Miriam Höller
© Matthias Rhomberg

„Es gibt noch viel zu wenig Mutmacher da draußen“

Mutmacherin. Miriam Höller wurde als Stuntfrau und Model bekannt. 2016 zertrümmerte sich bei einem Stunt beide Füße, sechs Wochen später verunglückte ihr Lebensgefährte bei einem Helikopterabsturz tödlich. Die Keynote-Speakerin erklärt, wie es gelingen kann, „kraftvoller und stärker“ aus schweren Krisen hervorzugehen und warum wir mehr Mutmacher brauchen. Am 4. Oktober kommt sie nach Vorarlberg.

Lesedauer: 6 Minuten

Aktualisiert am 17.11.2023

Frau Höller, Sie waren über zehn Jahre Stuntfrau. Welche Qualitäten aus dieser Profession sind auch heute in Ihrem Berufsalltag hilfreich?
Vieles von dem, was ich während meiner Zeit als Stuntfrau gelernt habe, setze ich auch heute als Keynote-Speakerin ein. Früher stand ich vor einem großen Publikum und beeindruckte sie, indem ich mich von Kopf bis Fuß in Flammen setzte, von Autos angefahren wurde oder vor Explosionen davon sprang. Heute spreche ich zu den Menschen. Das Stehen auf der Bühne und das Berühren der Herzen der Zuschauer, sei es durch Tanz, Musik, Schauspiel, Stunts oder Worte, ist eine Form der Kunst. Wir Künstler tragen eine große Verantwortung, denn die Zuschauer schenken uns ihre Zeit und Aufmerksamkeit. Mir ist diese Verantwortung heute mehr denn je bewusst. Denn vor 15 Jahren, als ich noch in der Stuntbranche tätig war, konnten wir leichter agieren, da die Menschen weniger Sorgen hatten. Heutzutage suchen die Menschen bewusst nach Möglichkeiten, dem Alltag zu entfliehen und schöne Erlebnisse zu genießen. In meinen Vorträgen suchen die Menschen nach Orientierung, Halt und Lösungen für ihre eigenen Herausforderungen.

Mit dem Jahr 2016, in dem sie gleich zwei große Krisen erlebten, begann auch eine große Veränderung...
Obwohl sich meine Arbeit geändert hat, ist meine Motivation nach wie vor dieselbe: Menschen zu inspirieren und zu ermutigen. In meiner Ausbildung als Stuntfrau habe ich von Anfang an gelernt, wie ich richtig mit meinen Ängsten umgehe. Ängste sind zwar hilfreich, um aufmerksam auf gefährliche Situationen zu schauen, aber sie können uns auch daran hindern, wichtige Entscheidungen zu treffen. Wenn wir immer ängstlich in unserer Komfortzone verharren, ständig die Verantwortung abgeben, warten wir auf Hilfe oder Verbesserung und verpassen die Gelegenheit, wertvolle Erfahrungen zu sammeln und uns darüber selbst und unsere Grenzen kennenzulernen. Ich entscheide mich bis heute gerne dazu, die mutigen Schritte zu wagen. Dieser Mut ist wahrscheinlich einer der Schlüssel zu meinem Erfolg.
Ich habe mich oft dabei überrascht, welche Leistungen ich erbringen kann. Dieses Selbstvertrauen ist die Grundlage dafür, dass ich, egal in welch scheinbar auswegloser Situation ich mich befinde, weiß, dass ich einen Ausweg finde, wenn ich wirklich will und den Mut dazu habe. In meinem Stuntberuf, in dem wir mit hohen Risiken umgehen mussten, ist das Vertrauen im Team von entscheidender Bedeutung. Ich habe erkannt, dass wir Krisen besser bewältigen können, wenn wir ein starkes Team haben. Obwohl es schön sein kann, viele Dinge alleine zu bewältigen, ist es doch erfüllender, Herausforderungen gemeinsam zu meistern.

Ist Ihre persönliche Geschichte auch eine Kraftquelle?
Ja, ich erhalte oft diese Rückmeldungen von Menschen, die an meinen Vorträgen teilgenommen haben. Schon damals, als ich im Rollstuhl saß, habe ich mich entschlossen, mich zurück ins Leben zu kämpfen. Ich hatte keinen klaren Plan, wie ich das erreichen würde, aber ich wusste, dass ich eines Tages wieder sagen wollte, dass ich das Leben liebe und genießen kann. Es gab viele Momente des Zweifels, da dieser Tag lange Zeit nicht in Sicht war. Dennoch habe ich weitergemacht, weil es mir wichtig war, mir selbst zu beweisen, wozu ich fähig bin. Immer wieder habe ich mich gefragt: Wie wird mein Leben aussehen, wenn ich nicht aufgebe? Diese Neugier hat mich immer wieder angetrieben.
Heute weiß ich, wie schwer es sein kann, sich aus echten Krisen herauszukämpfen, und ich kenne die Strategien dafür. Diese teile ich in meinen Vorträgen. Ich glaube, dass meine Lebensgeschichte nicht besonders ist. Früher oder später werden wir alle mit Herausforderungen konfrontiert, und in solchen Momenten verstehen wir den Schmerz und das Leid, durch die andere Menschen bereits gegangen sind, besser. Dies bringt uns näher zusammen. Es gibt noch viel zu wenig Mutmacher da draußen. Wenn mehr Menschen ihre Erfahrungen und ihr Wissen aus den schwierigsten Zeiten ihres Lebens teilen würden, könnten sie vielen anderen Menschen helfen.

