Detailansicht Hand mit Pinzette, die nach Zahnrad einer geöffneten Armbanduhr greift, ringsum weitere Uhrwerke verschwommen
© rrudenkois | stock.adobe.com
Juwelen-, Uhren-, Kunst-, Antiquitäten- und Briefmarkenhandel, Landesgremium

Krise in der Luxusuhrenbranche

Schweizer Uhrenhersteller leiden unter einem starken Rückgang der Nachfrage. Nach dem Pandemie-Boom erlebt die Branche eine Kehrtwende und sucht Rettung beim Staat.

Lesedauer: 3 Minuten

25.09.2024

Wien. Jahrelang trotzte die Luxusbranche sämtlichen Krisen. Sei es die Covid-Pandemie, sei es die Teuerung oder globale Lieferkettenprobleme. Kundinnen und Kunden griffen in diesen Zeiten erst recht zur Luxusuhr und zeigten sich von den Problemen unberührt. Aber auch in dieser Branche wendet sich nun langsam das Blatt. Die schwache Nachfrage in China war zwar erwartet worden, erweist sich aber als hartnäckiger als prognostiziert, und das sorgt für kräftigen Gegenwind in der Branche. Inmitten der für die Uhrenbranche wichtigsten Messe des Jahres, der Genfer Watch Days, gab eine Schweizer Uhrenmarke bekannt, dass sie Kurzarbeit für die Mitarbeiter in Anspruch nehmen muss. Laut Patrick Pruniaux, Präsident und Geschäftsführer, nimmt die Sowind Group, zu der die Uhrenmarken Ulysse Nardin und Girard-Perregaux gehören, für rund 50 ihrer 320 Mitarbeiter Kurzarbeit in Anspruch. „Es handelt sich bisher um eine kleine Uhrenkrise“, sagte Pruniaux dazu zu Bloomberg. Das laufende Jahr sei eine Herausforderung. Mit der Kurzarbeit wolle man Arbeitsplätze erhalten und dauerhafte Jobkürzungen vermeiden. Besonders leiden jene Uhrmacher, die in China engagiert sind. Dazu gehören prominente Namen wie Richemont, LVMH und die Swatch Group. Ihr China-Umsatz ist laut Brancheninsidern teilweise um 50 Prozent eingebrochen. Wegen der geplatzten Immobilienblase geht es der chinesischen Realwirtschaft und auch dem Finanzmarkt schlecht.

Uhrenmarkt Schweiz

Bis vor Kurzem gehörten die beiden Neuenburger Uhrenmarken Girard-Perregaux und Ulysse Nardin noch zu dem börsenorientierten Konzern Kering. 2022 wurde der Verkauf der Sowind-Gruppe an das Management bekannt gegeben. Üblicherweise läuft es andersrum: Unabhängige Marken werden von Konzernen wie Kering oder LVMH übernommen. Für die exportorientierte Schweiz ist die Uhrenbranche eine enorm wichtige: Sie beschäftigt mehr als 65.000 Arbeitnehmer und stellt den drittgrößten Exportsektor hinter der Chemie- und Pharmaindustrie sowie der Maschinenindustrie dar. An der Börse notiert zu sein, feit aber nicht vor dem Rückgang der Nachfrage. Richemont, Prada und Hugo Boss: Das sind nur einige wenige Namen der Liste an Konzernen, die ihre Prognosen für das laufende Geschäftsjahr bereits korrigieren mussten. Swatch verzeichnete alleine in China in der ersten Jahreshälfte einen Umsatzeinbruch um 30 Prozent. Der Gesamtumsatz ging um 14 Prozent zurück, und der Betriebsgewinn brach um 70 Prozent ein. Der Aktienkurs der Swatch Group ist auf Talfahrt: Seit Jahresbeginn verloren die Titel mehr als 20 Prozent an Wert, in der laufenden Woche ging es um fast fünf Prozent nach unten. Ähnlich verhielt es sich auch bei Richemont: Nach Bekanntgabe des gesunkenen Einkaufsmanagerindex für die chinesischen Dienstleister am Mittwoch brachen die Aktien des Luxusgüterkonzerns um fast sechs Prozent ein. Der Kurs erholte sich aber schon am nächsten Tag wieder. Der negative Einfluss Chinas auf die Ergebnisse von Richemont wurde teilweise durch verbesserte Geschäfte in Japan ausgeglichen. Dort profitierten Kunden vom schwachen Yen.

Schwacher Sekundärmarkt

Die Abschwächung der Branche kommt nicht völlig unerwartet, wohl aber ihr Umfang und ihre Tragweite. CEOs wiesen schon mit Jahresende 2023 auf eine deutliche Verlangsamung der Nachfrage hin. Jean-Christophe Babin, CEO des Juweliers Bulgari, deutete im Gespräch mit Bloomberg an, dass die Krise in China noch mehrere Monate andauern wird. Doch da Bulgari auch auf dem weniger volatilen Markt für Damenuhren präsent ist und die Marke den Großteil ihrer Gehäuse, Zifferblätter und Uhrwerke selbst herstellt, sei es dem Unternehmen möglich, die Produktion flexibel anzupassen, so Babin. Auch die Schwäche auf dem Sekundärmarkt hält an. Nach einem rasanten Aufstieg sind die Preise dort aktuell so niedrig wie seit zwei Jahren nicht mehr. Sie liegen rund drei Prozent unter dem Vorjahresniveau. Den stärksten Wertverlust gab es im Februar 2023, als der Sekundärmarkt um fast 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahrszeitraum, also Februar 2022, abnahm. Zahlreiche Uhren haben seither deutlich an Wert verloren: vor allem die beliebten Modelle Rolex Daytona oder Nautilus von Patek Philippe. Laut dem jüngsten Bericht von Watchcharts und Morgan Stanley werden heute nur noch 63 Prozent der Rolex-Modelle auf dem Sekundärmarkt über dem Einzelhandelspreis gehandelt, im Vergleich zu 72 Prozent vor einem Jahr. Die Preise für gebrauchte Uhren des Luxuskonzerns LVMH, zu dem Tag Heuer und Hublot gehören, fielen mit einem Minus von 3,6 Prozent im zweiten Quartal am stärksten. Der Index der gebrauchten Rolex-Modelle fiel um 2,2 Prozent. „Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Preise auf dem Sekundärmarkt in naher Zukunft stabilisieren werden“, schrieben die Analysten von Morgan Stanley und verwiesen auf den Rückzug der Spekulanten und die sich verschlechternde Wertbeständigkeit vieler Schweizer Uhren. Morgan Stanley geht davon aus, dass die Uhrenverkäufe auf dem Primärmarkt in diesem Jahr um etwa fünf Prozent zurückgehen werden.

Die Presse; Freitag, 6. September 2024 von Susanne Bickel

Weitere interessante Artikel