Luftaufnahme der Altstadt mit dem zentralen Platz in Tallin, Estland. Weiße Häuser mit roten Dächern unter blauem Himmel und einigen Wolken. Über das Bild wurde ein weißes Austria A gelegt.
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Estland: Recht, Steuern, Investitionen

Von Entsendung bis Firmengründung: Lokales Fachwissen – unbürokratisch und verlässlich

Lesedauer: 5 Minuten

Beratung in Rechtsfragen

Andere Länder, andere Regeln: Bei Export, Import und Firmengründung müssen lokale Gesetze beachtet werden. Damit Sie nicht in teure Verfahren verwickelt werden, gilt: Besser vorher abklären, was die Spielregeln sind.

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Arbeitsrecht und Entsendung 

Bei Mitarbeiterentsendungen nach Estland müssen die Mitarbeiter (sowohl Bürger aus EU-Mitgliedstaaten als auch aus Drittländern) bei der estnischen Arbeitsinspektion angemeldet werden. Die Formulare müssen bei allen Entsendungen – auch bei eintägigen Berufstätigkeiten – eingereicht und vor dem Arbeitsbeginn der entsendeten Mitarbeiter an die Arbeitsinspektion geschickt werden.

Bei Nichteinhaltung der Meldepflicht für nach Estland entsandte Arbeitnehmer ist die Arbeitsinspektion berechtigt, hohe Geldstrafen bis zu 32.000 Euro zu verhängen.

Bei Aufforderung der Arbeitsinspektion ist das entsendende Unternehmen verpflichtet, bestimmte Unterlagen vorzulegen (z.B. Arbeitsvertrag) und die Arbeitsinspektion hat das Recht, bei Bedarf die Übersetzung der Unterlagen in die estnische Sprache anzufordern.

Für die nach Estland entsendeten Mitarbeiter gelten folgende estnische Arbeitsbedingungen. Generell liegt die gesetzliche Arbeitszeit in Estland bei 40 Stunden aufgeteilt auf 5 Tage pro Woche und der Urlaubsanspruch beträgt 28 Kalendertage.

Für vorübergehende Arbeiten müssen die EU-Mitarbeiter im Steueramt nicht registriert werden und in Estland keine Lohn- bzw. Einkommensteuer zahlen.

Die entsendeten Mitarbeiter müssen das A1 Formular, das ihre Sozialversicherung im EU-Heimatstaat bestätigt, im Original mitnehmen. Dies gilt jedoch nicht für Dienstreisen (workers on a business trip).

Wenn einzelne Mitarbeiter länger als 3 Monate in Estland bleiben, müssten sie im estnischen Wohnregister registriert werden. 

Wenn technische Anlagen installiert bzw. montiert werden, muss das estnische Verbraucherschutz- und technische Überwachungsamt vom entsendenden Unternehmen oder vom Kunden in Estland vor dem Arbeitsbeginn darüber informiert werden. Verpflichtende Angaben sind Art, Ort, Zeitpunkt und Dauer der geplanten Arbeiten, daneben können z.B. Zertifizierungen mitgeschickt werden. 

Steuerliche Rahmenbedingungen 

Zu den staatlichen Steuern zählen vor allem die Einkommens- und die Umsatzsteuer. Das Steuersystem ist übersichtlich und unternehmerfreundlich, was Estland Platz 1 im International Tax Competitiveness Index 2022 gebracht hat.

Der Standard-Mehrwertsteuersatz beträgt 20%; der ermäßigte MwSt.-Satz von 9% ist eher selten, z.B. für Bücher. 

Die Einkommensteuer für Personen ist mit einer Flat Tax von 20% unkompliziert.
Die Mehrheit der Estinnen und Esten geben ihre persönlichen Einkommensteuererklärungen elektronisch ab. Für Unternehmen ist steuerlich interessant, dass es keine Körperschaftssteuer im österreichischen Sinn gibt: die pauschale Einkommensteuer von 20% wird nur auf ausgeschüttete Gewinne angewandt. Reinvestierte bzw. im Unternehmen thesaurierte Gewinne sind dagegen nicht steuerpflichtig. 

Ein reduzierter Steuersatz (14/86) gilt für regelmäßige Auszahlungen von Dividenden. Bei der 14/86 Auszahlung an natürliche Personen beträgt der zusätzliche Quellensteuersatz 7%.

Immer mehr estnische Unternehmen werden von sogenannten e-Residents gegründet, da auch ihnen damit alle umfassenden staatlichen e-Services zugänglich sind. Dabei ist zu beachten, dass die reine E-Residency keinen Einfluss auf die ausländische oder estnische Besteuerung hat. Wenn eine solche estnische Firma Dividenden an einen e-Resident ohne Wohnsitz in Estland auszahlt, muss die Firma die Körperschaftssteuer in Estland zahlen, aber die persönliche Einkommensteuer für die Privatperson als Inhaber der Firma wird in dem Land, wo er tatsächlich wohnt und tätig ist, gezahlt. 

