Wirtschaftslandesrat Marco Tittler im Gespräch mit
© Bernd Hofmeister

„Wir haben die attraktivste Wohnbauförderung Österreichs“

Landesrat Marco Tittler im Gespräch mit „Die Wirtschaft“ über das aktuelle Wohnpaket der Landesregierung, die Forcierung des geförderten Wohnbaus und die Erhöhung des Angebotes an Wohnraum in Vorarlberg.

Lesedauer: 4 Minuten

Aktualisiert am 07.03.2024

Die Baubranche steckt in Schwierigkeiten. Das Land Vorarlberg hat mit einem Wohnpaket auf diese Situation reagiert. Was sind die zentralen Überlegungen dieser Maßnahmen?

Investitionen in die Baubranche haben starke Multiplikatoreffekte auf die Gesamtwirtschaft. Mit den konjunkturellen Effekten einher gehen entsprechende Beschäftigungseffekte. Nicht zuletzt hat die Baubranche auch eine hohe soziale und ökologische Bedeutung, neben Wohnraum werden über Straßen oder öffentliche Infrastruktur wie Schulen oder Krankenhäuser wichtige Grundlagen für eine funktionierende Gesellschaft geschaffen. Investitionen in die Baubranche reichen weiter über ihre direkte Wertschöpfung hinaus, weshalb eine Unterstützung in diesem Bereich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten besonders sinnvoll ist.  

Die Wohnbauförderung neu ist ein zentrales Element dieser Maßnahmen. Sie wurde grundlegend überarbeitet. Wie zufrieden sind Sie mit der aktuellen Ausgestaltung der Wohnbauförderung?

Wir können hier ohne Übertreibung sagen, dass wir derzeit die attraktivste Wohnbauförderung Österreichs haben. Ein Kredit mit einem Zinssatz von 1,25 Prozent fix auf 35 Jahre – dieses Angebot sucht seinesgleichen. Zum Vergleich bietet der Bund zukünftig laut den vorliegenden Überlegungen den Ländern Unterstützung an, damit sie die Darlehen auf 1,5 Prozent stützen können. Schon daran zeigt sich, wie attraktiv diese Konditionen sind. Die Baubranche hat die Wohnbauförderung wieder in ihre „Verkauf- und Marketingkampagnen“ aufgenommen. Das zeigt, dass die Landesförderung in diesen Zeiten ein wichtiger Baustein ist. Auf Kundenseite zeigt sich das hohe Interesse an der gestiegenen Zahl an Anfragen und Beratungen.  

Von welchen Neuerungen profitieren die bau- bzw. kaufwilligen Bürgerinnen und Bürger?

Neben dem günstigen Zinssatz wurde auch die Förderhöhe deutlich angepasst. Neben den erhöhten Basisförderungssätzen werden auch soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt. Der Kinderzuschlag wurde auf 15.000 Euro pro Kind erhöht und es wurde ein Bonus von 20.000 Euro für den erstmaligen Eigentumserwerb eingeführt. Dadurch erhält beispielsweise ein Ehepaar mit zwei Kinder und einem Haushaltseinkommen von 4.760 Euro netto beim Kauf eines Doppel- oder Reihenhauses mit einer Wohnnutzfläche 128 m² bei entsprechender Ausführung heute in Vorarlberg bereits ca. 200.000 Euro. Zwei Erwachsene mit dem gleichen Einkommen erhalten beim Kauf einer 78 m² Wohnung in guter ökologischer Ausführung und bei der Verwendung regionaler Materialien ca. 170.000 Euro. Auch bei den Einkommensgrenzen wurde der aktuellen Situation Rechnung getragen, diese wurden um zehn Prozent angehoben. Für den Neubau sind 2024 Ausgaben von fast 96 Millionen Euro vorgesehen 

Die neue Wohnbauförderung leistet also ihren Beitrag, aber das Thema Immobilienkredite ist weiter ungelöst. Was muss in diesem Bereich passieren?

Die KIM-Verordnung macht es insbesondere für viele junge Menschen und Familien äußerst schwierig, einen Kredit für einen Hausbau oder einen Wohnungskauf zu erhalten. Dabei ist klar, dass die Verordnung für eine völlig andere Finanzmarktsituation konzipiert wurde. Ebenso beinhaltet sie aus meiner Sicht einen grundlegenden Fehler, indem sie auch selbst bewohnten Wohnraum umfasst. Dieser dient jedoch niemals der Spekulation und gehört jedenfalls sofort ausgenommen, ebenso wie auch Sanierungen. Insgesamt gehört das Regelwerk dringend überarbeitet und an die aktuellen Rahmenbedingungen angepasst. Es ist schon eine etwas seltsam anmutende Situation, wenn Bund und Länder sich um bezahlbaren Wohnraum bemühen - gleichzeitig diese Bemühungen von einer Behörde konterkariert werden.  

Wie geht es mit dem Vorarlberger Bodenfonds zur Sicherung von Grundstücken für leistbaren Wohnraum weiter?

Die Gründung ist erfolgt. Geplant ist, dass der Bodenfonds mit drei bis vier Pilotprojekten startet, hier sind wir in guten Gesprächen und ich bin zuversichtlich, dass wir hier bald ein erstes Projekt vorstellen können. Wichtig ist hier, dass die Entwicklung von möglichen Projekten von Beginn an in enger Absprache mit den Gemeinden erfolgen, denn die Gemeinden sind als Bau- und Widmungsbehörde ein wesentlicher Akteur und wichtiger Partner bei der Schaffung und der Vergabe von Wohnraum. Neben der Widmung selbst ist insbesondere die Baunutzungszahl eine wichtige Vorgabe auf Gemeindeebene und ein Schlüssel zu günstigeren Miet- und Verkaufspreisen.  

Vizekanzler Werner Kogler fordert eine österreichweite Reduktion des Flächenverbrauchs auf netto 2,5 Hektar pro Tag bis 2030. Er kritisiert dabei auch die Länder. Wie sehen Sie das als zuständiger Landesrat?

Der sorgsame Umgang mit Grund und Boden ist seit vielen Jahren ein Grundprinzip der Vorarlberger Raumplanungspolitik. So werden Freiräume beispielsweise bereits seit den 1970er Jahren landesweit per Verordnung geschützt. Raumplanung bedeutet aber auch immer Interessensausgleich und sinnvolle Abwägung. Ebenso ist Raumplanung auch immer Gestaltung. Dies wäre mit so einem Ziel nicht möglich. Es würde bedeuten, dass wenn z.B. in Niederösterreich Verkehrsflächen geschaffen werden, in Vorarlberg dafür weniger Kindergärten und Wohnungen gebaut werden dürfen oder eine Gemeinde, die für einen Kindergarten oder eine Schule eine Widmung vornimmt, unter Umständen jahrelang keinen Wohnraum schaffen darf. Dieser Vorschlag ist nicht zu Ende gedacht. Das liegt möglicherweise auch daran, dass Raumplanung keine Kompetenz des Bundes ist und deshalb keine Erfahrung damit vorliegt. Unseren schonenden Umgang und die sorgsame Raumplanungspolitik weiter zu verfolgen und dabei die richtige Balance zu halten, ist eine Herausforderung, der wir uns als Land Vorarlberg stellen und diese Verantwortung werden wir als Land gemeinsam mit den Gemeinden – als die zwei kompetenzrechtlich zuständigen Stellen – auch in Zukunft wahrnehmen.  

Vielen Dank für das Gespräch!