Leitsätze zu VersVG §§ 1-48 − VersVG allgemeiner Teil
Rechtsservice- und Schlichtungsstelle (RSS) des Fachverbandes der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten
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RSL10035
§ 5c VersVG
Der "Widerruf" des Versicherungsvertrags durch die Antragstellerin vom 28.3.2023 war unmissverständlich als Rücktritt zu verstehen, auch wenn ihn die Antragsgegnerin als Kündigung aufgefasst hat, wie sich aus ihrer Reaktion vom 6.4.2023 ergibt. Der Rücktritt erfolgte innerhalb der 14-tägigen Frist des § 5c Abs 1 VersVG und war daher rechtzeitig. Der als Rücktrittserklärung aufzufassende Widerruf war auch gesetzeskonform.
Die Kündigung des Versicherungsvertrags ist eine einseitige, vertragsgestaltende Willenserklärung eines Vertragspartners, die darauf gerichtet ist, den Vertrag zu beenden Aus ihr muss klar und deutlich zu erkennen sein, dass eine Lösung des Versicherungsvertrags für die Zukunft beabsichtigt ist. Zur Wirksamkeit einer dem Gesetz entsprechenden Kündigung bedarf es keiner Zustimmung des anderen Vertragspartners. Sie wird wirksam, wenn sie dem Vertragspartner zugegangen ist. Gleiches gilt auch für den Rücktritt vom Versicherungsvertrag. Die nachfolgenden Erklärungen der Antragsgegnerin über die Beendigung des Vertrags zu späteren Terminen sind rechtlich unbeachtlich und änderten daran nichts. (RSS-E 10/24)
RSL10033
§ 16 ff. VersVG
Gemäß den § 16ff VersVG hat ein Antragsteller dem Versicherer "alle gefahrerheblichen Umstände" anzuzeigen. Insbesondere erheblich sind jene Umstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Versicherungsvertrag überhaupt oder zu anderen Bedingungen abschließen zu wollen, einen Einfluss ausüben. Ein Umstand, nach dem der Versicherer ausdrücklich schriftlich fragt, ist immer erheblich.
Die Gesundheitsfragen der Antragsgegnerin beziehen sich auf "Krankheiten, Störungen, Verletzungen, Anomalien oder Beschwerden", konkret der Haut. Die Antragstellerin fühlte sich nach eigenen Angaben durch den Fleck am Oberarm "optisch gestört", weshalb die Gesundheitsfrage wenige Tage nach der Untersuchung und der Entnahme einer Gewebeprobe nicht nur mit "ja" zu beantworten gewesen wäre, sondern auch die konkreten Beschwerden bzw. Maßnahmen anzugeben gewesen wären. (RSS-E 8/24).
RSL10032
§ 33 VersVG
Bei dem nun anzufechtenden Bescheid handelt es sich um keinen neuen Versicherungsfall. Vielmehr ist der Versicherungsfall bereits durch die Ablehnung bzw. Zurückweisung des Antrages des Antragstellers im ersten Rechtsgang entstanden und die nunmehrige Verfolgung der rechtlichen Interessen des Antragstellers nur eine Fortsetzung des bereits unter Deckung stehenden Versicherungsfalles. (RSS-E 117/23).
RSL10030
§ 5 VersVG
Weist die Versicherung in der Polizze auf eine Abweichung der Polizze vom Versicherungsantrag hinsichtlich des Versicherungsbeginnes und des -endes hin und entspricht dieser Hinweis in seiner Form und in seinem Inhalt den Erfordernissen des § 5 Abs 2 VersVG, so kann dies einen Versicherungsfall, der nach dem ursprünglichen Antrag versichert gewesen wäre, zu einem vorvertraglichen Versicherungsfall machen (RSS-E 84/23).
RSL10029
§ 34 VersVG
Grundsätzlich ist die Aufklärungspflicht und Belegpflicht eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers, der seinen Vertragspartner über alle für die Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Versicherungsleistung notwendigen Umstände nach Treu und Glauben aufzuklären hat, um diesen in die Lage zu versetzen, den Anspruch - ebenfalls nach Treu und Glauben - prüfen und die zur Erfüllung des Vertrages erforderlichen Entscheidungen treffen zu können.
