Zu Türmchen gestapelte Euro-Münzen auf Euro-Scheinen platziert, seitlich im Anschnitt ein Taschenrechner, im Hintergrund verschwommen EU-Flagge: blauer Stoff mit gelb in Kreisform verlaufenden Sternen
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Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten, Fachgruppe

Praktische Auswirkungen der Retail Investment Strategie (RIS) auf Versicherungsmakler:innen

Interview mit Rebekka De Nie, EU Policy Manager BIPAR

Lesedauer: 8 Minuten

29.11.2024

Rebekka De Nie: BIPAR hat in den letzten Jahren kontinuierlich betont, dass ein stabiles und zweckmäßiges Regulierungsrahmenwerk von entscheidender Bedeutung ist. In Europa liegt heute viel Augenmerk auf der Schaffung einer Kapitalmarktunion (CMU), der Umwandlung von Ersparnissen in Investitionen und der strategischen Autonomie der EU. Die Stärkung der wirtschaftlichen und finanziellen Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Finanzsektors – ein zentrales Element der strategischen Autonomie der EU – erfordert mehrere Schritte, beginnend mit der Gewährleistung größerer Stabilität für wirtschaftliche und finanzielle Akteur:innen.

Wir brauchen zweckmäßige Regulierung, um das Wachstumspotenzial zu erhöhen und sowohl Innovation als auch den Übergang zu erleichtern.

BIPAR ist der Ansicht, dass regulatorische Stabilität unter anderem durch folgende Maßnahmen erreicht werden kann:

  • Einführung einer Regulierungspause (Umsetzung bereits bestehender Vorschriften statt Schaffung zusätzlicher Regelungen)
  • Gewährung von mehr Zeit für die Umsetzung der Vorschriften, insbesondere in Fällen, in denen zusätzlich zu den Grundregeln weitere regulatorische Details auf Ebene zwei und Ebene drei entwickelt werden.
  • Vermeidung eines Flickenteppichs von Regelungen, die nicht miteinander zu vereinbaren sind.
  • Berücksichtigung der Tatsache, dass es eine zunehmende Anzahl von sektorübergreifenden Gesetzen gibt, die den Sektor betreffen (wie z. B. DSGVO, Besteuerung). Für einen Sektor mit vielen kleineren Einheiten ist die Kombination all dieser Regeln weder verhältnismäßig noch realistisch. Die Auswirkungen paralleler bzw. kumulativer Gesetzgebungen in verschiedenen Bereichen sollten in zukünftigen Folgenabschätzungen sorgfältiger berücksichtigt werden.

Welche Auswirkungen wird Ihrer Meinung nach das mögliche partielle Provisionsverbot auf Versicherungsmakler:innen in Europa haben?

Rebekka De Nie: In der Retail Investment Strategy hat die Europäische Kommission ein Verbot von Anreizen für versicherungsbasierte Anlageprodukte vorgeschlagen, wenn der:die Kund:in darüber informiert wird, dass die Beratung unabhängig erfolgt. Dieser Vorschlag wurde von den EU-Gesetzgeber:innen, dem Europäischen Parlament und dem Rat der EU (der Rat der EU repräsentiert die Regierungen der Mitgliedstaaten) in ihren jeweiligen Positionen nicht geändert.

Das von der Kommission vorgeschlagene Verbot von Anreizen für den Verkauf von versicherungsbasierten Anlageprodukten  ohne Beratung wurde jedoch vom Parlament und dem Rat in ihren jeweiligen Positionen gestrichen. Die drei europäischen Institutionen müssen nun einen Kompromiss zwischen ihren jeweiligen Positionen finden, und daher ist derzeit noch offen, wie ein solcher Kompromiss aussehen wird.

BIPAR ist der Ansicht, dass ein Verbot der Vergütung für bestimmte Geschäftsmodelle auf EU-Ebene dem Subsidiaritätsprinzip widerspricht. Ob es ein Verbot von Provisionen, Anreizen oder Zahlungen von Dritten im Falle unabhängiger Beratung geben soll oder nicht, sollte den Mitgliedstaaten überlassen bleiben. Es gibt keinen Grund, dies auf EU-Ebene zu regeln.

