Naturkatastrophen am Vormarsch: Was das für die Finanzbranche bedeutet
Wie lange sind Naturkatastrophen noch versicherbar? Dieser Frage gingen vier internationale Top-Experten auf den Grund. Anpassung und Prävention stellen die zentralen Herausforderungen.
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Jetzt ist schon wieder was passiert! Der Klimawandel schreitet voran und mit ihm kommt es immer öfter zu Naturkatastrophen. Welche Effekte kann man auf lokaler Ebene für Kärnten bereits analysieren und welche Auswirkungen haben die mit dem Klimawandel einhergehenden Naturereignisse auf die Versicherungswirtschaft? Dieser Frage gingen vier erstklassige Expert:innen bei einem Symposium der WKO Kärnten, der Fachgruppe Finanzdienstleister und der Kärntner Gesellschaft für Versicherungsfachwissen auf den Grund.
WK-Vizepräsidentin Astrid Legner ist es ein besonderes Anliegen den Klimawandel und die damit verbundenen Folgen noch mehr ins öffentliche Interesse zu rücken. „Der Klimawandel schreitet so rasch voran, dass wir es laut aktuellen Einschätzungen der WMO bereits in vier Jahren um 1,5 Grad wärmer haben könnten. Speziell wenn diese Erwärmung dauerhaft gegeben ist, ist das eine erhebliche Gefahr. Klimawandel ist kein Thema, das irgendjemand alleine angehen kann, sondern da sind wir alle in der Pflicht!“, mahnte die Vizepräsidentin. Mit dem Klimawandel verstärkt und vervielfacht sich auch das Aufkommen von Naturkatastrophen. „Gerade in Kärnten sind wir massiv davon betroffen. In den letzten zehn Jahren waren wir das Bundesland mit den meisten Naturkatastrophen. Von enormen Schneefällen im Winter 2005/06 mit über 40.000 Schadenfällen über Murenabgängen in Afritz 2016 oder Hagelvorkommnissen mit über 30.000 Schadenfälle bis hin zu Hochwasserereignissen in Lavamünd und im Gailtal“, zählte Astrid Legner auf.
Dass solche Wetterkapriolen nicht nur im privaten Bereich für Schicksalsschläge sorgen, sondern massiv auch auf die Kärntner Wirtschaft Einfluss nehmen, weiß die WK-Vizepräsidentin. Deshalb ist es aus ihrer Sicht auch umso wichtiger, dass sich die Unternehmerinnen und Unternehmer informieren und zu Versicherungsschutz und finanziellen Auswirkungen weiterbilden.
Österreich hat zweithöchste Hochwasserrisiko in EU
„Die größte finanzielle Gefahr in Kärnten und Österreich durch den Klimawandel geht eindeutig von Veränderungen im Hochwassergeschehen aus. Bereits heute hat Österreich das zweithöchste Hochwasserrisiko von allen europäischen Ländern“, ergänzte Franz Prettenthaler, Direktor von LIFE (Institut für Klima, Energie und Gesellschaft) von JOANNEUM RESEARCH. „Daher gehört eine bessere finanzielle Risikovorsorge zu einer der vordringlichsten Aufgaben für die Anpassung an die steigenden Gefahren durch den Klimawandel neben der natürlich ebenso dringend gebotenen Dekarbonisierung der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft“, warnte Prettenthaler.
Weiterbildung als zentrales Zukunftsthema
Mit finanzieller Risikovorsorge beschäftigt sich Jürgen Hartinger, Vorstandsvorsitzender der Kärntner Gesellschaft für Versicherungsfachwissen. Für ihn ist ganz klar: „Langfristig bleiben Naturkatastrophen nur bei geeigneter Anpassung versicherbar.“ Mit den steigenden Temperaturen erwarte Hartinger ein vermehrtes Aufkommen von Extremwetterereignissen und damit verbunden auch einen Anstieg der versicherten Schäden. Speziell die Punkte Nachhaltigkeit und Schadenprävention werden künftig eine große Rolle spielen. „Wissen ist Macht. Die optimale Weiterbildung gerade in diesem zentralen Zukunftsthema gibt den Kärntner Versicherungsexpertinnen und -experten die Möglichkeit als Multiplikatoren Fakten, Präventionsmaßnahmen und Anpassungsmöglichkeiten ins Land zu tragen, um guten Versicherungsschutz noch sehr lange zu ermöglichen“, hielt Hartinger fest.