Im Zusammenhang mit Schadenfällen in der Kfz-Kasko- und -Haftpflichtversicherung wurde weiters ausgesprochen, dass die Aufklärungspflicht auch die Klarstellung aller jener Umstände gewährleisten soll, die für allfällige Regressansprüche des Versicherers von Bedeutung sein können. Dies kann jedoch nur für Fälle gelten, in denen sich der Regress gegen den Versicherungsnehmer selbst oder gegen mitversicherte Personen richtet. Im vorliegenden Fall steht ein möglicher Regress gegen einen Dritten, nämlich den Installateur im Raum, zumal der Versicherer die Deckung des Schadenfalles gegenüber der Versicherungsnehmerin grundsätzlich nicht in Frage stellt. Damit hätte aber eine Obliegenheitsverletzung weder Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls selbst noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung (vgl. § 6 Abs 3 VersVG).
Wenn also die Leistungspflicht dem Versicherungsnehmer gegenüber dem Grunde nach feststeht, was von der Antragsgegnerin nicht bezweifelt wird, kann die Antragsgegnerin den möglichen Verlust der Regressmöglichkeit gegenüber einem Dritten nicht über die Drohung der Leistungsfreiheit wegen einer Verletzung der Auskunftsobliegenheit geltend machen.
Vielmehr bleibt der Antragsgegnerin nur die Möglichkeit, sich auf eine Verletzung des § 34 Abs 2 VersVG zu berufen, der als vertragliche Nebenpflicht ausgestaltet ist. Obwohl die Norm selbst nicht ausdrücklich Rechtsfolgen ihrer Verletzung anordnet, kommt nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ein Schadenersatzanspruch des Versicherers in Betracht. Auf einen solchen Schadenersatzanspruch hat sich die Antragsgegnerin aber nicht berufen. Für einen derartigen Anspruch hätte die Antragsgegnerin zum einen zu beweisen, dass die Antragstellerin gegen die Belegerteilungspflicht verstoßen hat, zumal es fraglich ist, ob ihr die Beschaffung eines rund 13 Jahre alten Beleges überhaupt billigerweise zugemutet werden kann. Weiters wäre die Antragsgegnerin dafür beweispflichtig, dass sie einen Regressprozess gegen den Installateur der Soleleitung gewonnen hätte und somit der Verstoß gegen die Belegerteilungspflicht kausal für den Eintritt des Schadens bei der Antragsgegnerin war. (RSS-E 83/23).
RSL10028
§ 38 VersVG
§ 38 Abs 2 VersVG ist bei einer Rückwärtsversicherung als stillschweigend abbedungen zu betrachten, da diese Regelung mit dem Wesen der Rückwärtsversicherung nicht zusammenpasst. Eine Rückwärtsversicherung, bei welcher der Versicherer nur für Versicherungsfälle nach Erstprämienzahlung haften würde, wäre ein Widerspruch. Ein weiterer Grund für die Nichtanwendung des § 38 Abs 2 VersVG ist die Tatsache, dass die Prämie im Zeitpunkt des Versicherungsschutzes schon geschuldet sein müsste.
Bei der Rückwärtsversicherung sind daher idR Versicherungsfälle, die bis zum Vertragsabschluss (Zustellung der Polizze) eintreten, unter der Voraussetzung einer nachträglichen (rechtzeitigen) Prämienzahlung gedeckt.
Ausgehend vom Vorbringen der Antragstellerin, wonach der Versicherungsvertrag am 27.9.2023 abgeschlossen wurde, ist die Zahlung am 3.10.2023 rechtzeitig, weil innerhalb der 14tägigen Frist erfolgt. (RSS-E 65/23).
RSL10027
§ 45 VersVG
Die frühere Judikatur unterschied zwischen dem Abschlussagenten und dem Vermittlungsagenten. Dem Versicherer sei im allgemeinen beim Abschlussagenten alles Wissen zuzurechnen, beim Vermittlungsagenten hingegen nur das anlässlich der Antragsentgegennahme erlangte, nicht jedoch das sogenannte "Privatwissen".