Sollte für versicherungsbasierte Anlageprodukte ein Verbot von Anreizen eingeführt werden, wenn der:die Kund:in darüber informiert wird, dass die Beratung unabhängig erfolgt, wird es wichtig sein, sicherzustellen, dass die "unabhängige Berufsausübung" nicht mit der Information des / der Kund:in über eine unabhängige Beratung verwechselt wird.

Falls ein solches Verbot eingeführt wird, hindert dies den:die Vermittler:in jedoch nicht daran, Anreize zu erhalten, wenn er seine:n Kund:in nicht darüber informiert, dass die Beratung unabhängig erfolgt. Die Auswirkungen des Verbots hängen daher von der Art der Dienstleistungen ab, die der:die Vermittler:in seinem:seiner Kund:in anzubieten entscheidet.

Das gleiche Prinzip gilt für das mögliche Verbot von Anreizen für den nicht-beratenen Verkauf von versicherungsbasierten Anlageprodukten. Sollte dieses Verbot von den europäischen Mitgesetzgeber:innen angenommen werden, würde es jene Geschäftsmodelle betreffen, bei denen dem:der Kund:in keine Beratung angeboten wird. Viele der von BIPAR und seinen Mitgliedsverbänden vertretenen Vermittler:innen bieten jedoch Beratungsdienste für ihre Kund:innen an.

Wie steht BIPAR zur Integration der europäischen Nachhaltigkeitsziele in die Beratungs- und Vermittlungspraxis?

Rebekka De Nie: Seit März 2021 müssen Versicherungsvermittler:innen, die Beratung zu IBIPs (versicherungsbasierte Anlageprodukte) anbieten, bestimmte Offenlegungspflichten im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit gemäß der Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (SFDR) einhalten.

Seit August 2022 verlangt die Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) zudem, dass Vermittler:innen, die IBIPs vertreiben, Nachhaltigkeitsfaktoren, Risiken und Präferenzen in ihren Entscheidungsprozess integrieren. Diese Anforderungen umfassen die Ermittlung der Nachhaltigkeitspräferenzen des / der Kund:in während der Geeignetheitsprüfung sowie die Identifizierung von Finanzprodukten, die diesen Präferenzen entsprechen.

Um diese Anforderungen zu erfüllen, ist es nach Ansicht von BIPAR entscheidend, dass Vermittler:innen sich auf die von den Hersteller:innen bereitgestellten Produktinformationen verlassen können

Das gesamte Rahmenwerk für nachhaltige Finanzen befindet sich weiterhin in der Entwicklung und entwickelt sich zudem asymmetrisch, da die verschiedenen Regelungen unterschiedliche Anwendungstermine haben. Dieses sich entwickelnde Rahmenwerk erfordert eine erhebliche Anpassungsfähigkeit von Vermittler:innen, Hersteller:innen und Kund:innen. Daher sollte insbesondere in den ersten Jahren der Anwendung der verschiedenen Gesetze Flexibilität gewährt werden, um die verschiedenen Akteur:innen nicht übermäßig zu belasten.

BIPAR hat betont, dass das Prinzip der Verhältnismäßigkeit im gesamten Rahmenwerk berücksichtigt werden sollte. Beispielsweise sollte dies Vermittler:innen ermöglichen, die den Kund:innen übermittelten Informationen an die jeweilige Zielgruppe, sei es Einzelhandelsoder professionelle:r Kund:in, anzupassen.

Produktaufsichts- und Governance-Anforderungen sind in diesem Prozess von zentraler Bedeutung und können sicherstellen, dass Investor:innen und Vermittler:innen volles Vertrauen in die von den Hersteller:innen bereitgestellten Informationen haben können.

