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Sparte Industrie

Höchstrichterliche Judikatur zu Kündigungsfristen: Beweislast bezüglich Saisonalität der Branche beim AN

Wir informieren Sie über eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 19.9.2024 zu Kündigungsfristen von Arbeiter:innen in Saisonbranchen.

Lesedauer: 1 Minute

15.10.2024

Sachverhalt

Der Kläger war beim Beklagten als Kellner vom 20.5.2021 bis 5.10.2021 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der KV für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe (im Folgenden „KV“) anwendbar. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis unter Anwendung der im KV normierten 14-tägigen Kündigungsfrist auf. Der Kläger bestritt die Gültigkeit der KV-Kündigungsfrist und vertrat den Standpunkt, dass die längere, gesetzliche Kündigungsfrist des § 1159 (2) ABGB anwendbar sei. Die Unterinstanzen gaben dem Kläger (teilweise) Recht und sprachen aus, dass der beklagte Arbeitgeber beweisen muss, dass es sich bei der Brache des KV (Hotel- und Gastgewerbe), um eine Saisonbranche handelt.

 

Entscheidung des OGH

Der OGH hebt die Entscheidungen der Unterinstanzen auf. Er stellt fest, dass nicht der Arbeitgeber das Vorliegen einer Saisonbranche und damit die Rechtswirksamkeit der KV-Regelung behaupten und beweisen muss, sondern der klagende Arbeitnehmer das Nichtvorligen einer Saisonbranche. Der OGH verkennt nicht die mit dieser Beweisführung verbundenen Schwierigkeiten. Es ist jedoch nicht Aufgabe der – ordentlichen – Gerichte, (unbefriedigende) Gesetzesbestimmungen zu ändern, sondern der Gesetzgebung. Auch dann, wenn nicht festgestellt werden kann, ob eine Saisonbranche vorliegt (non liquet), trifft den diesbezüglich behauptungs- und beweispflichtigen AN die Beweislast dafür, dass die KV-Kündigungsfrist nicht anwendbar (bzw. gesetzwidrig) ist.

Gelingt dem Kläger im ggst. Verfahren der Beweis für das Nichtvorligen der Saisonbranche nicht, dann beträgt die Kündigungsfrist 14 Tage und endet mit Ablauf des Kalendervierteljahres (keine analoge Anwendung des Pkt. 15 des KV für Angestellte im Hotel- und Gastgewerbe).

Fazit

Der OGH folgt unserer – auch in der Literatur vertretenen – Rechtsmeinung, wonach der KV unmittelbar rechtsverbindlich gilt. Seine Bestimmungen wirken normativ wie ein Gesetz. Denjenigen, der die Unwirksamkeit von KV-Bestimmungen behauptet, trifft dafür die Behauptungs- und Beweislast. Damit hat die vorliegende Entscheidung auch für all jene Branchen erhebliche Bedeutung, in denen sich die KV-Parteien (anders als im KV für das Hotel- und Gastgewerbe) im KV auf kürzere Kündigungsfristen geeinigt haben.

 

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