Wenn allerdings dem Vermittlungsagenten im Zeitpunkt der Entgegennahme des Antrags privat erworbenes Wissen und dessen Relevanz für den Versicherer tatsächlich bewusst war, fallen die Gründe für die Unterscheidung zwischen Abschlussagenten und Vermittlungsagenten weg; dem Versicherer ist dann auch das in seiner Bedeutung für den Versicherer bewusste, "privat" erlangte Wissen des Vermittlungsagenten zuzurechnen. Aufgrund dieser Judikaturlinie wurde mit dem VersVertrRÄG 2018 der § 44 VersVG aufgehoben und im Ergebnis auch gesetzlich die Unterscheidung zwischen Abschluss- und Vermittlungsagent beseitigt. (RSS-E 64/23).
RSL10026
§ 38 VersVG
Tritt der Versicherer wegen Nichtzahlung der Erstprämie vom Vertrag zurück, so kann nach späterer Zahlung der Erstprämie einvernehmlich der ursprüngliche Vertrag mit dem ursprünglichen Vertragsbeginn wieder in Kraft gesetzt werden. Damit gilt die anschließend gezahlte Prämie grundsätzlich als Folgeprämie (RSS-E 25/23).
RSL10025
§ 8 VersVG
Auch unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung zum Dauerrabatt kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Regelung über eine Dauerrabattrückforderung, die die Höhe des gewährten Dauerrabattes nicht ausweist, dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG entspricht. Da es nach den getroffenen Vereinbarungen an der Erkennbarkeit der Normalprämie ohne Rabattierung fehlt, ist folglich für den Antragsteller nicht ersichtlich und somit nicht bestimmbar, für welchen „Vorteil“ er eine Rückzahlung leisten soll und ob die Nachverrechnung der Dauerrabattrückforderung der Höhe nach gerechtfertigt ist. Im Ergebnis lässt daher die getroffene Regelung keine Prüfung darüber zu, ob sie überhaupt gesetzmäßig ist (RSS-E 43/22).
RSL10024
§ 8 VersVG
Immer wenn der Versicherungsnehmer einen berechtigenden Grund für die Auflösung des Vertrags hat, darf der Versicherer den Dauerrabatt nicht zurückfordern. Aus dem Wortlaut der Klausel ist aber – jedenfalls bei kundenfeindlichster Auslegung - der Versicherungsnehmer auch dann zur Zahlung der vereinbarten Nachschussprämie verpflichtet, wenn er berechtigt aus wichtigem Grund vorzeitig kündigt; dies benachteiligt ihn im Vergleich zur zwingenden gesetzlichen Regelung des § 40 VersVG, wonach der Versicherer (nur) eine anteilige Prämie verlangen kann. Auch aus diesem Grund ist die Klausel daher gröblich benachteiligend (RSS-E 42/22) (RSS-E 61/22).
RSL10023
§ 6 VersVG
An den Kausalitätsgegenbeweis sind strenge Anforderungen zu stellen; es ist nicht etwa nur die Unwahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs darzutun. Für die mangelnde Kausalität bedarf es des Beweises, dass der Versicherungsfall auch ohne die Verletzung der Obliegenheit mit Sicherheit eingetreten wäre, dass also der Eintritt und der Umfang des Versicherungsfalls nicht auf der erhöhten Gefahrenlage beruhen, die typischerweise durch die Obliegenheitsverletzung entsteht.
Allein dadurch, dass die oder der Einbrecher erst die zwischen dem Wintergarten und dem Wohnzimmer aufbrechen mussten, ist nicht erwiesen, dass der Einbruch nicht auf der durch die unversperrte Außentür des Wintergartens erhöhten Gefahrenlage beruhte, die typisch für die Obliegenheitsverletzung ist. Der ungehinderte Zutritt zum angebauten Wintergarten ermöglichte es den Tätern oder dem Täter, sich ungestört und mit weit geringerem Risiko vor Entdeckung an der im Inneren befindlichen Tür zum Wohnhaus zu schaffen zu machen. Dass es etwa aufgrund der örtlichen und räumlichen Situation keinerlei Unterschied gemacht hätte, ob die oder der Täter zuerst die Außentür zum Wintergarten aufbrechen hätten müssen und auch dann, wenn diese Tür versperrt gewesen wäre, genauso ins Wohnhaus eingebrochen wären, hat der Antragsteller nicht einmal vorgebracht (RSS-E 39/22).
