BSI-Obmann Menz: Budgetsanierung - falsch gestellte Weichen
Kommentar des Obmannes Mag. Sigi Menz
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Wieder einmal muss eine österreichische Bundesregierung als Budget-Sanierungs-Partnerschaft antreten. Am großen Feilschen, wer in welchem Maße zu dieser Sanierung beitragen soll, ist mittlerweile die erste Runde der Koalitionsverhandlungen gescheitert. Wie kann es aber überhaupt passieren, dass ein Staat mit einer Steuer- und Abgabenquote von 44 % kein ausgeglichenes Budget vorlegen kann?
Jüngsten Schätzungen zufolge dürfte die Steuer- und Abgabenquote in Österreich im abgelaufenen Jahr weiter gestiegen sein und einen Wert von 44,0 % erreicht haben. Angesichts der teilweise komplexen internationalen Vergleichbarkeit ist es eine müßige Diskussion, ob Österreich mit dieser Quote einen unrühmlichen Medaillenplatz in Europa einnimmt, oder „nur“ im oberen Bereich vergleichbarer Länder liegt. Eine so hohe Steuer- und Abgabenquote hat jedenfalls negative wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen. Und sie stellt Regierungen, die in diesem Ausmaß den Bürgerinnen und Bürgern in die Taschen greifen und dennoch kein solides Budget vorzeigen können, ein extrem schlechtes Zeugnis aus.
Zu beobachten ist, dass in praktisch allen Ländern die Steuer- und Abgabenquote mit wachsendem Wohlstand zunehmen. Dies ist bei Emerging Markets nachvollziehbar: Die wachsende, marktbasierte Wertschöpfung schafft eine stabile Besteuerungsbasis, die ihrerseits die Entwicklung sozialer Absicherungssysteme ermöglicht. Bei entwickelten Volkswirtschaften sollte dieser Prozess aber stoppen, oder sich umkehren: Die subsidiäre Unterstützung durch den Staat sollte in wohlhabenden Gesellschaften an Bedeutung verlieren. Dass dies nicht der Fall ist spiegelt wider, dass sich zahlreiche Volkswirtschaften von Solidaritätsprinzip des Sozialstaates fortentwickelt haben zu einem Gießkannenprinzip der Geldverteilung. Hier ist eine der falsch gestellten Weichen zu finden: Verlässliche, sozialstaatliche Sicherungssysteme sind finanzierbar, aber eine undifferenzierte Geldverteilung muss jedes Budget sprengen.
Dieses Perpetuum Mobile aus wachsenden Abgabenlasten und gießkannenmäßigem Geldregen betrifft nicht nur das budgetäre Schwergewicht im Sozialbereich, sondern trifft auch auf eine wachsende Zahl an Überförderungen in den unterschiedlichsten Bereichen zu. Die Industrie versucht hier im eigenen Bereich dem staatliche Handeln Hilfestellungen zur stärkeren Zielorientierung zu geben, etwa indem sie immer wieder evaluieren lässt, welche Art der Forschungsförderungen zielgenau und mit großer Hebelwirkung die erwünschten Ergebnisse auch tatsächlich erreichen.
Aus der ersten falsch gestellten Weiche, der undifferenzierten Geldverteilung, ergeben sich eine Reihe von Folgeproblemen: Hohe Steuer- und Abgabenquoten führen zu Steuerwiderstand, Steuervermeidung und – immer häufiger – zu Leistungsverweigerung; zusätzliche Arbeit unterbleibt, wenn der finanzielle Erfolg zu einem immer höheren Teil der öffentlichen Hand zufällt. Mindestens ebenso problematisch ist, dass sich ein stärkeres Anspruchsverhalten gegenüber dem Staat herausbildet – und sei es nur deshalb, weil man die geleisteten Steuern und Abgaben durch Inanspruchnahme entsprechender öffentlicher Leistungen wieder „zurückbekommen“ möchte. Hier entsteht ein negativer Kreislauf, der nur durch zwei Maßnahmen durchbrochen werden kann: Eine Strategie der Senkung der Steuer- und Abgabenquote und ein klares und transparentes Bemühen der öffentlichen Haushalte, mit Steuergeldern verantwortungsvoll umzugehen.
Auch in Unternehmen ist das Problem der Bürokratisierung und der Bewahrung obsolet gewordener Prozesse und Strukturen eine fortwährende Herausforderung. Der Blick auf die Ertragsentwicklung ist aber eine ständige Erinnerung in Unternehmen, die Ausrichtung auf Ziele und Prioritäten immer wieder nachzuschärfen. Bei der öffentlichen Hand fehlt diese ständige Erinnerung, folglich werden unnötige und unsinnige – oft im Laufe der Zeit unnötig oder unsinnig gewordene – Prozesse weitergeführt. Seit Jahren weist die Industrie darauf hin, dass in diesen Fällen keine Effizienzsteigerung der Verwaltung hilft, sondern nur eine konsequente Analyse, welche Staatsaufgaben ersatzlos (und ohne negative Wirkungen auf die Gesellschaft) gestrichen werden können. Gerade die Industrie erfährt in ihrem eigenen Bereich, wie viele Bestimmungen – und noch mehr: wie viele Daten – ohne Sinn, Zweck und Nutzen befolgt bzw. aufgezeichnet werden müssen. Deshalb hat die Industrie schon vielfach mutige Schritte der Entbürokratisierung gefordert, die die staatliche Verwaltung wie auch die Unternehmen entlastet – und einen nennenswerten Beitrag zur Gesundung der öffentlichen Haushalte leisten kann.
Abgesehen von der kompletten Streichung unnötiger oder unnötig gewordener Tätigkeiten braucht die staatliche Verwaltung in Österreich entschlossene Strukturreformen. Ein wesentliches Beispiel dafür ist die Arbeitsteilung der verschiedenen Gebietskörperschaften, auch wenn hier unter dem Banner eines falsch verstandenen Föderalismus gerne administrative Schrebergärten gepflegt werden. Somit bleibt dann noch die oft als Schlagwort genannte „Effizienzsteigerung der Verwaltung“. Nach Streichung unnötiger Tätigkeiten und Strukturreformen sollte diese umso leichter möglich sein, wobei dank moderner Informationstechnologien die beiden Ziele von Effizienz und Kundenorientierung in der öffentlichen Verwaltung einfacher und konfliktärmer umgesetzt werden können.
Aus Sicht der Industrie ist zu begrüßen, dass das drohende EU-Defizitverfahren kürzlich abgewendet werden konnte. Dadurch ist die volle budgetäre Handlungsfähigkeit der künftigen Regierung sicher gestellt. Der Fokus kann nun von den dringenden Sofortmaßnahmen auf eine zukunftsorientierte Budgetgestaltung gelegt werden. Dazu bedarf es der genannten Weichenstellungen, um ein periodisches Entgleisen des Budgetzugs zu verhindern. Dann wird es auch möglich im Budget jene gestalterischen Schwerpunkte zu setzen, die wirtschaftliche Aktivität, Wertschöpfung und Beschäftigung – auch im Gegenwind verschiedenster Herausforderungen – in Österreich unterstützen und stärken können.
Obmann der Bundessparte Industrie