Energiemix ist entscheidend
WK-Vizepräsidentin Astrid Legner sprach abschließend noch an, wie man dem Klimawandel und den steigenden Temperaturen entgegenwirken kann. „Kärnten ist österreichweit stark bei Biomasse und Wasserkraft, das wird aber für eine zeitgerechte Energiewende nicht reichen. Der Energiemix ist entscheidend: Die Unternehmerinnen und Unternehmer wollen einen Plan für den Ausstieg aus fossiler Energie“, so Legner. Sie zeigte auf: „Leider liegt Kärnten beim Ausbau von Windkraft und Photovoltaik weit hinter den anderen Bundesländern zurück, obwohl die Potenziale reichlich vorhanden sind. Nach wie vor drehen sich in Kärnten zwei einsame Windräder, während die Steiermark vorzeigt, wie zeitgemäße, ökologisch verträgliche Windkraftnutzung funktionieren kann.“
Die Wirtschaftskammer appelliert daher dringend an die Landesregierung, im ersten Schritt dafür zu sorgen, dass die im Energiemasterplan des Landes Kärnten festgelegten Ziele – 50 Windräder mit einer Jahresleistung von jeweils 5 GWh/Jahr bis 2025 – erreicht werden. Weiters forderte Astrid Legner eine Novellierung des Kärntner Raumordnungsgesetzes: „Die Windkraftstandorträumeverordnung und die Kärntner Photovoltaikanlagenverordnung sind verantwortlich für die Schlusslichtposition des Landes in diesen Bereichen. Es geht um die Zukunft des Wirtschaftsstandortes und darum, die enormen Möglichkeiten Kärntens bei Photovoltaik und Windkraft zu nutzen, die Abhängigkeit von Energieimporten stark zu reduzieren und die Wertschöpfung im Land zu lassen."
Statements der drei weiteren Expert:innen
Ulrich Foelsche, Atmosphärenphysiker mit Schwerpunkt Klimawandel, Leiter des Institutes für Physik an der Universität Graz und Mitglied im Wegener Center für Klima und Globalen Wandel: „Der Klimawandel ist keine Bedrohung in ferner Zukunft - wir sind schon mittendrin. Die Auswirkungen werden umso gravierender sein, je massiver sich das Klima verändert. Nicht jedes Extremereignis ‚ist Klimawandel‘ - wir müssen uns aber darauf einstellen, dass Extremereignisse häufiger werden. Die größten Unsicherheiten gibt es bei der zukünftigen Entwicklung von Mittelmeertiefs“
Judith Köberl, Expertin für Klima- und Wetterrisiken des Institutes LIFE von JOANNEUM RESEARCH: „Die Klimakrise stellt vor allem Skigebiete vor Herausforderungen, während sich für den Kärntner Sommertourismus Chancen auftun. In der Landwirtschaft nehmen etwa Dürrerisiko, Spätfrostrisiko und das Risiko für Starkniederschlagsereignisse zu, dafür entstehen Chancen im Weinbau. Resilienz und Klimafitness in allen Bereichen zu erhöhen, ist das Gebot der Stunde.“
Kristina Franke, Nachhaltigkeitsexpertin der Swiss Re (eines der größten Rückversicherungsunternehmen der Welt): „Trotz Zunahme der Häufigkeit von Naturkatastrophen bleiben die Schäden zunächst versicherbar. Langfristig sind dazu jedoch Bemühungen in der Schadenprävention notwendig. Versicherer und Rückversicherer stehen in der Pflicht, ihren Beitrag zur Eindämmung des Klimawandels zu leisten, indem sie Nachhaltigkeit als Kernelement in ihrem Geschäftsmodell verankern und innovative Absicherungskonzepte bereitstellen.“