RSL10022
§ 20 VersVG
Grundsätzlich steht dem Versicherer bei Verletzung der Vorschriften zur vorvertraglichen Anzeigepflicht sowie bei Gefahrenerhöhungen ein Kündigungsrecht zu. In beiden Fällen muss dieses vom Versicherer jedoch binnen eines Monats ab Kenntnis der Verletzung der Anzeigepflicht bzw. ab Kenntnis der Gefahrenerhöhung ausgeübt werden.
Ausgehend von der diesbezüglich nur auszugsweise vorliegenden Korrespondenz ist davon auszugehen, dass der Versicherer bereits bei Ablehnung der Deckung im Juni 2021 Kenntnis der Vorerkrankung der Antragstellerin hatte, jedoch keine Kündigung ausgesprochen hat, sondern im September 2021 eine geänderte Polizze zugesendet hat, was im Ergebnis einer Änderungskündigung gleichkommt. Eine solche wäre jedoch verfristet (RSS-E 38/22).
RSL10021
§ 5 VersVG
Gemäß § 5 Abs 2 VersVG muss der Versicherer auf den abweichenden Inhalt hinweisen. Die Beweislast dafür, dass eine Abweichung vom Antrag oder den betroffenen Vereinbarungen vorliegt, trägt der Versicherungsnehmer (RSS-E 20/22).
RSL10020
§§ 43 ff. VersVG
Der Versicherungsagent muss nicht prüfen, ob die Versicherungsbedingungen das erkennbare Versicherungsbedürfnis voll abdecken; der Versicherungsnehmer muss vielmehr die von ihm für aufklärungsbedürftig erachteten Punkte bezeichnen oder erkennbar eine irrige Vorstellung haben.
Doch muss der Agent Fehlvorstellungen, die der Versicherungsnehmer über den Deckungsumfang äußert, richtigstellen; es besteht daher z.B. eine Aufklärungspflicht des Versicherers über einen Risikoausschluss, wenn erkennbar ist, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz gerade für ein ausgeschlossenes Risiko anstrebt. Umso eher liegt ein pflichtwidriges Verhalten vor, wenn der Versicherungsnehmer in seinen irrigen Vorstellungen über den Inhalt des Versicherungsprodukts noch bestärkt wird, ebenso, wenn dem Versicherungsagenten aus den Äußerungen des Versicherungsinteressenten klar erkennbar ist, dass dieser über einen für ihn ganz wesentlichen Vertragspunkt, wie etwa über den angestrebten ehesten Haftungsbeginn, eine irrige Vorstellung hat.
Ebenso stellt es einen Verstoß gegen die vorvertraglichen Sorgfaltspflichten dar, wenn die unrichtige Ansicht des Antragstellers durch eine unzutreffende Belehrung des Versicherungsvertreters hervorgerufen, jedenfalls aber bekräftigt wurde. Ein Versicherer ist zu einer sachkundigen Beratung und Aufklärung dann verpflichtet, wenn der andere Vertragsteil nach der im Verkehr herrschenden Auffassung redlicherweise dies erwarten darf.
Kein Versicherungsnehmer kann aber erwarten, dass jedes denkbare Risiko in den Schutzbereich einer Versicherung fällt. Die Belehrungspflicht des Versicherers oder seines Agenten darf nicht überspannt werden und erstreckt sich nicht auf alle möglicherweise eintretende Fälle (RSS-E 10/22).
