Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz in Begutachtung
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler und Staatssekretär Magnus Brunner präsentierten am 16.9.2020 den Entwurf des EAG-Pakets
Lesedauer: 3 Minuten
Die Bundesregierung hat sich im Regierungsprogramm – als wichtigen Meilenstein zur bereits für 2040 angestrebten Klimaneutralität - das ambitionierte Ziel gesetzt, dass bis 2030 100 % des Gesamtstromverbrauchs (national bilanziell) aus erneuerbaren Energien bereitgestellt wird; gleichzeitig soll die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Österreich gestärkt werden. Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, zu dem bereits im Dezember 2018 unter der Regierung Kurz I ein Ministerratsbeschluss gefasst worden war und das aufgrund der Regierungsbeteiligung der Grünen zuletzt umfassend überarbeitet wurde, soll dazu den erforderlichen Gesetzesrahmen bilden.
Ein Meilenstein mit Diskussionsbedarf
Das Paket liegt nun zur Begutachtung vor und umfasst neun Einzelgesetze, zu deren Beschlussfassung überwiegend eine 2/3-Mehrheit benötigt wird:
- Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG)
- Novelle des Ökostromgesetzes 2012 (ÖSG 2012)
- Novelle des Elektrizitätswirtschaft- und –organisationsgesetzes 2010 (ElWOG 2010)
- Novelle des Gaswirtschaftsgesetzes 2011 (GWG 2011)
- Novelle des Energie-Control Gesetzes2010 (E-ControlG 2010)
- Novelle des Energielenkungsgesetzes 2012 (EnLG 2012)
- Novelle des Wärme- und Kälteleitungsausbaugesetzes 2008 (WKLG 2008)
- Novelle des Gesetzes zur Festlegung einheitlicher Standards beim Infrastrukturausbau für alternative Kraftstoffe
- Starkstromwegerecht
Mit dem Paket sollen Investitionen von bis zu 30 Milliarden Euro ausgelöst und 10 Millionen Tonnen CO2 reduziert werden. Ein Kostenverhältnis, das klarmacht: Zentrale Forderung der Industrie bleibt ein marktnahes und hocheffizientes Fördermodell. Das Klimaschutz-Ministerium strebt ein Inkrafttreten des neuen, 100 Paragraphen starken EAG mit 1.1.2021 an. Nach der Begutachtung bleibt also für Verhandlungen, Beschlüsse und die beihilfenrechtliche Prüfung der EU-Kommission nur wenige Wochen Zeit.
Wettbewerb durch administrative Marktprämien?
Einige Details des Entwurfs werden vom Regierungsprogramm vorgegeben, so insbesondere der angestrebte Zubau von Ökostrom-Erzeugungskapazitäten von rund 27 Terawattstunden (TWh) zur Erreichung des 100%-Ziels 2030, aufgeteilt auf 11 TWh Photovoltaik, 10 TWh Wind, 5 TWh Wasserkraft und 1 TWh Biomasse sowie die Obergrenze des jährlichen Unterstützungsvolumens in Höhe von 1 Milliarde Euro im Dreijahresdurchschnitt (mögliche Überschreitungen sollen nach Vorschlag des BMK im Nationalrat behandelt werden). Grundsätzlich erfolgt dabei eine Umstellung der aktuellen Tarifförderung (fixer Einspeisetarif für die Kilowattstunde) über 13 Jahre auf administrative, technologiespezifische Marktprämien (variierende Aufzahlung zum aktuellen Marktpreis) über die Dauer von 20 Jahren, bei Biomasse sogar bis zu 30 Jahre nach Inbetriebnahme. Auch Investitionszuschüsse sind auf Antrag weiterhin vorgesehen. Förderungen sollen von einer neu einzurichtenden EAG-Förderabwicklungsstelle vergeben werden.
Unverändert bleiben soll die Aufbringung der Fördermittel durch die Stromkonsumenten in Form der Ökostrompauschale und des Ökostromförderbeitrags. Erste Rufe nach einer Kostendeckelung für Haushalte und einer teilweisen Finanzierung aus dem Budget sind bereits hörbar – selbstverständlich muss eine solche Regel dann auch für große Stromverbraucher in der Industrie gelten.
Thema Ausgleichsenergie berücksichtigen
Wie groß die Herausforderung ist, zeigt ein Zahlenbeispiel: Der Ausbau der PV-Stromproduktion um 11 TWh bedeutet eine Versechsfachung der aktuell installierten PV-Leistung – und das in nur 10 Jahren. Erneuerbare Energie-Gemeinschaften (nach EAG) und Bürgerenergiegemeinschaften (nach ElWOG) sollen daher ermöglichen, dass sich möglichst viele Menschen und Unternehmen am Ökostromausbau beteiligen. Unterstützt werden soll dies unter anderem durch die Plattform des Energiewirtschaftlichen Datenaustauschs (EDA). Die Ausweitung auf regionale und lokale Modelle und die damit verbundenen Ausnahmen der Netzkostentragung dürfen aber nicht zu einer Verabschiedung aus der Systemverantwortung – Stichwort Ausgleichsenergie – und einer überproportionalen Kostenabwälzung auf verbleibende Netzteilnehmer führen.
Netzreserve für Industrie öffnen
Wichtig und grundsätzlich positiv aus Sicht der Industrie sind die geplanten Regelungen zur Netzreserve, also für nötige, kurzfristig abrufbare Erzeugungskapazitäten zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit. Sie werden im Kontext mit dem ElWOG neu geregelt, wobei ein Regime zur Bereitstellung von Netzreserve geschaffen werden soll, das über transparente Ausschreibungen künftig auch für industrielle Anbieter zugänglich sein soll. Erleichterungen im Starkstromwegerecht sollen weiters den beschleunigten Ausbau der Stromnetz-Infrastruktur ermöglichen, die ein zentrales Element der Energiewende darstellt. Ein Integrierter österreichischer Netzentwicklungsplan soll die verbesserte Koordinierung des Netzausbaus für den langfristigen Erhalt der Versorgungssicherheit gewährleisten. Der ElWOG-Entwurf enthält weiters auch Bestimmungen über den Betrieb von Anlagen zur Umwandlung von Strom in Wasserstoff oder synthetisches Gas.
Sektorkopplung mit Gas fehlt
Für bestehende Biomasse- und Biogasanlagen sind Nachfolgeprämien vorgesehen, die grundsätzlich kritisch zu sehen sind – hier fehlt die Sektorkopplung Strom-Gas-Wärme-Mobilität, insbesondere der notwendige Rechtsrahmen für den angestrebten Markthochlauf von Grünem Gas: Bis 2030 sollen laut Regierungsprogramm 5% des österreichischen Gasverbrauchs aus erneuerbaren Quellen (Biomethan, Wasserstoff, synthetisches Gas) stammen. Der vorliegende Entwurf liefert für die Einspeisung zwar einige Grundgedanken, aber – noch - keinen Lösungsansatz. Auch dieses Thema ist zentral aus Sicht der Industrie, denn „Greening the Gas“ wird einerseits weitreichende Potenziale zur Dekarbonisierung in Industrieprozessen erschließen, andererseits muss der Grundsatz der bestmöglichen Fördereffizienz und der standort- und wettbewerbsverträglichen Kostenbelastung auch hier uneingeschränkt gelten.
Autor: DI Oliver Dworak
E-Mail: oliver.dworak@wko.at