Arbeitskräftemangel nimmt dramatische Formen an
"Voitsberg, wir haben ein Problem", warnen Vizepräsidentin Mag.a Gabriele Lechner und Regionalstellenobmann KommR Peter Sükar angesichts der neu vorliegenden Daten aus dem Fachkräfteradar.
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Dieses weist für die Steiermark – und im speziellen für die Region – eine Verdoppelung (!) der Mangelberufe innerhalb nur eines Jahres aus. Bereits 155 Berufe verzeichnen demnach einen durchschnittlichen Stellenandrang von unter 1,5 (Grenzwert für Mangelberufe), 2021 waren es 74. "Wir sehen hier eine dramatische Verschärfung der Situation, die auch bei unseren heutigen Betriebsbesuchen im Rahmen von WKO on Tour ein großes Thema waren. Wacht die Politik nicht in Bälde auf, fahren wir als Standort mit Vollgas und ohne Airbag gegen die Wand", mahnen Vizepräsidentin Mag.a Gabriele Lechner und Regionalstellenobmann Peter Sükar. Sie fordern ein Bündel an Leistungsanreizen, um so neue Zielgruppen für den Arbeitsmarkt zu motivieren, allen voran ältere Menschen, die man länger im Erwerbsleben halten möchte.
Durch die demographische Entwicklung rollt eine enorme Pensionierungswelle auf unser Land zu. Innerhalb von nur 15 Jahren hat sich der Anteil der über 50-jährigen unselbständig Beschäftigten in der Steiermark von rund 69.000 auf fast 151.000 mehr als verdoppelt. Der Anteil der unter 25-Jährigen in den steirischen Firmen hat dagegen im selben Zeitraum von 72.000 auf 61.000 rapide abgenommen. "Wir befinden uns inmitten eines demographischen Tsunami, dessen Folgen für unsere Gesellschaft nach und nach sichtbar werden", mahnen Vizepräsidentin Mag.a Gabriele Lechner und Regionalstellenobmann Peter Sükar.
Wie massiv heimische Unternehmen diese Folgen bereits spüren, zeigt die aktuelle Auswertung des WKO-Fachkräfteradars fürs erste Halbjahr 2022. Hierbei wird die Zahl der Arbeitslosen (ab Lehre) pro offene Stelle als Indikator herangezogen, das Ergebnis daraus ist die sogenannte Stellenandrangsziffer. In der Steiermark ist diese in den vergangenen Jahren sukzessive gesunken. Betrug diese 2019 im Schnitt noch 2,34, so waren es im Vorjahr – trotz wirtschaftlicher Coronaverwerfungen – 1,90 und heuer überhaupt nur mehr 1,16, wobei alle Werte unter 1,5 von den Experten der WKO grundsätzlich als Mangel eingestuft werden. "Wir sprechen darum auch nicht mehr von einem Fachkräftemangel, sondern von einem generellen Arbeitskräftemangel", betont Vizepräsidentin Mag.a Gabriele Lechner. Sowohl Quantität als auch Qualität dieses Mangels haben sich massiv verschärft. Denn zum einen ist die Zahl der Mangelberufe (Stellenandrang von unter 1,5) innerhalb nur eines Jahres in der Steiermark von 74 auf 155 gestiegen und andererseits hat die Dimension, also die Zahl der offenen Stellen in den Branchen zum Teil massiv zugenommen. Laut einer im März und April durchgeführten österreichweiten Befragung unter 4.000 Betrieben ("Fachkräfteradar IBW 2022") bestehen die häufigsten und größten Rekrutierungsschwierigkeiten bei Lehrabsolventen. Wobei es hier zum Teil auch massive Unterschiede je nach Branche und Region gibt. Vor allem in der Bundeshauptstadt würde es Potential geben, den Arbeitskräftemangel in den Regionen abzuschwächen, allerdings bräuchte es dafür eine größere Mobilitätsbereitschaft.