RSL10019
§ 12 VersVG
Die in § 33 Abs 1 VersVG normierte Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeige eines Versicherungsfalls gilt für die Rechtsschutzversicherung nur eingeschränkt, weil der Versicherungsnehmer den Versicherer nicht nach jedem Versicherungsfall, sondern nur dann zu unterrichten hat, wenn er aufgrund eines Versicherungsfalls Versicherungsschutz „verlangt“. Art 8.1.1 ARB normiert für den Fall, dass der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz verlangt, seine Verpflichtung, den Versicherungsfall dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen und enthält damit auch eine Anzeigepflicht. Art 8.1.1 ARB beruht auf der Überlegung, dass der Versicherer kein Interesse daran haben kann, von jedem möglichen Schadenereignis oder Verstoß gegen vertragliche oder gesetzliche Rechtspflichten zu erfahren, ohne dass feststeht, dass dies zu einer kostenauslösenden Reaktion führen kann. Erst wenn sich kostenauslösende Maßnahmen abzeichnen, das heißt, wenn sich die rechtliche Auseinandersetzung so weit konkretisiert hat, dass der Versicherungsnehmer mit der Aufwendung von Rechtskosten rechnen muss und deshalb seinen Rechtsschutzversicherer in Anspruch nehmen will, entsteht für ihn die Obliegenheit, den Versicherer unverzüglich zu informieren und kostenauslösende Maßnahmen mit ihm abzustimmen. Dessen Unterrichtung hat spätestens in einem Stadium zu erfolgen, das dem Versicherer noch die Prüfung seiner Eintrittspflicht und die Abstimmung von Maßnahmen erlaubt. Insbesondere ist der Versicherer – abgesehen von eiligen Fällen – so zeitig zu unterrichten, dass er noch ausreichend Zeit hat, die Erfolgsaussichten der Prozessführung abzuklären.
Für den Eintritt der Verjährung ist von Bedeutung, zu welchem Zeitpunkt die Versicherungsnehmerin bereits damit rechnen musste, dass Kosten für eine Rechtsverfolgung entstehen werden (RSS-E 9/22).
RSL10018
§ 33 VersVG
Erstattet ein Versicherungsnehmer erst nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Nachmeldefrist die Schadensmeldung und erfolgt diese Meldung nicht unverzüglich nach Kenntnis des Versicherungsfalles, so steht dem Versicherungsnehmer sowohl der Beweis offen, dass ihm an der nicht unverzüglichen Meldung weder Vorsatz noch grobes Verschulden trifft, als auch der Kausalitätsgegenbeweis, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers einen Einfluss gehabt hat (RSS-E 45/21).
RSL10017
§ 6 VersVG
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des OGH, dass die in Deutschland gängige „Repräsentantentheorie“ abgelehnt wird (vgl RS0080407). Das Verhalten eines Dritten kann daher nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen. Damit kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten auf Vorsatz oder Verschulden der Mitarbeiterin des Versicherungsnehmers nicht an. Ein nach dem Selbstverschuldensprinzip dem Versicherungsnehmer zuzurechnendes Fehlverhalten, wie zum Beispiel fehlende Sorgfalt in der Betriebsführung oder Organisationsmängel werden dem Versicherungsnehmer von der antragsgegnerischen Versicherung nicht vorgeworfen. Auch ist Artikel 8 E021 vom Wortlaut her nicht derart auszulegen, dass damit die Obliegenheit auch auf das Verhalten von Mitarbeitern erstreckt wird, was nach der Lehre und Judikatur grundsätzlich möglich wäre (RSS-E 49/21) (RSS-E 47/22).
RSL10016
§ 6 VersVG
Der Zweck der in den AVB vorgeschriebenen Mindestsicherung besteht darin, das Aufbrechen der versicherten Räumlichkeiten zu erschweren, sodass dazu Spezialwerkzeuge erforderlich sind, ein höherer Zeitaufwand nötig ist und durch den durch das Aufbrechen entstehenden Lärm die Gefahr des Entdecktwerdens für die Einbrecher steigt. Ob nun die Täter bei Vorhandensein der vereinbarten Mindestsicherungen mit demselben Aufwand und derselben Gefahr des Entdecktwerdens die Schlösser aufgebrochen hätten, kann, weil über die Art des Einbruches und des dabei verwendeten Werkzeuges von der Antragstellerin nichts bewiesen worden ist, aber nicht von vornherein bejaht werden. Das Vorbringen der Antragstellerin ist somit nicht ausreichend, um den Kausalitätsgegenbeweis in der von der Judikatur geforderten Striktheit zu erbringen (RSS-E 35/21) (ähnlich RSS-E 64/21).
