Der „Golden Circle“ - Wofür steht dein Unternehmen
Das „Golden Circle“-Modell stellt die wichtigsten Parameter des Unternehmens sehr einfach und übersichtlich dar.
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Das Modell des „Golden Circle“ zeigt auf sehr einfache und anschauliche Weise die wichtigsten Stellschrauben Ihres Unternehmens (vgl. Sinek 2009). Das Herz Ihrer „Unternehmensmaschine“ ist die Frage nach dem Warum. Die Antwort auf diese Frage bildet das Kerngerüst für die Ausrichtung eines Unternehmens und ist Voraussetzung für die Fragen nach den Verfahren (Wie?) und den Produkten (Was?).
Das Warum fragt nach Motiven, Motivationen und Grundsätzen, nach Werte und Sinn. Daher ist es im Wesentlichen eine emotionale Angelegenheit. Es ist nicht zu verwechseln mit „Ertrag steigern“ oder „Marktanteile gewinnen“ - das sind lediglich Resultate. Bei der Frage nach dem Warum geht es um das Selbstverständnis, um den Urgrund des Unternehmens. Um das, was Ihr Unternehmen grundsätzlich antreibt.
Ist die Antwort auf diese Frage klar, bildet sich eine starke Unternehmenskultur heraus – ohne die auch die besten Ziele nicht erreicht werden können. Nach außen formt das Warum dementsprechend die Botschaft Ihres Unternehmens, etwa an Kundinnen und Kunden oder Partnerinnen und Partner. Das ist es, was die eigentliche Faszination Ihrer Unternehmung ausmacht – und was in vernetzten und unsicheren Zeiten immer wichtiger wird.
Symptome der digitalen Verblendung
Die Digitalisierung ist nicht nur eine Erfolgsgeschichte, sondern auch eine Geschichte der Missverständnisse darüber, was sie für Unternehmen bedeutet und leisten kann. Diese Missverständnisse engen die Chancen von Unternehmen ein, anstatt sie zu erweitern, und sollten deshalb beim Thema digitale Transformation tunlichst vermieden werden. Insbesondere wenn digitale Tools mit einer neuen Selbstverständlichkeit in Gebrauch genommen werden, wie es seit der Umstellung auf Remote Work der Fall ist, darf die strategische Nutzung keine Irrwege einschlagen. Es gilt also, sich gegen die Symptome der „digitalen Verblendung“ zu immunisieren (vgl. Zukunftsinstitut 2016). Diese lassen sich in fünf zentralen Punkten zusammenfassen:
1. Ängste und Hypes.
Ein bestimmendes Motiv vieler Unternehmerinnen und Unternehmer beim Umgang mit dem digitalen Wandel ist die Angst: Angst vor „Disruption“, Angst davor, dass das eigene Geschäftsmodell durch ein innovatives digitales Businessmodell des Mitbewerbers plötzlich obsolet sein könnte. Man will nicht wie Kodak oder Nokia enden – Synonyme dafür, wie man den digitalen Wandel schlichtweg verschläft. Seit dem Ausbruch der Coronakrise hat diese Angst eine neue Dimension eingenommen. Ein Verschlafen war geradezu fatal, eine Anpassung überlebenswichtig. In einer akuten Krise können aus der Angst heraus punktuelle Notlösungen entstehen. Aber: Angst verengt die Zukunft und ist auf lange Sicht kein guter Ratgeber für Unternehmerinnen und Unternehmer. Gleiches gilt für den Hype, die bedingungslose
Begeisterung für den digitalen Wandel, was ebenfalls ein Phänomen unserer Zeit geworden ist. Wir trauen digitalen Technologien (fast) alles zu, bis hin zu transhumanistischen Visionen um eine technologische „Singularität“, die die menschliche Intelligenz übersteigt und uns Unsterblichkeit verspricht. Wirres Zeug, das uns aber offenbar trotzdem fasziniert. Wer dem digitalen Hype unkritisch und distanzlos verfällt, reduziert die Zukunftschancen seines Unternehmens. Spätestens jetzt, nach der akuten Krise, müssen Ängste und Hypes wieder in den Hintergrund treten, um Platz zu machen für langfristige Strategien.
