Personen in Businesskleidung stehen vor einem Gebäude mit EU-Flagge im Schatten, eine Person fotografiert dabei die Flagge
© ARTENS | stock.adobe.com
Sparte Bank und Versicherung

Wettbewerbsfähigkeitskompass der EU-Kommission

EU-Kommission präsentiert den strategischen Rahmen für ihre Arbeit in den nächsten Jahren 

Lesedauer: 5 Minuten

30.01.2025


Die EU-Kommission hat kürzlich den bereits im November 2024 angekündigten und mit Spannung erwarteten Kompass für Wettbewerbsfähigkeit veröffentlicht. Der Kompass soll die Wettbewerbsfähigkeit zu einem der übergreifenden Handlungsprinzipien der Europäischen Union machen. Ziel ist es, einen gemeinsamen strategischen Rahmen und eine strategische Vision zu entwickeln, an denen sich die Maßnahmen der EU orientieren werden, um sicherzustellen, dass die Politik im Einklang mit den Zielen der Wettbewerbsfähigkeit steht. Darüber hinaus enthält der Kompass eine Übersicht der geplanten Initiativen (Flagship Actions) der EU-Kommission für dieses und das kommende Jahr.

Drei Säulen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit

Der Kompass baut auf dem Draghi- und dem Letta-Bericht auf und nennt drei Säulen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit:

  1. Schließen der Innovationslücke
  2. Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit
  3. Strategische Autonomie und Erhöhung der Sicherheit

Diese sollen durch fünf horizontale Fundamente aufgebaut werden:

  1. Entbürokratisierung und Förderung von Schnelligkeit und Flexibilität
  2. Volle Nutzung der Binnenmarkt-Größenvorteile durch Beseitigung von Hindernissen
  3. Finanzierung durch eine Spar- und Investitionsunion und einen neuen EU-Haushalt
  4. Förderung von Qualifikationen für Wettbewerbsfähigkeit und hochwertige Arbeitsplätze bei gleichzeitiger Gewährleistung sozialer Fairness
  5. Bessere Koordinierung der politischen Maßnahmen auf EU- und MS-Ebene

Key Takeaways

Mehrjähriger Finanzrahmen inkl. der Umsetzung eines Competitiveness Coordination Tools und Competitiveness Funds

Der nächste mehrjährige Finanzrahmen (MFF) soll genutzt werden, um den Zugang zu EU-Finanzierungsinstrumenten zu vereinfachen und die Mittel gezielt auf Prioritäten der Wettbewerbsfähigkeit auszurichten, insbesondere auf gemeinsame Finanzierungsprioritäten in Form von öffentlichen europäischen Gütern und länderübergreifenden Investitionsprojekten, die durch verstärkte politische Koordinierungsinstrumente festgelegt werden. Ein besonderer Fokus soll auf gemeinsame Finanzierungsprioritäten insbesondere der Förderung öffentlicher europäischer Güter und länderübergreifender Investitionsprojekte liegen, die durch verstärkte politische Koordinierungsmechanismen definiert werden. Finanzielle Anreize zur Umsetzung der im Kompass definierten Aktionspläne sollen auf der „Strategic Technologies for Europe Platform“ (STEP) aufbauen, in deren Rahmen bereits über 6 Mrd. EUR aus den Kohäsionsfonds der Mitgliedstaaten zur Unterstützung strategischer Ziele umgeschichtet wurden. Weitere finanzielle Anreize sollen dabei von der Europäischen Investitionsbank (EIB) und den nationalen Förderbanken kommen.

Der neue Wettbewerbsfähigkeitsfonds soll gezielt auf die gemeinsamen Prioritäten reagieren und dabei stärker integriert vorgehen, insbesondere in den Bereichen:

  • Finanzierung von Investitionen in strategische Technologien und Fertigung: Künstliche Intelligenz, Raumfahrt, Clean Tech, Bio-Tech etc.;
  • Mobilisierung privater Investitionen und Reduktion der Risiken; 
  • Unterstützung von Forschung & Entwicklung.

Das Competitiveness Coordination Tool soll eine bessere Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten und eine verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit in strategisch wichtigen Bereichen sicherstellen. Dieses Tool zielt darauf ab,

  • die Stärken und die Bedürfnisse in der EU bzw. gemeinsame Prioritäten für die Wettbewerbsfähigkeit zu ermitteln,
  • die notwendige Governance für die Industrie- und Investitionspolitik bzw. die Ausarbeitung von Aktionsplänen mit den Mitgliedstaaten und anderen wichtigen Akteuren zu bieten und
  • die bestehende wirtschaftspolitische Koordinierung zu ergänzen.
  • Phase 1: Die EU-Kommission wird Vorschläge in ausgewählten Bereichen mit einem eindeutigen Mehrwert für die Wettbewerbsfähigkeit der EU unterbreiten und als Pilotfälle koordinieren.
  • Auf dieser Erfahrungsgrundlage wird die EU-Kommission eine Methodik entwickeln, um weitere strategische Sektoren oder Aktivitäten zu ermitteln und zu definieren, die sich für eine Koordinierung im Rahmen des Competitiveness Coordination Tools eignen.