BIPAR ist der Ansicht, dass die Menge der Informationen, die von Kund:innen angefordert wird, u−nd die Menge der Informationen, die den Kund:innen mitgeteilt wird, zu einer Überlastung der Dokumentation führen kann, was Kund:innen davon abhalten könnte, in nachhaltige Produkte zu investieren.

Schließlich ist BIPAR der Ansicht, dass das Rahmenwerk insgesamt sehr technisch und komplex ist. Vermittler:innen sollten die Möglichkeit haben, Vorkehrungen zu treffen, um Kund:innen dabei zu helfen, es zu verstehen. Dazu gehört auch die Möglichkeit, eine allgemeinere, weniger technische Sprache zu verwenden, wenn mit Kund:innen über Nachhaltigkeitspräferenzen kommuniziert wird.

Wie sieht BiPAR die Rolle der / des "hybriden Vermittler:in" in einer zunehmend digitalisierten Versicherungsbranche?

Rebekka De Nie: Der Versicherungsmarkt verfügt derzeit über zahlreiche digitale Werkzeuge, die von Vermittler:innen, Berater:innen und Vertriebspartner:innen genutzt werden. Diese Werkzeuge kommen meist in einer hybriden digitalen/menschlichen Umgebung zum Einsatz.

Digitale Werkzeuge können in der Tat zur Verbreitung von Produkten beitragen, und Versicherungsvermittler:innen nutzen diese Tools täglich in ihren Beziehungen zu ihren Kund:innen. Dennoch ist der "menschliche Aspekt" − der Schutz und die Wertschöpfung, die ein:e Vermittler:in (und kein Roboter), der seinen Kund:innen nahesteht, beim Kauf von Produkten bieten kann − von großer  Bedeutung. BIPAR stellt fest, dass Regulierungsbehörden und Aufsichtsstellen digitale Lösungen manchmal als eine günstige und einfache Option betrachten.

BIPAR weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Digitalisierung und die Wartung digitaler Systeme teuer sind. Wir plädieren daher dringend für einen ausgewogenen Ansatz bei der Digitalisierung - digital bedeutet nicht automatisch kostengünstigere Ergebnisse oder ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis.

Welche konkreten Maßnahmen hält BiPAR für sinnvoll, um die Position und die Arbeitsbedingungen der Versicherungsmakler:innen in einem sich ständig verändernden Marktumfeld zu stärken?

Rebekka De Nie: Laut BIPAR gehören zu den wichtigsten Maßnahmen, damit Vermittler:innen in einer sich wandelnden Welt erfolgreich sein können:

  •  Regulatorische Stabilität: Eine stabile regulatorische Umgebung würde rechtliche Sicherheit schaffen und zu erhöhten Investitionen in den Sektor ermutigen.
  • Mehr Verhältnismäßigkeit: Angesichts der Tatsache, dass die Mehrheit der Versicherungsvermittler:innen, die Mitglieder der BIPAR-Mitgliedsverbände sind, Mikrounternehmen oder kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind, ist ein verhältnismäßiger Regulierungsrahmen wichtig. Es sollte ein Abbau von Bürokratie angestrebt werden, beginnend mit der Bewältigung der Herausforderungen, denen kleinere Akteur:innen gegenüberstehen.
  •  Fortsetzung und leichte Zugänglichkeit zu Versicherungsvermittlungsdiensten: Kleine Vermittler:innen sind meist lokale Arbeitgeber:innen und haben eine lokale Präsenz in Städten und Dörfern. Die Bedeutung solcher lokalen und qualitativ hochwertigen Dienstleistungen muss sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene weiter anerkannt und geschätzt werden.
  • Erleichterung der digitalen Transformation des Vermittlungssektors: Versicherungs vermittler:innen nutzen einen hybriden Ansatz in der Technologie, der digitale Werkzeuge zur Steigerung der administrativen Effizienz mit einem personalisierten, menschlichen Service kombiniert, der auf die Bedürfnisse und Präferenzen der Kund:innen abgestimmt ist. Die Unterstützung dieser  schrittweisen digitalen Transformation ist entscheidend.
  •  Anerkennung der einzigartigen Position der Vermittler:innen in der Finanzdienstleistungslandschaft: Die Aufgabe der Versicherungsvermittler:innen muss sich von der der Banken oder Versicherungsunternehmen unterscheiden. Versicherungsvermittler:innen können den gesamten Lebenszyklus einer Versicherungsdienstleistung begleiten – von der Vermittlung bis zum After-Sales-Service – und den /die Verbraucher:in im Schadens- oder Krisenfall bestmöglich unterstützen. 