RSL10015
§ 34 VersVG
Ohne vertragliche Vereinbarung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer besteht keine Verpflichtung des Auftragnehmers, seine Subunternehmer offenzulegen. Besteht aber keine derartige Verpflichtung des Auftragnehmers, wird dem Versicherungsnehmer die Beschaffung der gewünschten Informationen typischerweise nicht billigerweise zugemutet im Sinne des § 34 Abs 2 VersVG werden können. Weiters sind diese Auskünfte nicht abstrakt zur Aufklärung geeignet, ob die vom Antragsteller begehrte Neuwertspanne fällig ist oder nicht (RSS-E 31/21).
RSL10014
§ 44 VersVG
Allein aus der Behauptung, dem Agenten sei der Zustand des durch den Sturm beschädigten Gebäudes bekannt gewesen, kann nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass dem Agenten erkennbar gewesen wäre, dass es dem Antragsteller im Rahmen des umfangreichen Versicherungspakets für etliche Gebäude und Geräte gerade (auch) um die Deckung eines Sturmschadens am bereits schadhaften Dach eines Nebengebäudes gegangen ist und dass er insoweit eine irrige Vorstellung geäußert hat (RSS-E 4/21).
RSL10013
§ 16 VersVG
Hatte der Versicherungsnehmer die Gefahrumstände an der Hand der vom Versicherer in geschriebener Form gestellter Fragen anzuzeigen, so kann der Versicherer wegen unterbliebener Anzeige eines Umstandes, nach dem nicht ausdrücklich und genau umschrieben gefragt worden ist, nur im Falle arglistiger Verschweigung zurücktreten. Für das Vorliegen von Arglist ist der Versicherer beweispflichtig (RSS-E 79/20) (RSS-E 106/23).
RSL10012
§ 6 VersVG
Wird durch die Versicherungsbedingungen entgegen § 6 Abs 1 VersVG für eine vorbeugende Obliegenheit grobe Fahrlässigkeit als Voraussetzung für Deckungsfreiheit statuiert, ist er auch für das Vorliegen der groben Fahrlässigkeit beweispflichtig (RSS-E 75/20).
RSL10011
§ 1b VersVG
Stellt eine Krankenanstalt im Auftrag der Versicherungsnehmerin telefonisch eine Deckungsanfrage an den Versicherer, wobei sie den Grund des Aufenthalts, nämlich einen Unfall, erfährt, kann sich der Versicherer in weiterer Folge nicht auf eine Verletzung der Anzeigepflicht stützen, wenn sie die Versicherungsnehmerin nicht auf die Unwirksamkeit der telefonisch erstatteten Meldung hingewiesen hat (RSS-E 58/20).
RSL10010
§ 33 VersVG
Eine Klausel in der Betriebshaftpflichtversicherung, die eine Nachmeldefrist von 2 Jahren nach Beendigung des Versicherungsvertrages vorsieht, ist insofern nichtig, als sie Schadenfälle, die unmittelbar nach Bekanntwerden des Versicherungsfalles gemeldet werden, von der Deckung ausschließt (RSS-E 48/20).
RSL10009
§ 29 VersVG
Wenn der Umstand, ob das Gebäude bewohnt ist oder nicht, keine Antragsfrage des Versicherers darstellt und damit offenbar auch nicht prämienrelevant ist, ist dieser zu Gunsten des Versicherungsnehmers als unerheblicher Gefahrenumstand zu beurteilen, zumal die Versicherung nach hL für die Erheblichkeit der Gefahrenerhöhung beweispflichtig ist (RSS-E 34/20).
RSL10008
§ 23 VersVG
Eine Gefahrenerhöhung im Sinne der §§ 23 ff. VersVG kann auch darin gesehen werden, dass eine entgegen der Erwartung der Parteien nicht eintretende Gefahrenminderung – nämlich die Fertigstellung des Umbaues – nicht eingetreten ist, somit die Gefahr als solche sich zwar nicht reduziert hat, aber die Gefahr dennoch höher ist als die im Versicherungsvertrag versicherte Gefahrenlage (RSS-E 34/20).
