Sparte Industrie

Fachkräftemangel als Wachstumsbremse

Lesedauer: 3 Minuten

13.03.2023

Seit längerer Zeit weist die Bundessparte Industrie in der Öffentlichkeit und im Kontakt mit politischen Entscheidungsträgern nachdrücklich darauf hin, dass in Österreich ein genereller Mangel an Fachkräften für die Industrie besteht. Berichte aus Unternehmen zeigen, dass sich dieser Fachkräftemangel immer mehr zuspitzt.

Der Fachkräftemangel besteht insbesondere bei Personen mit technischen Ausbildungen unterschiedlicher Qualifikation: Unternehmen suchen Facharbeiter ebenso wie Absolventen verschiedener HTL-Fachrichtungen, technischer Studien an Fachhochschulen und Universitäten und postgradualer Ausbildungen. Mitunter müssen Betriebe auf Erweiterungen verzichten, da der Engpass bei qualifizierten Mitarbeitern solche – von der Nachfrage her gebotenen – Schritte nicht mehr zulässt. Und es werden solche Engpässe auch zu einem mitentscheidenden Faktor bei einer Entscheidung, Investitionen nicht in Österreich zu tätigen.

Die österreichische Industrie leistet viel, um dem Fachkräftemangel abzuhelfen: Die Industrielehre ist zu einem Markenzeichen geworden, und – erfreulicher Weise – konnte trotz schwieriger Umstände die Zahl der Lehranfänger im Jahr 2021 wieder leicht erhöht werden. Viele Unternehmen arbeiten gut mit Schulen zusammen und können die Industrielehre als zukunftssicheren Ausbildungsweg präsentieren, oder aber mit berufsorientierten Oberstufenklassen konkrete Projekte abwickeln. Eine wachsende Zahl an Unternehmen bietet Lehrlingen die Möglichkeit, die Lehre mit einer Matura zu verbinden. Aus der Zusammenarbeit mit Universitätsinstituten oder einzelnen Studenten ergibt sich oft ein Zugang zu hervorragendem Fachkräftenachwuchs. All diese Schritte sind wichtig, und ich kann nur an alle Unternehmen appellieren, nach besten Kräften mitzuwirken, das Potenzial künftiger Fachkräfte durch entsprechendes Engagement in der Ausbildungsphase zu erweitern.

Die Industrie sieht mit wachsendem Unbehagen, dass – trotz schulischer Dauerreformen – drei wesentliche Baustellen der Schulausbildung nicht behoben werden: Erstens bringt eine erschreckend große Zahl an Schülerinnen und Schülern nach neun Schuljahren hinsichtlich Lesen, Schreiben und Rechnen nicht jene grundlegenden Fähigkeiten mit, die für eine erfolgreiche Industrielehre ausreichen. Das führt zu Frustration in den Unternehmen. Erschreckender noch ist aber der Umstand, dass damit einer großen Zahl an Jugendlichen die Möglichkeit einer attraktiven beruflichen Zukunft verbaut ist. Das muss besser gehen. Zweitens gibt es im Schulsystem ein selbstzweckhaftes Interesse, Schüler möglichst lange in der Schule zu halten: Dass der Ausbildungsweg über die Lehre für viele Schüler der persönlich bessere (und vielfach – in langfristiger Betrachtung - auch finanziell interessantere) wäre, tritt gegenüber dem institutionellen Interesse des Schulsystems zurück. Das ist nicht in Ordnung. Drittens bleibt an das Schulsystem die große Anfrage, wieso aus „technikverspielten“ Kindern und „technikfaszinierten“ Jugendlichen nach der Schulzeit so wenig Interessenten verbleiben, bei denen aus dem spielerischen Umgang mit und der Faszination von Technik auch eine entsprechende Berufs- beziehungsweise Ausbildungsentscheidung erfolgt.

Angesichts des dramatischen Mangels an Arbeitskräften, müssen alle Stellschrauben bewegt werden. Neben der geschilderten Ausbildungsthematik ist dies vor allem die Bindung von (angelernten) Fachkräften an die Unternehmen in Krisenzeiten, was über das europaweit beispielgebende Modell der Kurzarbeit erfolgt. Gerade unter dem Gesichtspunkt der Bewahrung von Kompetenz und Fachkenntnissen tritt die Bundessparte Industrie dafür ein, dass das Kurzarbeitsmodell aus einem reinen Kriseninstrument in ein Dauermodell überführt wird. Eine weitere Stellschraube ist die Neu- bzw. Umqualifikation von Arbeitskräften, die aufgrund struktureller Änderungen am Arbeitsmarkt – nicht zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie - mit ihren gegenwärtigen Qualifikationen wenig Chancen haben. Von einer wachsenden Zahl an Unternehmen werden auch Initiativen gesetzt, Mitarbeiter länger im Berufsleben zu halten. Schließlich ist die gezielte Rekrutierung von Arbeitskräften im Ausland auch eine Möglichkeit, die Mangelsituation zu beheben. Hier gilt es, die Rot-Weiß-Rot-Card attraktiver, einfacher und praxistauglicher zu gestalten.

All diese Ansätze werden umso erfolgreicher sein, wenn die staatliche Arbeitsmarktpolitik entsprechend konsequent und zielorientiert agiert. Gegenwärtig werden von Arbeitsminister Martin Kocher Überlegungen zur Arbeitsmarktreform ausgearbeitet. Wichtig ist, dass man dabei nicht bei Details – Zumutbarkeitsregeln oder Zuverdienstgrenzen – hängen bleibt, sondern das große Ziel vor Augen hat: In einem Land, in dem in absehbarer Zukunft die quantitative Zahl der Arbeitskräfte aus demografischen Gründen sinken wird und ein wachsendes Qualifikationsproblem besteht, muss Arbeitsmarktpolitik den Anspruch haben, Engpässe am Arbeitsmarkt möglichst zu vermeiden und damit die „Wachstumsbremse Fachkräftemangel“ zu lösen.

Unterschrift
©

Mag. Sigi Menz
Obmann der Bundessparte Industrie

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