Danke für das Gespräch. 

Rebekka De Nie

Sternzeichen: Skorpion 

Land: Belgien

Beruf: EU-Politikmanagerin

Hobbies: Grafische Kunst (an der Akademie)

Lieblingsreiseziel: Europa und innerhalb Europas liebe ich Österreich - sei es der Donauradweg, Urlaub auf dem Bauernhof, Winterwandern oder Stadt- und Kulturreisen nach Salzburg, Wien, Bregenz

Lieblingsessen: alles mit Käse

Lieblingsmusik: Klassisch

Lieblingsbuch: Americanah von Chimamanda Ngozi Adichie

Lieblingsfilm/-serie: Succession

Wie würden Sie sich selbst mit drei Worten beschreiben?

Neugierig, gelassen und strukturiert. Was hat Sie dazu bewogen, sich in der Europäischen Interessensvertretung für Versicherungsvermittler:innen zu engagieren? Nach meinem Jurastudium und einem zusätzlichen Master in Europarecht sowie meiner Leidenschaft für Sprachen war für mich schnell klar, dass ich in der "European Bubble" in Brüssel tätig sein wollte. Die Arbeit bei BIPAR bedeutet, engagierte Menschen zu vertreten, die ihren Beruf mit Leidenschaft ausüben – und das in einer Vielzahl von Ländern und Kulturen.

In Österreich sind Frauen in leitender Position in der gesamten Branche der Versicherungsvermittlung rar. Als Grund dafür wird oft mangelnde Kinderbetreuung angeführt. Wie sieht es damit in Ihrem Heimatland aus?

In Belgien ist es normal, dass Frauen drei Monate nach der Geburt eines Kindes wieder arbeiten gehen. Die Kinder werden in Kindertagesstätten untergebracht und viele dieser Kinderkrippen sind von 8.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. Mit 2,5 Jahren wechseln die meisten Kinder in das Schulsystem, wobei viele Schulen zwischen 15.30 Uhr und 17.30 Uhr oder bis 18.00 Uhr eine (vor- und) nachschulische Betreuung anbieten. Auch während der Schulferien ist das Angebot an Ferienaktivitäten äußerst groß und vielfältig. Auch diese verschiedenen Formen der außerschulischen Betreuung sind steuerlich absetzbar. Es ist klar, dass dies den berufstätigen Eltern das Leben erleichtert.

Allerdings muss man sagen, dass es seit einigen Jahren auch in Belgien schwieriger geworden ist, Krippenplätze zu bekommen, da die Nachfrage größer ist als das Angebot. Ein breites Angebot an Kinderbetreuung ist allerdings kein Allheilmittel – auch nicht in Belgien.

Wann sind Sie mit Ihrer Arbeit zufrieden?

Insbesondere, wenn wir positive Rückmeldungen von Mitgliedern erhalten. BIPAR hat das Glück, engagierte und versierte Menschen in seinen nationalen Mitgliedsverbänden zu haben. Das Brainstorming und Treffen mit ihnen ist sehr bereichernd.

Wie/Wo tanken Sie Kraft?

In der Zeit, die ich mit meiner Familie verbringe – außerhalb des Arbeits- / Schulalltags.


Das Interview mit Frau Rebekka De Nie ist erschienen in der Ausgabe "Versicherungsmakler" 04/2024.

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