Investitionen: Gradmesser der Standortqualität
Investitionen der Wirtschaftsunternehmen sind eine Voraussetzung für künftige Produktionstätigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Wertschöpfung. Gleichzeitig sind sie ein Maßstab dafür, in welchem Ausmaß Unternehmen an einem Standort Wachstum und Ertrag erwarten. Die anhaltende Investitionszurückhaltung in Österreich ist ein Spiegelbild geringer Erwartungen und ein Alarmsignal für die künftige Wirtschaftsentwicklung.
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Die Investitionstätigkeit in Österreich entwickelt sich sehr schwach: Nach einer Stagnation im Jahr 2022 und einem bereits deutlichen Rückgang im Jahr 2023 ist laut den jüngsten Zahlen des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO im laufenden Jahr ein weiterer Rückgang der Bruttoanlageinvestitionen um 2,8 % und im kommenden Jahr eine Stagnation zu erwarten. Denn die Prognosewerte mussten zu jedem neuen Prognosetermin zurückgenommen werden: Im Jahr 2024 sollten ursprünglich die Investitionen wieder anspringen, statt des erwähnten Rückgangs um 2,8 % war anfänglich ein Anstieg um 2,2 % vorausgesagt; und für das Jahr 2025 wurde der erste Prognosewert von +2,5 % zuletzt auf nur noch + 0,2 % zurückgenommen.
Spiegelbildlich zeigen Konjunkturtests und Unternehmensumfragen eine schwierige Situation, geprägt von schwacher Auftragslage bei gleichzeitig steigenden Kosten. Der unfreiwillige Aufbau von Fertigwarenlagern belastet zusätzlich die Liquidität der Unternehmen. Die Ertragserwartungen sind entsprechend gedrückt, teilweise noch immer in einem Abwärtstrend. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass Unternehmen eher an Redimensionierung als an Expansion denken, was sich auch in rückläufigen Erwartungen hinsichtlich der Personalstände ausdrückt. Insgesamt zeigen die Daten somit weiterhin ein Gesamtbild, das keine Trendwende bei den Investitionen nahelegt.
Die Prognosen hinsichtlich eines Anspringens der Investitionstätigkeit beruhen auf grundsätzlich zutreffenden Annahmen, die aber jeweils von konkreten Problemen und Risiken überlagert werden:
Der Green Deal und die Energiewende sind gewaltige Projekte, die – so sie erfolgreich umgesetzt werden sollen – massive Investitionen in neue Produkte und in neue Produktionsverfahren mit sich bringen müssen. Dass sich dies nicht in den Investitionsstatistiken zeigt, ist ein Zeichen, dass sich die (klima-) politischen Ziele nicht in die erhofften Investitionsentscheidungen übersetzen lassen. Dies hat auch die EU-Kommission erkannt, die im Jahr 2023 den Industrieplan zum Green Deal nachgeschoben und 2024 speziell die Vereinbarkeit der Klimapolitik mit der europäischen Wettbewerbsfähigkeit thematisiert hat (Letta-Bericht und Draghi-Bericht). Die Investitionen der Unternehmen, insbesondere der Industrie, werden in den kommenden Jahren zeigen, ob auch die Implementierung dieser Politik funktioniert.
Ebenfalls die Investitionsfähigkeit stützen sollte die naturgemäß starke, globale Konkurrenzsituation: Nur durch hochwertige, laufend verbesserte Produkte und durch immer produktivere Herstellungsprozesse lässt sich die Wettbewerbsposition auf den internationalen Märkten verteidigen. In den letzten Jahren geradezu explosionsartig erhöhte Faktorkosten (Arbeit, Energie) sind aber so gravierende Konkurrenznachteile, dass sich diese durch kontinuierliche Investitionen in Optimierungen oftmals nicht mehr auffangen lassen; gleichzeitig hat die Kostenbelastung der Unternehmen die Möglichkeiten der (Eigen-) Finanzierung von Investitionen massiv verschlechtert. Massive Kostennachteile des Standorts Österreich lassen sich ohne politische Gegensteuerung bei den Arbeitskosten (steuerliche Entlastung, Lohnnebenkosten) und einer Dämpfung der Energiekostenentwicklung nicht ausgleichen.
Schließlich folgt die Investitionstätigkeit einem zyklischen Muster, das dem Konjunkturverlauf und der Abnutzung von Investitionsgütern entspricht. Dies betrifft vor allem die Ausrüstungsinvestitionen. Das WIFO hat bereits für 2024 einen zyklischen Anstieg dieser Ausrüstungsinvestitionen um knapp 4 % prognostiziert (gegenwärtige Schätzung: -1,5 %), dann für 2025 von über 4 % (laut Prognose vom Herbst wurde dies auf -0,6 % revidiert); zuletzt wurde ein Wert von exakt 4 % in der mittelfristigen Prognose 2025/29 für das Jahr 2026 angesetzt. Abgesehen davon, dass dies nach vier Jahren des Rückgangs bzw. der Stagnation an sich keine überragende Steigerung (im Sinne eines „Aufholeffekts“) ist, stellt dies letztlich einen Hoffnungswert dar: Nämlich die Hoffnung darauf, dass Re-Investitionen am Standort Österreich und nicht an anderen Standorten stattfinden. Angesichts schwieriger Umfeldbedingungen ist Hoffnung allein aber zu wenig.
Industrieunternehmen können an neuen Standorten erfolgreich sein. Die österreichische Industrie hat sich aber – sehr erfolgreich – in den letzten Jahrzehnten immer wieder bewusst für Investitionen am Standort Österreich entschieden und damit entscheidend beigetragen zur Stärkung von Wertschöpfung, Beschäftigung und Einkommen bzw. Kaufkraft in Österreich. Um die Vorzüge einer leistungsfähigen Industrie in Österreich weiterhin zu bewahren, muss die offensichtliche Investitionszurückhaltung nicht nur überwunden werden, sondern Rahmenbedingungen für eine Investitionsoffensive geschaffen werden, die den Anforderungen der klimapolitischen Herausforderungen ebenso entspricht wie den Anforderungen bestmöglicher Konkurrenzfähigkeit auf internationalen Märkten.
Dazu bedarf es kurzfristig jener (politischen) Maßnahmen im Bereich der Arbeits- und Energiekosten, die seitens der Industrie seit geraumer Zeit immer wieder – und gut begründet – verlangt werden, sowie rasch wirksamer Investitionsanreize (wobei sich Investitionsfreibeträge als besonders wirksamer Hebel bewährt haben). Zudem muss die Politik die Anreizsysteme verstärken und gleichzeitig bürokratische Überregulierungen verringern: Unter diesen Voraussetzungen kann sich unternehmerische Innovation bestmöglich entfalten. Genau jene unternehmerische Innovationskraft ist letztlich einer der Schlüssel zu einer substanziellen Stärkung der Investitionstätigkeit.
Autor: Mag. Andreas Mörk
E-Mail: andreas.moerk@wko.at