RSL10007
§ 33 VersVG
Gemäß § 33 VersVG hat der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall, nachdem er von ihm Kenntnis hat, unverzüglich anzuzeigen. Nach ständiger Rechtsprechung trifft den Versicherungsnehmer die Beweislast für den Eintritt des Versicherungsfalles, auch dass der Versicherungsfall im zeitlichen Geltungsbereich des Versicherungsvertrages eingetreten ist (RSS-E 6/20) (RSS-E 7/20) (RSS-E 14/20) (RSS-E 25/21) (RSS-E 22/22) (RSS-E 25/22).
RSL10006
§ 8 Abs 3 VersVG
Aus Gründen der Vertragsfreiheit muss es – jedenfalls im unternehmerischen Geschäft – dem Versicherungsnehmer möglich sein, eine Klausel zu vereinbaren, mit der der Versicherungsnehmer zum Ersatz eines Laufzeitvorteils, der jährlich sinkt, verpflichtet wird, auch wenn der Versicherungsnehmer die Höhe des ihm eingeräumten Rabattes nicht kennt.
Allerdings darf im Sinne der Judikatur des OGH eine Dauerrabattrückforderung nicht höher sein als der tatsächlich gewährte Rabatt. Die Höhe des tatsächlich gewährten Rabattes wäre aber als Anspruchsgrundlage für den Rückforderungsanspruch vom Versicherer zu behaupten und zu beweisen (RSS-E 65/19).
RSL10005
§ 6 Abs 3 VersVG
Wird der Versicherer von der Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches gegen den Versicherungsnehmer nicht unverzüglich verständigt, trifft den Versicherungsnehmer der Kausalitätsgegenbeweis, dass die allfälligen schadenmindernde Einwendungen auf den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung keinen Einfluss gehabt hätten (RSS-E 58/19).
RSL10004
§ 1a VersVG
Ob im Einzelfall eine kombinierte Versicherung (wie die Haushaltsversicherung, die idR eine Haftpflichtversicherung inkludiert) eine Bündelung oder Koppelung von Versicherungsverträgen vorliegt, richtet sich nach dem Parteiwillen. Ist dieser nicht eindeutig auszumachen, müssen Indizien den Ausschlag geben.
Die Vereinbarung der Anwendung mehrerer AVB spricht für die Bündelung bzw. Koppelung. Die rechtliche Selbstständigkeit gebündelter Versicherungsverträge gilt jedoch nur im Zweifel und muss ausdrücklichen oder konkludenten gegenteiligen Vereinbarungen weichen. Die Vereinbarung einzelner AVB für die jeweiligen Sparten mit unterschiedlichen Kündigungsklauseln sowie die Ausweisung gesonderter Prämien für die einzelnen Sparten sprechen für diesen gemeinsamen Parteiwillen (RSS-E 52/19).
RSL10003
§ 8 VersVG
Vereinbaren die Parteien eines Versicherungsvertrages für eine 10-jährige Vertragsdauer einen Laufzeitrabatt von 10 %, so ist eine Klausel, wonach der Versicherungsnehmer bei vorzeitiger Kündigung 80 % einer Jahresprämie bezahlen muss und sich dieser Prozentsatz ab Ende des zweiten Jahres um 10 Prozentpunkte pro Jahr verringert, gröblich benachteiligend, weil bei Kündigung in den ersten vier Jahren der Versicherungsnehmer mehr nachzahlen muss als er an Laufzeitrabatt lukriert hat (RSS-E 36/18).
RSL10002
§ 8 VersVG
Wird ein bestehender Versicherungsvertrag eines Unternehmers verlängert und eine neue Vertragslaufzeit vereinbart, kann sich der Versicherungsnehmer danach nicht mehr bei einer Kündigung während der Laufzeit des verlängerten Vertrages auf die ursprüngliche Verlängerungsklausel berufen. Die Vereinbarung einer Laufzeit des Versicherungsvertrages von 10 Jahren ist im unternehmerischen Geschäft nicht per se gröblich benachteiligend (RSS-E 40/18).
RSL10001
§ 8 VersVG
Weist der Versicherer eine unwirksame Kündigung unverzüglich zurück, ist er seiner Verpflichtung zur Klärung ausreichend nachgekommen. Eine nachfolgende Korrespondenz, die die wechselseitigen Argumente für den jeweiligen Rechtsstandpunkt darlegt, stellt keine Kündigung mehr dar, die einer Zurückweisung bedarf (RSS-E 7/19).