Sparte Industrie

UVP-G-Novelle 2023 bringt Beschleunigungspaket

Informationen der Bundessparte Industrie

Lesedauer: 6 Minuten

04.08.2023

Am 1. März 2023 wurde vom Nationalrat eine Novelle zum UVP-Gesetz beschlossen, die eine spürbare Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren bringt.

Im September vergangenen Jahres haben wir an dieser Stelle betreffend den damals vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) vorgelegten Entwurf für eine Novelle zum UVP-Gesetz angemerkt, dieser enthalte viel Licht, aber auch einiges an Schatten. Zur jüngst vom Nationalrat mit den Stimmen von ÖVP, GRÜNEN, SPÖ und NEOS beschlossenen Novelle kann man festhalten, dass nun ganz eindeutig das Licht überwiegt.

Sehr viele unserer im Begutachtungsverfahren eingebrachten Kritikpunkte wurden vom Gesetzgeber berücksichtigt, sodass die Novelle eine sehr erfreuliche, spürbare Reform der UVP-Verfahren bringen wird: Mehr als 20 neue Regelungen zielen auf deren Beschleunigung und Vereinfachung ab und unterstützen damit auch maßgeblich die Energiewende.

Von den effizienteren Verfahren werden alle Vorhaben - nicht nur „Energiewendeprojekte“ - profitieren. Darüber hinaus enthält die Novelle noch eine Reihe von zusätzlichen Erleichterungen speziell für den Ausbau der Erneuerbaren. Außerdem konnten zahlreiche ursprünglich geplante, in Vorentwürfen enthaltene Verschärfungen abgewendet werden.

Verfahrensbeschleunigende Neuerungen für alle UVP-pflichtigen Vorhaben

  • Bessere Strukturierung des UVP-Genehmigungsverfahrens: Vorbringen sind zukünftig nur mehr innerhalb eines Zeitplans möglich – dadurch erfolgen keine Wiederholungen, kein Zurück zum Start. Die Behörde setzt angemessene Fristen für weitere Vorbringen (zB Konkretisierungen von Einwendungen), verspätete Vorbringen (nach Fristablauf) sind nicht mehr zu berücksichtigen (§ 14). Damit wird Verfahrensverschleppungen durch bewusst späte Vorbringen von Projektgegnern ein Riegel vorgeschoben. Diese sind derzeit ein Hauptgrund für Verfahrensverzögerungen. Zudem konnten bisher neue Tatsachen und Beweismittel in der mündlichen Verhandlung vorgebracht werden. Das ist künftig nicht mehr zulässig (§ 16 Abs 3). Lediglich Konkretisierungen sind möglich (§ 14 Abs 2).

  • Die an die Kundmachungsform geknüpfte Präklusionsregelung, die bisher nur fürGroßverfahren“ (gemäß AVG, bei voraussichtlich 100 Beteiligten am UVP-Verfahren) gegolten hat, soll künftig in allen UVP-Verfahren gelten (§ 9 Abs 6). Folge: Wer nicht zeitgerecht (innerhalb der Auflagefrist) Einwendungen erhebt, verliert die Parteistellung. Damit soll künftig verhindert werden, dass Vorbringen und Stellungnahmen erst sehr spät im Verfahren eingebracht werden und dadurch Verzögerungen entstehen.

  • Beschleunigung der Beschwerdeverfahren auch vor dem Bundesverwaltungsgericht: Verfahrensverzögerungen durch sukzessives „Nachschieben“ von Beschwerdegründen sind nicht mehr zulässig (§ 40 Abs 5). Damit werden auch die Verfahren vor Gericht deutlich verkürzt.

  • „Einfrieren des Stands der Technik“ bereits zu Verfahrensbeginn (nicht erst zur mündlichen Verhandlung wie bisher) zur Vermeidung von Verfahrensschleifen bringt einen sehr großen Zeitgewinn (§ 12 Abs 7). Damit ersparen sich Projektwerber ständiges mühsames Nachziehen ihrer Unterlagen auf einen im Laufe des UVP-Verfahrens geänderten Stand der Technik.