Die Top-Mangelberufe 2022 in der Region
(mindestens 5 offene Stellen)
Berufe | Stellenandrang | Arbeitslose | Offene Stellen |
Dipl. Krankenpfleger:innen | 0,11 | 2,7 | 25,0 |
Nicht dipl. Krankenpfleger:innen und verwandte Berufe | 0,17 | 6,7 | 40,3 |
Elektroinstallateur:innen, -monteur:innen | 0,35 | 4,5 | 13,0 |
Schlosser:innen | 0,36 | 3,2 | 8,8 |
Buchhalter:innen | 0,41 | 3,0 | 7,3 |
Erzieher:innen | 0,44 | 3,8 | 8,7 |
Gastronomiefachmänner/ Gastronomiefachfrauen | 0,47 | 6,0 | 12,7 |
Zimmerer:innen | 0,48 | 2,7 | 5,5 |
Kellner:innen | 0,59 | 14,0 | 23,7 |
Rohrinstallateur:innen, - monteur:innen | 0,62 | 3,5 | 5,7 |
Fürsorger:innen, Sozialarbeiter:innen | 0,72 | 7,7 | 10,7 |
Magazin-, Lagerarbeiter:innen, Verlader:innen, Warenzusteller:innen | 1,12 | 15,3 | 13,7 |
Techniker:innen für Maschinenbau | 1,32 | 6,8 | 5,2 |
Für Vizepräsidentin Mag.a Gabriele Lechner und Regionalstellenobmann Peter Sükar besteht angesichts dieser Schieflage akuter Handlungsbedarf: "Wir werden – der Medizin sei Dank – älter und älter, gehen aber früher in Pension als in den 70er Jahren. Das kann so nicht funktionieren! Wir bauen eine Hypothek gegenüber unserer Jugend auf, die absolut unverantwortlich ist. Darum müssen wir in einem ersten Schritt das faktische Pensionsantrittsalter – derzeit 61,8 Jahre bei Männern und 59,8 bei Frauen – ans Gesetzliche anpassen. Und wir werden über kurz oder lang auch an einer Anpassung dieses Alters an die gestiegene Lebenserwartung nicht vorbeikommen. So ehrlich müssen wir den Menschen gegenüber sein." Darüber hinaus brauche es Anreize, um die Menschen generell länger im Erwerbsleben zu halten. "Wenn ich heute höre, dass Pensionisten einen Marathon laufen, die höchsten Berge bezwingen und sich jeder Menge anderer sportlichen Herausforderungen stellen, dann sollte man eigentlich für ein gewisses Maß an Arbeit noch fit genug sein. Nicht als Zwang, sondern als lohnendes Angebot. Wer auch in seiner Pension weiterarbeiten möchte, sollte zumindest von erneuten Pensionsversicherungsbeiträgen befreit sein", so Vizepräsidentin Mag.a Gabriele Lechner. In Österreich arbeiten aktuell gerade einmal 55 Prozent der 55- bis 64-Jährigen, während es in Schweden 78 Prozent sind.
Regionalstellenobmann Peter Sükar ortet aber auch in anderen Bereichen Verbesserungsbedarf: "Wir haben mittlerweile eine Rekord-Beschäftigungsquote erreicht, trotzdem ist die Arbeitszeit rückläufig, weil vor allem immer mehr Junge nur mehr Teilzeit arbeiten wollen. Klar ist, dass das aber auch an fehlenden Rahmenbedingungen liegt, wenn ich etwa ans Thema Kinderbetreuung denke. Hier müssen wir das Angebot dringend verbessern. Im Bereich der Arbeitslosen dagegen darf es nicht mehr so einfach sein, mit Sozialleistungen und Zuverdiensten gut über die Runden zu kommen. Wir machen uns deshalb für mehr Leistungsanreize in Form eines degressiven Arbeitslosengelds stark."