Binnenmarkt

Aus steuerlicher Sicht sind bei Handelsgeschäften innerhalb der EU die Bestimmungen zur Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) sowie für verbrauchsteuerpflichtige Produkte zu beachten.

Doppelbesteuerungsabkommen

Österreich hat mit zahlreichen Staaten Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Diese verhindern eine doppelte Besteuerung bei grenzüberschreitenden Aktivitäten. Das Bundesministerium für Finanzen stellt wichtige Informationen sowie eine Liste aller österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen zur Verfügung. 

Firmengründung und Investition 

Eine Firmengründung in Estland verläuft weitgehend unbürokratisch. Nur für wenige Branchen gibt es spezielle Erfordernisse zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit (Lizenzierungspflicht, gewerberechtliche Nachweise).   

Das Handelsgesetzbuch aus 1995 regelt den Ablauf und bildet die gesetzliche Basis für das Handelsregister. Alle Unternehmen müssen als eine der AG, GmbH, KG oder OHG entsprechenden Rechtsform (AS, OÜ, TÜ, UÜ) beziehungsweise als Einzelunternehmen organisiert sein. Die OÜ (entspricht unserer GmbH) ist der meistverbreitete Unternehmenstyp.

Es besteht ein einheitliches Handelsregister, in dem sich alle Gesellschaften als notwendigen Gründungsschritt eintragen lassen müssen. Nötig dafür sind einerseits die Angabe der Firma und des korrekten Rechtsformzusatzes. Es ist bei allen Gesellschaftsformen ein Gesellschaftsvertrag erforderlich und im Falle der OÜ (GmbH) und der AS (AG) ist auch ein Mindestkapital einzuzahlen, welches aus Bar- und Sacheinlagen bestehen kann. Bei einer OÜ beträgt das Mindestkapital 2.500 Euro, das jedoch erst bei einer Entnahme von Dividenden einbezahlt sein muss. Das Mindestkapital bei einer AS ist 25.000 Euro.

Eine Firma kann man schnell und problemlos elektronisch gründen sowie die Staatsgebühren begleichen – soweit eine estnische ID-Karte vorliegt. Diese können auch Ausländer, die nicht in Estland wohnen, mittels estnischer e-residency beantragen und damit eine Firma auch vom Ausland aus gründen und leiten. Sogar Notardienstleistungen stehen inzwischen online zur Verfügung.

Für ausländische Unternehmen besteht darüber hinaus die Möglichkeit, lediglich eine nicht rechtsfähige Zweigniederlassung in Estland zu errichten. Voraussetzung dafür ist die Eintragung im Handelsregister und die Einhaltung besonderer Buchhaltungsvorschriften. Das ausländische Unternehmen hat vor allem eine getrennte Buchhaltung für seine Zweigniederlassung zu führen und dem estnischen Handelsregister den diesbezüglichen Jahresabschluss zu übergeben.

Vertretungsvergabe

In Estland existiert kein mit Österreich oder Deutschland vergleichbares Netz von selbständigen Handelsvertretern. Ein Handelsvertretergesetz existiert in Estland nicht. Die Tätigkeiten eines im fremden Namen und auf fremde Rechnung tätigen Handelsagenten werden in §§ 670 ff des Schuldrechtsgesetzes geregelt.

Handelsvertreter können sowohl natürliche als auch juristische Personen sein. Sie sind damit betraut, gegen Provision Verträge für das vertretene Unternehmen zu schließen. Die Dispositionsfreiheit beim Abschluss eines Handelsvertretervertrages ist in Estland groß, das Beenden eines Handelsvertretervertrages unterliegt aber ähnlichen unabdingbaren Bestimmungen wie in Österreich. Außerdem sollte beachtet werden, dass die Beauftragung eines Handelsvertreters steuerrechtlich unter Umständen dem Begründen einer Betriebsstätte in Estland gleichgestellt werden kann. Deshalb ist auf eine genaue Ausarbeitung des Vertragstextes zu achten.

In den meisten Fällen wird in Estland nur ein Vertreter für ein Produkt eingesetzt, weil der Markt für eine regionale Aufteilung zu klein ist. Es sollte unbedingt vermieden werden, ohne Wissen des Vertreters weitere Vertreter einzusetzen.

Vor dem Abschluss eines Vertretungsvertrags ist es jedenfalls ratsam, eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt für die Formulierung des Vertrags heranzuziehen.

Abgesehen vom Handelsvertreter können auch Arbeitnehmer des Unternehmens oder Vertragshändler in Estland eingesetzt werden. Im Unterschied zum Handelsagenten wird der Arbeitnehmer nicht selbstständig tätig und unterliegt den arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Die gängigste Vertriebsform in Estland ist der Vertragshändler bzw. Importeur, mit dem völlige Vertragsfreiheit besteht. 

Stand: 07.02.2023