  • Ökologische Maßnahmen (Ausgleichsmaßnahmen und Ersatzmaßnahmen), die im UVP-Verfahren eine große Rolle spielen, werden durch mehrere Regelungen deutlich erleichtert
    • Gemeinden, in denen nur Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen vorgesehen werden, gelten nicht als Standortgemeinden. Diese haben somit keine Parteistellung im Verfahren (§ 2 Abs 8).
    • Erleichterung durch Flächenpool (§ 17 Abs 4): Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen, die auf Vorratsflächen durchgeführt wurden, können im UVP-Verfahren angerechnet werden.
    • Maßnahmenkonzept genügt für Genehmigung: Können Ausgleichsmaßnahmen im Genehmigungszeitpunkt noch nicht ausreichend konkretisiert werden, kann ein Maßnahmenkonzept genehmigt werden (§ 17 Abs 5a)
    • Ausgleichszahlungen sind anstelle von Maßnahmen möglich (§ 17 Abs 5a).
  • Erleichterung von immissionsneutralen Änderungen nach Genehmigung (§ 18c Abs 1): Es reicht ein Anzeigeverfahren (anstelle eines Änderungsverfahrens). 

  • Kostenersparnis für Projektwerber durch Auflagen mit Augenmaß: Die Behörde hat bei der Genehmigungsentscheidung künftig ein realistisches Szenario (über die Umweltauswirkungen des Vorhabens) anstelle einer worst-case-Betrachtung zugrundezulegen. Damit erspart sich der Projektwerber enorme Kosten durch Vermeidung überschießender, teurer Auflagen (§ 17 Abs 2 Z 2 lit c), die in der Praxis oft vorgeschrieben wurden, weil Behörde die negativen Umweltauswirkungen des Vorhabens überschätzt hat.

  • Effizienzgewinn durch Digitalisierung: Online- oder Hybridverhandlung sind unter Berücksichtigung der AVG-Verfahrensgrundsätze (Einfachheit, Raschheit, Zweckmäßigkeit, Kostenersparnis) möglich (§ 16a). 

  • Information Sharing / Ausbau des Investorenservice: Der Projektwerber erspart sich zeit- und kostenaufwändige Ermittlung von Daten für seine Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) durch stärkere Unterstützung der Behörde (§ 4 Abs 3). Bei der Behörde vorhandene Grundlagendaten sind übersichtlicher aufzubereiten und dem Projektwerber besser zugänglich zu machen.

  • Vermeidung von Doppelprüfungen durch verstärkte Bindungswirkung der Strategischen Umweltprüfung SUP (§ 12 Abs 2, § 12 Abs 3 Z 5), zB kann beim Umweltverträglichkeitsgutachten verstärkt auf Erkenntnisse aus der SUP aufgebaut werden. 

  • Revisionsrecht von Umweltorganisationen: Dazu erfolgte die Klarstellung, dass Umweltorganisationen ein Revisionsrecht nur dann zukommt, wenn sie im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht Parteistellung hatten (§ 19 Abs 10).

Zusätzlich: „Fast Track“ für Vorhaben der Energiewende

Über die oben erwähnten Verbesserungen hinausgehend sieht die Novelle eine Reihe von weiteren Erleichterungen für den Ausbau der Erneuerbaren („Vorhaben der Energiewende“) vor. Vorhaben der Energiewende sind Projekte, die der Errichtung, Erweiterung oder Änderung von Anlagen zur Erzeugung, Speicherung oder Leitung erneuerbarer Energien dienen sowie Projekte des Eisenbahnausbaus. Zur Definition „Vorhaben der Energiewende“ ist eine wichtige Klarstellung erfolgt: So sind zB auch Pumpspeicherkraftwerke und Trassenaufhiebe für den Leitungsbau umfasst (EB zu § 2 Abs 7).

  • Erleichterung, um nicht am Landschaftsbild zu scheitern (§ 17 Abs 5): Wurde eine SUP durchgeführt, darf die Genehmigung nicht ausschließlich wegen der Beeinträchtigung des Landschaftsbilds versagt werden.

  • Erleichterungen für Windkraftanlagen (§ 4a): Sind in einem Bundesland Vorrangs- oder Eignungsflächen (im Einklang mit EAG-Zielen) ausgewiesen, braucht es keine Flächenwidmung. 
    Diese Bestimmung wurde gegen starken Widerstand der Gemeinden (bzw. des Gemeindebundes) beschlossen, die durch die Aushebelung ihrer Raumordnungskompetenz ihre verfassungsgesetzlich gewährleistete Gemeindeautonomie verletzt sehen und juristische Schritte angekündigt haben.

