Sparte Industrie

Erwartungen zur Umwelt-, Klima- und Industriepolitik der EU

Informationen der Bundessparte Industrie

Lesedauer: 2 Minuten

25.10.2024

Die Europäische Kommission steht noch nicht endgültig fest. Die geplante Kompetenzverteilung lässt jedoch bereits einige Schlüsse zu.

Das institutionelle Brüssel befindet sich derzeit in einer Transitionsphase. Die EU-Wahlen im Juni sind geschlagen – mit dem bekannten Ergebnis. Das Präsidium, die Ausschüsse sowie weitere Posten des Parlaments sind in der Zwischenzeit besetzt und die parlamentarische Arbeit wird langsam, aber sicher wieder aufgenommen.

Anders verhält es sich mit der Europäischen Kommission. Die Kommissar:innen, sprich die höchste politische Führungsebene dieser Institution, stehen noch nicht fest. Nach dem Vorschlag durch die Mitgliedstaaten und Zuteilung der Rollen durch die bereits bestätigte, neue alte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, gibt es nun einen klaren Zeitplan. Zwischen 4. und 12. November werden in den einzelnen parlamentarischen Ausschüssen Hearings für die jeweiligen Kandidat:innen stattfinden. Die Abgeordneten können ihre inhaltlichen Fragen direkt stellen und so die fachliche Eignung der Prüflinge ‚abklopfen‘. Einzelne Kandidat:innen können auf diese Weise auch abgelehnt werden – zu möglichen Wackelkandidaten gehören neben Ungarn auch Slowenien und Belgien. In weiterer Folge muss sich das gesamte Kommissionskollegium einer weiteren Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments stellen und wird im Anschluss vom Europäischen Rat mittels qualifizierter Mehrheit formal bestellt. Es stehen jedenfalls intensive Debatten bevor, nicht zuletzt durch die geplante Kompetenz- und Dossierverteilung auf die 26 Kandidat:innen.

Bereits ein Blick auf die von Präsidentin von der Leyen vorgeschlagene Struktur zeigt hier interessante Verschiebungen. So soll es in der neuen Legislaturperiode statt wie bisher zwei geschäftsführende Vizepräsident:innen und fünf Vizepräsident:innen neben der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik nur noch fünf geschäftsführende Vizepräsident:innen geben. Darüber hinaus soll die Energie-, Klima-, Umwelt- und Industriepolitik auf noch mehr Köpfe verteilt werden, sie würde damit weiter fragmentiert. Durch eine sehr progressive Kommissionskandidatin für die „saubere Transition“, Teresa Ribera von den spanischen Sozialisten, ist nicht davon auszugehen, dass sich an der klima- und umweltpolitischen Ambition der EU viel ändern wird. Darauf lassen auch die angekündigten Vorschläge im Bereich Kreislaufwirtschaft, Wasserwirtschaft u.a. nicht schließen. Wenn man sich dann noch im Detail ansieht, welche/r Kommissar:in wem zuarbeiten und an wen berichten soll, zeigt sich mit Blick auf die politische Gemengelage auf europäischer Ebene, welche/r geschäftsführende Vizepräsident/in eine mögliche „lahme Ente“ zu werden droht.

Der Aufruf der Präsidentin zu fachübergreifender, gemeinsamer Arbeit und kollegialer Kooperation gerät vor diesem Hintergrund fast zur Makulatur. In jedem Fall wird es in Brüsseler Kreisen als Versuch gewertet, die Zügel fester in der Hand von Präsidentin von der Leyen zu konzentrieren. Ob die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft damit wirklich zum neuen Kernthema der neuen Legislaturperiode wird, oder ob es bei Lippenbekenntnissen bleibt, bleibt damit vorerst weiter abzuwarten. Jedenfalls wurden bereits mehrere Initiativen, darunter ein sogenannter Clean Industrial Deal, in den ersten 100 Tagen der neuen Kommission angekündigt. Mario Draghis kürzlich im Auftrag der Kommissionpräsidentin veröffentlichte Analyse, wonach die im Vergleich zu den USA deutlich niedrigere Produktivität in Europa das größte Problem darstellt, weist zumindest ebenfalls auf ein größeres dahingehendes Bewusstsein hin.

Diesen Worten und Bekenntnissen müssen nun Taten folgen. Die BSI hat sich aktiv in die Ausarbeitung von kritischen Fragen für die Hearings der Kommissionskandidat:innen eingebracht, um zu erfahren, welche Vorschläge diese in ihren Kompetenzbereichen vorlegen. Darüber hinaus drängt die Industrie weiterhin auf konkrete, ehrgeizige Schritte zur Entlastung der Unternehmen von Bürokratie. Business-as-usual ist keine Option, wenn die EU die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit ernsthaft erhalten und ausbauen möchte.

Autor:

Clemens Rosenmayr, MSc, MSc
E-Mail: clemens.rosenmayr@wko.at

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