Haftung des Reisebüros bei der Vermittlung von Pauschalreisen
Merkblatt: Mögliches Auswahlverschulden
Lesedauer: 2 Minuten
Grundsätzlich ist der Reiseveranstalter für die vereinbarungsgemäße bzw. mangelfreie Erbringung der gebuchten Reiseleistungen verantwortlich. Das vermittelnde Reisebüro haftet somit nicht für die Erbringung der von ihm vermittelten Pauschalreise.
Dies bedeutet aber nicht, dass das vermittelnde Reisebüro nicht seinerseits auch Vertragspflichten gegenüber dem Reisenden hat, aus denen auch eine Haftung resultieren kann.
Bei der Buchung einer Pauschalreise (oder anderer Reiseleistungen) schließen das vermittelnde Reisebüro und der Reisende einen Reisevermittlungsvertrag (Geschäftsbesorgungsvertrag iSd §§ 1002 ff ABGB) ab. Vertragsgegenstand ist die ordnungsgemäße Vermittlung einer Pauschalreise (bzw. anderer Reiseleistungen).
Das Reisebüro hat einen leistungsfähigen und leistungsbereiten Reiseveranstalter zu vermitteln und seinen vorvertraglichen Aufklärungspflichten sowie als Nebenleistungspflichten sogenannten Schutz- und Sorgfaltspflichten nachzukommen.
Das Reisebüro hat den Reisenden bei der Auswahl eines geeigneten Reiseveranstalters sorgfältig zu beraten. Das setzt voraus, dass das Reisebüro die notwendigen Informationen über den ausgewählten Reiseveranstalter einholt, auf Grund derer er Schlüsse auf die Qualität der zu erbringenden Reiseleistung ziehen kann.
Zur sorgfältigen Auswahl eines Reiseveranstalters gehört nicht zuletzt, dass sich das vermittelnde Reisebüro über das Vorliegen einer Insolvenzabsicherung vergewissert.
Vermittlung eines österreichischen Reiseveranstalters:
- Reiseveranstalter müssen in Österreich neben der Insolvenzabsicherung über eine Eintragung im Reiseinsolvenzabsicherungsverzeichnis, welches im GISA (Gewerbeinformationssystem Austria) angesiedelt ist, verfügen.
- Unter https://www.gisa.gv.at/abfrage kann ein Reisebüro unter Eingabe der GISA-Zahl des Reiseveranstalters das Bestehen einer Insolvenzabsicherung überprüfen
- Im Zuge von vorvertraglichen Informationspflichten hat der Reiseveranstalter ein Standardinformationsblatt bereitzustellen. Darin sind Informationen zur Insolvenzabsicherung enthalten. Für das Reisebüro ist somit auch durch das Standardinformationsblatt ersichtlich, ob der Reiseveranstalter über eine Insolvenzabsicherung verfügt.
Vermittlung eines Reiseveranstalters mit Sitz in der EU:
- Die Pauschalreiserichtlinie und somit die Verpflichtung einer Insolvenzabsicherung für Reiseveranstalter gilt EU-weit. Die Richtlinienbestimmungen zur Insolvenzabsicherung werden aber in den Mitgliedsstaaten unterschiedlich umgesetzt.
- Das Standardinformationsblatt ist EU-weit einheitlich durch die Pauschalreiserichtlinie vorgegeben. Somit steht dem Reisebüro damit eine Informationsquelle über die Insolvenzabsicherung vor Abschluss des Vertrages zur Verfügung.
Vermittlung eines Reiseveranstalters mit Sitz außerhalb der EU:
- Das Reisebüro trifft die Pflicht zur Absicherung der Kundengelder, sofern es nicht nachweisen kann, dass der Reiseveranstalter den Richtlinienbestimmungen zur Insolvenzabsicherung nachkommt.
Bei der Vermittlung von Reiseveranstaltern mit Sitz außerhalb der EU ist somit höchste Vorsicht geboten!
Auswahlverschulden
Wenn ein Reiseveranstalter nach der Buchung insolvent wird, stellt sich in der Praxis häufig die Frage, ob dem vermittelnden Reisebüro diesbezüglich ein Auswahl- oder Beratungsverschulden angelastet werden kann.
Ein Reisebüro hat, auch wenn es regelmäßig oder häufiger mit einem bestimmten Reiseveranstalter zusammenarbeitet, nur die Möglichkeit, darüber Auskunft zu geben, ob es im Rahmen der bisherigen Zusammenarbeit irgendwelche Schwierigkeiten gegeben hat. Nähere Einblicke in die wirtschaftliche Situation des Reiseveranstalters hat der Vermittler idR nicht.
Ein Reisebüro ist nur dann verpflichtet, sich über die Solvenz eines Veranstalters zu erkundigen, wenn ein sachlicher Anlass dazu besteht. Hinweise des Reisebüros an den Kunden auf eine mögliche schwankende Bonität des Reiseveranstalters sind nur dann geboten - und im Hinblick auf eine mögliche Geschäftsschädigung auch nur dann erlaubt -, wenn das Reisebüro dafür konkrete Anhaltspunkte kennt.
Arbeitet das Reisebüro nicht regelmäßig mit dem Reiseveranstalter zusammen, wird die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des Veranstalters jedoch besonders sorgfältig zu prüfen sein.
Ein Auswahlverschulden wird das Reisebüro bei der Vermittlung eines Veranstalters in finanzieller Schieflage dann treffen, wenn es zum Zeitpunkt der Buchung bereits Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis von der drohenden Insolvenz des vermittelten Reiseveranstalters hatte. Medienberichte über eine drohende Insolvenz, über die Konkurseröffnung etc. werden in aller Regel ein Auswahlverschulden des Reisebüros begründen.
Stand: 22.10.2023