § 2 Abs 1 der Ausübungsregeln genannt ist. Das Stechen von Ohrläppchen mit einer Piercingnadel ist daher ohne Altersbeschränkung durch Piercer:innen möglich.

Da die Gewerbeordnung keine ausdrückliche Zuordnung der Tätigkeit des Durchstechens von Ohrläppchen unter Verwendung einer Piercingnadel zur Anbringung von Schmuck zu einem bestimmten Gewerbe vornimmt, hat die Zuordnung dieser Tätigkeit nach Maßgabe der Zweifelsfallregelung des § 29 zweiter Satz GewO 1994 zu erfolgen, wonach zur Beurteilung des Umfangs der Gewerbeberechtigung die den einzelnen Gewerben eigentümlichen Arbeitsvorgänge, die verwendeten Roh- und Hilfsstoffe sowie Werkzeuge und Maschinen, die historische Entwicklung und die in den beteiligten gewerblichen Kreisen bestehenden Anschauungen und Vereinbarungen heranzuziehen sind.

Das Durchstechen des Ohrläppchens mit einer Piercingnadel zur Anbringung von Schmuck entspricht sowohl hinsichtlich des Arbeitsvorgangs als auch hinsichtlich des dabei zum Einsatz kommenden Werkzeuges jenem Vorgang, wie er von der Berufsgruppe der Piercer:innen durchgeführt wird. Auch hier wird Haut zum Zweck des Anbringens von Schmuck durchstochen, wobei dazu ein Gerät verwendet wird, das höchstens zwei Millimeter durchmessend in die Haut eindringt und keine strich- oder flächenförmigen Verletzungen oder Vernarbungen verursacht.

Beim verwendeten Gerät handelt es sich um eine Piercingnadel, welche das ureigenste Arbeitsmittel der Berufsgruppe der Piercer:innen darstellt. Gemäß der Verordnung der Bundesinnung der Fußpfleger, Kosmetiker und Masseure über die Befähigungsprüfung für das reglementierte Gewerbe der Kosmetik (Schönheitspflege) eingeschränkt auf Piercen (Piercen-Befähigungsprüfungsordnung) wird das Thema des fachgerechten Piercens unter Verwendung der Piercingnadel in einem eigenen Lernergebnis behandelt. Neben der Beurteilung der zu piercenden Körperstelle hinsichtlich der Haut- und Gewebebeschaffenheit und der Auswahl des Ersteinsatzschmuckes werden auch die Themen Nadelstärke, Stichkanal und Nadelführung behandelt. Insbesondere verfügen Piercer:innen über die Fertigkeit die passende Nadelstärke in Abhängigkeit vom gewählten Piercing auszuwählen, in Abhängigkeit vom gewählten Piercing die Ausrichtung des Stichkanals zu bestimmen (zB Länge, Tiefe, Winkel), durch entsprechende Nadelführung das Piercing zu stechen und den Ersteinsatzschmuck fachgerecht einzusetzen. Zudem wird im Rahmen der Ausbildung auch das Versorgen der Kund:innen vor und nach dem Piercingvorgang gelehrt, insbesondere wie die Kund:innen über die richtige Pflege aufgeklärt werden und eine Nachkontrolle durchzuführen ist.

Es kann also davon ausgegangen werden, dass aufgrund der Ausbildung, des Arbeitsvorganges, des verwendeten Werkzeuges und der Eigenart der Tätigkeit Piercer:innen über die entsprechenden Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten zum Durchstechen des Ohrläppchens unter Verwendung einer Piercingnadel zur Anbringung von Schmuck verfügen.

Unberührt von den obigen Ausführungen bleibt das anderen Gewerben ausdrücklich zustehende Recht zum Stechen von Ohrläppchen unter Verwendung steriler Einweg-Ohrknopflöcher nach vorheriger Hautdesinfektion (§§ 109 Abs 1 und Abs 6, 150 Abs 6, 154 Abs 3 GewO).