Sie erleben persönliche Schicksalsschläge also auch als Basis für persönliches Wachstum?
Es liegt an uns, wie wir auf das schauen, was uns zugestoßen ist. Unzählige Lebensgeschichten beweisen, dass wir für den Verlauf unseres Lebens und auch unsere mentale und körperliche Gesundheit verantwortlich sind. Es liegt an uns, ob wir in der Opferrolle verweilen, schmerzhafte Dinge wie Ballast in unserem Lebensrucksack mit uns tragen oder ob wir es schaffen, für diese Dinge Verantwortung zu übernehmen, die Schönheit in ihnen zu entdecken und somit kraftvoller und stärker aus ihnen hervorzugehen. Ich habe erstaunliche Menschen kennenlernen dürfen, die das umsetzen. Einen Querschnittsgelähmten, der heute als erfolgreiche Therapeut frisch Verunglückten den Umgang mit dem Rollstuhl beibringt. Eine Ärztin, die heute an Kindstod forscht, weil sie so sehr darunter litt, dass ihr Mutter den Tod des zweiten Kindes nicht verkraftete. Eine Psychologin, die Frauen nach körperlicher Gewalt und Missbrauch hilft, weil sie es selbst erlebte. Das was uns tief berührt, verändert uns und wir bestimmen die Richtung.
Unsere Tiefschläge können die Grundlage für erhebliches persönliches Wachstum sein. Wir werden gezwungen unsere Widerstandsfähigkeit zu stärken. Wenn wir schwierige Zeiten überstehen und uns den Herausforderungen stellen, lernen wir, wie stark wir tatsächlich sind. Krisen lehren uns oft, unsere Prioritäten zu überdenken und unsere Werte zu klären.

Welche Rolle spielen Mut und Veränderungsbereitschaft für ein gelingendes Leben?
Leben bedeutet Veränderung. Je mehr wir uns dessen bewusst sind, umso mehr verstehen wir auch, wie wichtig es ist, die ständigen Veränderungen wahrzunehmen und mit ihnen zu gehen. Wenn wir uns gegen sie wehren, wird es anstrengend und ungemütlich. Schaffen wir es jedoch flexibel mit ihnen zu gehen und uns anzupassen leben wir im „Jetzt“. So habe ich mich innerhalb meiner Fähigkeiten immer wieder neu erfunden. Von der Stuntfrau zum Model, zur Moderatorin, zur Keynote-Speakerin. In einer sich ständig verändernden Welt ist Veränderungsbereitschaft eine Schlüsselkompetenz. Sie ermöglicht es uns, sich ändernden Umständen anzupassen und flexibel auf neue Herausforderungen zu reagieren. Sich zu fragen, wie verändert sich die Welt, welche Berufe wird es in der Zukunft höchstwahrscheinlich nicht mehr geben und worin investiere ich meine Zeit ist essenziell wichtig. Letztendlich führen Mut und Veränderungsbereitschaft dazu, dass wir unser Leben bewusst gestalten und aktiv nach Erfahrungen suchen, die uns erfüllen. Ein Leben ohne Veränderung und ohne den Mut, neue Wege zu gehen, kann sich oft stagnierend anfühlen.

Welche konkreten Tipps haben Sie speziell für Ausbilder:innen und junge Menschen?
Reflektiere: Nimm dir Zeit, um über deine eigenen Ängste und Wünsche nachzudenken. Verstehe, was dich motiviert und was du erreichen möchtest. Mach dir einen Plan: Beginne mit kleinen Veränderungen und Herausforderungen. Diese ermöglichen dir Veränderungsbereitschaft schrittweise aufzubauen, anstatt sich überwältigt zu fühlen. Trainiere: Lerne Techniken zur Bewältigung von Angst und Unsicherheit, wie zum Beispiel Atemübungen, Meditation oder das Sprechen mit einem Vertrauten. Setze Ziele: Definiere klare Ziele für dich selbst, die du erreichen möchtest. Sich hinzusetzen und sich den größten Erfolg aufzuschreiben, den wir uns vorstellen können, in allen Lebensbereichen wie Familie, Gesundheit, Finanzen, Partnerschaft, Beruf ist wichtig, denn das bringt die Motivation morgens aufzustehen und Vollgas zu geben, von ganz alleine mit. Frag nach Hilfe: Zögere nicht, Unterstützung von Lehrern, Ausbildern oder Mentoren zu suchen. Oftmals können sie wertvolle Ratschläge und Perspektiven bieten. Mache Fehler: Sei nicht zu hart zu dir selbst, wenn du Fehler machst oder Rückschläge erlebst. Lass nicht locker: Bleib hartnäckig und lasse dich nicht von Hindernissen entmutigen. Und jetzt das Wichtigste zum Schluss: Nutze deine Chancen! Bewusst verbringe ich Zeit in sehr armen Ländern, um mich zu erden und mir wieder bewusst zu machen, wie beschenkt ich vom Leben bin. Wir haben das große Glück in Mitteleuropa zu sein und tausende von Möglichkeiten nutzen zu können, um große Erfolgsgeschichten zu schreiben. Daher ärgert mich die Trägheit und Jammerei vieler Menschen, die ihren Fokus nur auf das Schlechte legen und alles noch schwerer erscheinen lassen, als es ist.
Wir Menschen wollen wachsen, Teil von etwas Großem sein und einen Unterschied machen. Erfolg macht richtig Spaß! Millionen von Menschen wünschen sich die Chancen, die du gerade hast! Wenn uns das bewusst ist, gehen wir sie mit der richtigen Dynamik an. Also geh da raus und mach einen Unterschied!