Finanzierung der Wettbewerbsfähigkeit und einer Spar- und Investitionsunion

Im Jahr 2025 soll eine neue Strategie für eine europäische Spar- und Investitionsunion vorgelegt werden, gefolgt von einer Reihe spezifischer Legislativvorschläge, um Kapital in Europa zu mobilisieren. Um Kapital in Europa zu mobilisieren, sollen einheitliche und kostengünstige Spar- und Anlageprodukte auf EU-Ebene angeboten werden, mit gleichzeitiger Ermutigung von Kleinanlegern, diese in Anspruch zu nehmen. Die EU-Kommission werde sich auch mit dem Potenzial der privaten und betrieblichen Altersvorsorge befassen, um den EU-Bürgern zu helfen, für ihren Ruhestand zu planen und ihre Ersparnisse in die Wirtschaft zu lenken. Darüber hinaus sollen Hindernisse für eine marktorientierte Konsolidierung der Finanzmarktinfrastruktur beseitigt werden. Geplant sind zudem Maßnahmen zur Wiederbelegung des Verbriefungsmarktes in der EU, um zusätzliche Finanzierungskapazitäten für Banken zu schaffen, sowie Maßnahmen zur Förderung einer deutlich einheitlicheren Aufsicht, insbesondere:

  • Die Reform und Harmonisierung des derzeit noch sehr fragmentierten Insolvenzrahmens, inkl. der Rangfolge von Forderungen und Insolvenzauslösern oder der Vorschriften für Finanzsicherheiten und -abwicklung;
  • Die Beseitigung von Steuerhindernissen für grenzüberschreitende Investitionen.

Das Potenzial der EIB-Gruppe soll voll ausgeschöpft werden, um private Investitionen zu mobilisieren und die Investitionslücke Europas in allen vorrangigen Bereichen, von der Dekarbonisierung bis zur Verteidigung, zu schließen. Dies soll unter anderem durch einen verstärkten Einsatz von EU-finanzierten De-Risking-Programmen geschehen, die risikoreichere und skalierbarere Investitionen in wichtigen Wirtschaftssektoren fördern. Zudem soll der Anwendungsbereich bestehender Finanzierungsprogramme, wie InvestEU, ausgeweitet werden, um die Mandate der EIB-Gruppe und anderer Partner breiter, einfacher, schneller und flexibler zu gestalten.

Entbürokratisierung: Startschuss mit dem Omnibus-Vereinfachungspaket

Die EU-Kommission erklärt unter anderem, Bürokratie abbauen zu wollen, indem Berichtspflichten reduziert werden. Ende Februar 2025 soll ein Omnibus-Vorschlag vorgelegt werden, der eine umfassende Vereinfachung in den Bereichen CSRD, CSDDD und Taxonomie anstrebt. Im Einklang mit den Zielen des Sustainable-Finance-Rahmens zur Förderung von Investitionen in die grüne Transformation werde die EU-Kommission sicherstellen, dass die regulatorischen Anforderungen besser auf die Bedürfnisse der Investoren abgestimmt sind, unter anderem indem

  • die Berichtspflichten eng an den Informationsbedürfnissen der Investoren ausgerichtet werden;
  • realistische und angemessene Fristen für die Umsetzung vorgesehen werden;
  • Verpflichtungen proportional zum Tätigkeitsumfang der Unternehmen gestaltet werden;
  • ein besonderer Schwerpunkt auf Aktivitäten mit den gravierendsten negativen Auswirkungen gesetzt wird;
  • der Trickle-Down-Effekt vermieden wird, um kleinere Unternehmen vor unbeabsichtigten und übermäßigen Berichtspflichten zu schützen.

Insgesamt möchte die EU-Kommission die Berichterstattungspflichten für Unternehmen um 25 % und für KMU um 35 % reduzieren. Ein neuer KMU- und Wettbewerbsfähigkeits-Check zur Folgenabschätzung soll einen stärkeren Filter für neue Initiativen bieten. Insbesondere sollen die erwarteten Auswirkungen auf die Kostenunterschiede im Vergleich zu anderen internationalen Wettbewerbern sowie die Kosten vorgeschlagener Delegierten- und Durchführungsrechtsakte umfassend bewertet werden.

Unternehmen und Behörden sollen bei der Umsetzung von EU-Rechtsvorschriften künftig besser durch technische Unterstützung begleitet werden, insbesondere durch die Förderung der Nutzung digitaler Werkzeuge und Künstlicher Intelligenz. Der Fokus soll auf der vollständigen Harmonisierung und Durchsetzung liegen, um ein Level-playing field im Binnenmarkt sicherzustellen und Fragmentierung sowie Goldplating zu vermeiden. Das Engagement für eine bessere Rechtsetzung soll (unter Wahrung der Prinzipien der Subsidiarität und Proportionalität) von allen Organen während des gesamten Gesetzgebungsverfahrens getragen werden. Eine überarbeitete interinstitutionelle Vereinbarung werde sicherstellen, dass die Verpflichtung zur Vereinfachung durchgehend, von Anfang bis Ende des Gesetzgebungsprozesses, eingehalten wird.

28th Regime

Mit einer eigens auf Start-up- und Scale-up-Unternehmen zugeschnittenen Strategie der EU sollen jene Hindernisse angegangen werden, die der Entstehung und Expansion neuer Unternehmen im Wege stehen. Die EU-Kommission plant, einen Vorschlag für ein 28. Regime vorzulegen, das die geltenden Vorschriften vereinfachen soll. Dies betrifft insbesondere die Aspekte des Gesellschafts-, Insolvenz-, Arbeits- und Steuerrechts. Ziel ist es, innovativen Unternehmen die Vorteile eines einheitlichen Regelwerks zugänglich zu machen, sodass sie ihre Investitionen und Aktivitäten unabhängig von ihrem Standort im Binnenmarkt optimal umsetzen bzw. nachgehen können.

Detaillierte Informationen entnehmen Sie bitte der Presseaussendung der EU-Kommission sowie den Erklärungen von Vizepresident Séjourné und Kommissionpräsidentin von der Leyen.

Ein Factsheet zum Wettbewerbsfähigkeitskompass bietet zudem einen zusammenfassenden Überblick über die geplanten Initiativen der EU-Kommission.