2. Abwarten und ignorieren.
Der technologische und strukturelle Wandel in der Wirtschaftswelt ist unaufhaltsam – und konstituierend für unser Wirtschaftssystem. Der Prozess der „schöpferischen Zerstörung“ (Schumpeter) bringt Innovation und wirtschaftlich-technischen Fortschritt, die Komplexität von wirtschaftlichen und technischen Systemen steigt kontinuierlich an. Wer sich aus diesem Prozess ausklinken will, hat entweder ein solitäres, von den Zeitläufen unabhängiges Produkt – oder ein
Problem. Denn es gibt praktisch keine Branche, die nicht von der Veränderung ihres Umfeldes durch den digitalen Wandel betroffen ist. Beim digitalen Wandel gibt es kein Zurück, und das Abwarten und Ignorieren wird keine Erlösung bringen. Unternehmen werden unausweichlich weiter mit dem digitalen Wandel konfrontiert sein.
3. Transformation = Technologie.
Viele Unternehmende begreifen und behandeln Digitalisierung ausschließlich als technische Frage: „Haben wir die richtige Plattform, die richtige App, die richtige Businesssoftware?“ Die eigentlich entscheidende Frage lautet aber: richtig wofür? Digitalisierung ist nicht primär eine Frage der Technologie. Vielmehr geht es darum, den Unternehmenszweck in einem sich laufen verändernden Umfeld zu realisieren – anders, besser, intelligenter, wirksamer. Das ist zuallererst eine Frage des Mindsets. Beispiele von Unternehmen, die ihre Kernkompetenz grundlegend verändern, sind auch im Zeitalter der Digitalisierung eher die Ausnahme. Die Regel bleibt, dass sich Unternehmen entlang ihres Zwecks und ihrer Märkte weiterentwickeln. Dafür sind digitale Technologien instrumentell nötig – aber nicht gleichzusetzen mit dem Unternehmenszweck und seiner Entwicklung.
4. Elite statt Breite.
Solange nur eine kleine, „smarte“ und elitäre Gruppe innerhalb eines Unternehmens digitalen Wandel forciert, hat das vor allem einen Effekt: Die Angst im Rest des Unternehmens vor nicht mehr gestaltbarer oder verkraftbarer Veränderung wächst und wächst. Die digitale Transformation kleinen, funktionalen Eliten zu überlassen, bedeutet, dass der für den Wandel notwendige Wissenstransfer in den Kern der Unternehmensorganisation nicht oder nicht ausreichend stattfindet. Agilitätsrhetorik verstärkt dann nur die unternehmensinternen Angstzentren. Sie schafft Blockaden und erschwert damit die Transformation nur noch weiter. Während die „Digital Smartasses“ immer auf der sicheren Seite sind, produzieren ihre Projekte massenweise digitale Verlierer. So wird der digitale Wandel im Endeffekt zum großen Verlustgeschäft. Auch die Coronakrise hat klargemacht, dass Digitalisierung keinesfalls nur die digitale Elite betrifft, sondern jedes einzelne Individuum.
5. Virtuell versus real.
„Unsere realen Produkte gibt es weiter, aber zusätzlich stellen wir unseren Kundinnen und Kunden auch digitale Produkte zur Verfügung." Sätze wie diesen hört man in Unternehmen immer wieder. Dahinter steht ebenfalls ein grundlegendes Missverständnis hinsichtlich der Veränderung unseres Umfeldes durch die Digitalisierung. Die Differenzierung in „virtuell“ und „real“ ist längst obsolet, digitale und reale Welt durchdringen einander. Die Welt, in der wir heute und künftig leben, arbeiten und wirtschaften, ist real-digital. Alles fließt zusammen und muss daher auch integriert betrachtet und betrieben werden. Digitalisierung ist ein Durchdringungsprozess – kein additives Verfahren.