Sparte Industrie

Rechtsrahmen für Fuel Switch in der Industrie dringend nötig

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11.03.2023

Das nationale Anlagenrecht ist nicht ausreichend für den Ernstfall gewappnet: Für mehr Versorgungssicherheit in den Betrieben sollte dringend ein neues Gesetz geschaffen werden.

Zwei BSI-Umfragen im Frühjahr zeigen ein deutliches Bild: Der Ukraine-Konflikt hat bewirkt, dass Betriebe fieberhaft versuchen, ihren Energieeinsatz dort zu diversifizieren, wo es möglich ist. Energieintensive Prozesse können technisch kaum von Erdgas auf andere Energieträger umgestellt werden, bei Nebenprozessen (Trocknungen, Stützfeuerungen, Mitteltemperatur-Anwendungen, Dampferzeugung, Gebäudeheizungen u.a.) ist dies leichter möglich. Schätzungen gehen davon aus, dass rund 15-20% der Betriebe zumindest einen partiellen Wechsel durchführen könnten. Damit könnten auch Schlüsselbetriebe und wichtige Lieferketten abgesichert werden.

Substitution mit Heizöl und Erneuerbaren

Vor allem Umrüstung auf Flüssiggas, Heizöl, Waldhackgut, Holzstaub, Ethanol, Methanol oder Ersatzbrennstoffe werden derzeit geplant. Wer noch vor dem Winter entsprechende Brenner, Leitungen bzw. Lagertanks geliefert bekommt oder stillgelegte Anlagenteile reaktivieren kann, wird sich glücklich schätzen. Doch Umbauten sind praktisch immer mit einem klassischen Anlagenverfahren verbunden, das mehrere Monate oder sogar länger dauern kann. Erweiterte Nachbarrechte, Detailprüfungen der Sachverständigen und massiv überlastete Behörden (Pensionswelle, Covid-Nachwirkungen, fehlender Nachwuchs, …) führen derzeit zu massiven Verzögerungen. Es droht die Gefahr, dass viele Anlagen nicht mehr vor dem Winter in Betrieb gehen können.

Zudem zeigen zahlreiche Gespräche mit Wirtschafts- und Klimaministerium, dass Anpassungen der entsprechenden Materiegesetze (Gewerbeordnung, Baurecht, Abfallrecht, Kesselrecht, …) nicht möglich sind. Daher sind Behörden oft auch die Hände gebunden, wenn es um temporäre Emissionsausnahmen geht. Die Bundessparte Industrie gab daher im vergangenen Juli ein Rechtsgutachten in Auftrag, mit dem Ziel, eine einheitliche gesetzliche Lösung für den raschen Energieträgerwechsel auszuarbeiten. Dieses Gutachten liegt seit Ende August vor und wurde in der Folge mit Ministerien, Behörden, Sozialpartnern und politischen Stakeholdern diskutiert. 

Grundkonzept des Rechtsgutachtens für ein Bundesverfassungsgesetz (BVG) für Energiesicherheit in Betrieben

  • Der flexible und mehrfache Wechsel von Energieträgern ist in Betrieben möglich, damit können Betriebe jene Energieträger einsetzen, die zur Aufrechterhaltung der Produktion verfügbar sind.
  • Anzeige des Wechsels bei der zuständigen Behörde mit fachlichen Unterlagen
  • Die Behörde nimmt binnen zwei Wochen den Energieträgerwechsel mit Bescheid zur Kenntnis. Dabei prüft die Behörde nur, ob es sich um einen Energieträgerwechsel handelt. Die Kenntnisnahme gilt als Genehmigung und wird somit Teil des Gesamtkonsenses. Sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, ergeht ebenso ein Bescheid.
  • Das Unternehmen kann unmittelbar nach Erhalt des Bescheides den Fuel Switch durchführen. Die Emissionsstandards (Stand der Technik) des neuen Energieträgers und die ordnungsgemäße Lagerung sind einzuhalten. Können die Emissionsstandards voraussichtlich nicht eingehalten werden, etwa wenn Filter oder technische Einrichtungen nicht rechtzeitig geliefert werden können, muss bei der Anzeige bekanntgegeben werden, welche Übergangsfristen benötigt werden. Diese Fristen werden von der Behörde erteilt.
  • Ergibt sich bei fortlaufendem Betrieb eine Gefährdung von Nachbarn, ist gemäß den Bestimmungen der GewO vorzugehen. Der ArbeitnehmerInnenschutz gilt uneingeschränkt und wird vom Gesetz nicht berührt.
  • Ist der Energieträgerengpass beendet, frühestens am 31.12.2023, so tritt das Gesetz nach Anhörung der Sozialpartner und mit Einvernehmen des Hauptausschusses im Parlament außer Kraft.
  • Die Genehmigungen behalten darüber hinaus für die Dauer von drei Jahren ihre Gültigkeit. Bei Weiterbetrieb ist ein Betriebsanlagenverfahren durchzuführen. 

Status Quo

Das vorliegende Konzept für ein BVG würde all jene betrieblichen Projekte beschleunigen, die bereits in der Pipeline sind und auf Genehmigungen warten. Auch das Baurecht wird hier mitberücksichtigt. Volkswirtschaftlich ist dies nicht zu unterschätzen: Wenn Unternehmen jetzt vorsorgen „dürfen“ und im Notfall weiterarbeiten können, vermeiden sie Kurzarbeit, Lieferstopps und Produktionsstillstand. Nicht alle Unternehmen werden davon profitieren können, aber ein möglicher Schaden kann deutlich minimiert werden. Die politischen Parteien im Parlament sind daher aufgerufen, ein solches „Ermöglichungsgesetz“ möglichst rasch im Rahmen eines nationalen Schulterschlusses zu beschließen.

Autor:
Mag. Richard Guhsl   
E-Mail: richard.guhsl@wko.at