  • Festschreibung, dass die „Vorhaben der Energiewende“ im „hohen öffentlichen Interesse“ gelegen sind - dies erleichtert die Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens (§ 17 Abs 5, letzter Satz). 

  • Keine grundsätzlich aufschiebende Wirkung von Beschwerden gegen den Genehmigungsbescheid: Die Behörde hat, wenn keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstehen, die aufschiebende Wirkung einer nicht ausreichend substanziierten Beschwerde gegen den Genehmigungsbescheid abzuerkennen (§ 17a). Damit ist ein sofortiger Baubeginn möglich.

Ursprünglich geplante Verschärfungen konnten abgewendet werden

  • Abgewehrt: Verschärfung des bestehenden Genehmigungskriteriums zur Begrenzung von Emissionen nach dem Stand der Technik. Stattdessen: Rechtssicherheit durch taxative Aufzählung der davon betroffenen Treibhausgase und deutliche Entschärfung durch Ausnahme für Anlagen, die dem Emissionshandel (§ 4 EZG) unterliegen (§ 17 Abs 2 letzter Satz).

  • Besonders wichtig: Abwehr einer neuen Genehmigungsvoraussetzung, wonach die Inanspruchnahme von Flächen und der Bodenverbrauch „möglichst gering“ zu halten gewesen wäre, anderenfalls die Genehmigung zu versagen gewesen wäre. Danach wären Genehmigungen gar nicht mehr oder nur nach längerem Zeitverlust von weiteren ein bis zwei Jahren möglich gewesen (da Projektgegner die Frage endlos diskutiert und ständig eingewendet hätten, dass weniger Bodenverbrauch möglich gewesen wäre) und mangels objektiver Beurteilungsparameter (was heißt möglichst gering?) wäre die Rechtssicherheit für Projektwerber völlig ausgehebelt worden.

  • Abgewehrt: Verschlechterung des Information Sharing, Projektwerber hätten nach den Vorstellungen des BMK behördliche Grundlagendaten nur mehr über den Umweg einer Anfrage nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) bekommen sollen.

  • Abgewehrt: Streichung des Anerkennungskriteriums von 100 Mitgliedern für Umwelt-NGOs (war massiv von Seiten der NGOs gefordert worden).

Sonstige wesentliche Änderungen

  • Anstelle des im Begutachtungsentwurf vorgesehenen, von Seiten BMK und Grüne vehement geforderten neuen Genehmigungskriteriums zu Fläche und Boden ist lediglich die Vorlage eines Bodenschutzkonzepts normiert (§ 6 Abs 1 Z 1 lit g); schon nach geltender Rechtslage sind Auswirkungen des Vorhabens auf Boden und Fläche (da sie Schutzgüter im Sinn der UVP-Richtlinie sind) in den Antragsunterlagen (der UVE) darzustellen.
     
  • Klarstellung, dass Bürgerinitiativen auch im vereinfachten Verfahren Parteistellung haben, in Entsprechung eines Erkenntnisses des VwGH vom 27.9.2018 (Ro 2015/06/0008).

  • Änderungen in Anhang 1 (Liste der UVP-pflichtigen Vorhaben): Die Änderungen resultieren aus einem der drei Gründe: Bei flächenintensiven Vorhaben aus dem Auftrag im Regierungsprogramm, Maßnahmen gegen Flächeninanspruchnahme und Bodenverbrauch zu setzen; bei anderen Vorhaben aus der erforderlichen Anpassung an das Unionsrecht (Vertragsverletzungsverfahren) bzw. an VwGH-Judikatur.

Positives zu den Übergangsbestimmungen

  • Die Regelungen über das für die Beschleunigung besonders wichtige strukturierte Verfahren (§ 14) – Fristen für Vorbringen – sind nach einer zuletzt noch über unsere Anregung hin im Umweltausschuss erfreulicherweise beschlossenen Änderung auch auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle bereits anhängige Verfahren anzuwenden (§ 46 Abs 29 Z 1).

Autor:
Mag. Gerfried Habenicht
E-Mail: gerfried.habenicht@wko.at 

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