Stimmung schwankt zwischen aktuellem Pessimismus und Optimismus für die Zukunft
Die Sparte Industrie der WKOÖ hat diesen Sommer eine Studie in Auftrag gegeben, um statistisch die wesentlichen Barrieren, aber auch Chancen der Industrie in Oberösterreich zu erheben und aus Sicht der Industrie einen Blick ins Jahr 2030 zu werfen.
Lesedauer: 5 Minuten
„Oberösterreichs Industrie ist ein wesentlicher Wohlstandsfaktor für unser Land. Rund 125.000 Menschen finden hier einen attraktiven Arbeitsplatz. Ein Drittel aller Industrielehrlinge Österreichs werden von Industriebetrieben in Oberösterreich ausgebildet. Mit über 55 Milliarden Euro setzt Oberösterreichs Industrie 22 Prozent der nationalen Industrieproduktion ab. Fast zwei Drittel des Umsatzes erzielt sie im Ausland. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit ist damit ein wesentliches Erfolgskriterium für Oberösterreichs Industrie und letztlich für unsere Gesellschaft. Die Ergebnisse der Studie sind bemerkenswert und geben Anlass zu akuten Handlungen“, sagt Spartenobmann Erich Frommwald.
Grundstimmung der Industrie Oberösterreichs ist schlecht
„Die Grundstimmung der Industrie Oberösterreichs ist schlecht. 33 Prozent blicken mit Sorge, 37 Prozent mit Skepsis auf die kommenden zwölf Monate, das sind also insgesamt mehr als zwei Drittel. Erst mit einem längeren Betrachtungshorizont wendet sich das Blatt. Für die kommenden sechs bis neun Jahre sind 45 Prozent grundsätzlich zuversichtlich, 22 Prozent sind skeptisch, 14 Prozent gehen mit Sorge in die Zukunft. 18 Prozent konnten dazu keine Meinung abgeben“, zitiert Paul Eiselsberg, Senior Research Director von IMAS International, ein zentrales Ergebnis der Studie.
„58 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass sich der Wirtschaftsstandort in den vergangenen drei bis vier Jahren nicht in die richtige Richtung entwickelt hat. Nur 29 Prozent sehen eine Entwicklung in die richtige Richtung. Besonders die überbordende Bürokratie (89 Prozent), der schwierige Arbeitsmarkt (75 Prozent) und die eingehobenen Steuern und Abgaben (63 Prozent) haben sich nach Meinung der Befragten in Summe eher in die falsche Richtung entwickelt. Am ehesten kann man noch den Investitionsanreizen der vergangenen Jahre etwas abgewinnen (30 Prozent), dennoch sieht auch hier mit 42 Prozent die Mehrheit eine eher negative Entwicklung“, so Eiselsberg. Bei der Einschätzung der Wettbewerbsfähigkeit Europas in den kommenden vier bis sechs Jahren sind laut Studie Oberösterreichs Industriebetriebe ziemlich ernüchtert. Lediglich Afrika wird als wettbewerbsschwächer gesehen, alle anderen Regionen, vorneweg China und die USA, drohen aus Sicht der oberösterreichischen Industrie bei der Wettbewerbsfähigkeit Europa deutlich den Rang abzulaufen. Als Barrieren und Erschwernisse nennen Oberösterreichs Industrielle vor allem drei Faktoren: die Bürokratie und gesetzlichen Rahmenbedingungen mit 70 Prozent, den Kostendruck durch hohe Personalkosten, Energiekosten usw. mit 42 Prozent und die Herausforderung, qualifiziertes und motiviertes Personal zu finden mit 25 Prozent.
Große Herausforderungen, trotzdem Optimismus
Gefragt auf die größten Herausforderungen für Oberösterreichs Industrie im Jahr 2030 wird vor allem der Engpass an Personal genannt (59 Prozent). Auch die hohe Kostensituation bleibt ein starkes Thema (39 Prozent), die Energieversorgung und Energietransformation werden ebenfalls von vielen als Herausforderungen für 2030 genannt (28 Prozent). Ein Viertel sieht auch 2030 die überbordende Bürokratie als große Herausforderung. Dass der Anteil der älteren Menschen in der Gesellschaft in den kommenden Jahren zunehmen wird, ist für die oberösterreichische Industrie Fakt (99 Prozent). Auch die Polarisierung in unserer Gesellschaft (88 Prozent) und den Protektionismus in der Welt (84 Prozent) erwarten die heimischen Industriellen als weiter zunehmend. Aber auch nachhaltige Faktoren wie die Notwendigkeit der Kreislaufwirtschaft (79 Prozent), der Nachfrage nach Wasserstoff (72 Prozent) und nach E-Mobilität (64 Prozent) gewinnen aus Sicht von Oberösterreichs Industrie weiter an Bedeutung. „Beim Arbeitsstundenausmaß erwarten 38 Prozent, dass es in den nächsten vier bis sechs Jahren weiter abnehmen wird, was die Herausforderung, die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden, für Oberösterreichs Industrie zusätzlich erhöhen wird“, ist Eiselsberg überzeugt.
Zukunftsorientiert sein, wichtige Positionen halten und ausbauen
63 Prozent der Befragten befassen sich intensiv mit der Zukunft. Fast ebenso viele sehen sie aber als schwieriger einschätzbar als in der Vergangenheit (57 Prozent). Die oberösterreichische Industrie sieht sich als wichtigen Faktor für den Wohlstand Oberösterreichs und darüber hinaus (80 Prozent). Die Forderung nach der Weiterentwicklung und Stärkung des Industriestandorts Oberösterreich wird mit 76 Prozent ebenso klar gefordert.
Rahmenbedingungen nachhaltig verbessern
„Wir leben in herausfordernden Zeiten, das unterstreicht auch diese Befragung, die IMAS in unserem Auftrag unter Oberösterreichs Industriebetrieben durchgeführt hat. Ein bemerkenswertes Ergebnis ist, dass die Stimmung unter Oberösterreichs Industrie aktuell schlecht ist, dass man aber gleichzeitig trotz aller Probleme langfristig positiv in die Zukunft geht. Wir müssen alles tun, damit die Industrie diesen positiven Zugang zur Zukunft nicht verliert. Denn Resignation würde bedeuten, dass Industriebetriebe abwandern, Investitionen stark gekürzt werden, Arbeitsplätze reduziert werden und vieles mehr. Das muss unbedingt gemeinsam verhindert werden, denn Probleme der Industrie gehen in ihrer Wirksamkeit weit über den Sektor hinaus, sie betreffen letztlich uns alle. Wir müssen mit voller Kraft daran arbeiten, dass die Konjunktur wieder anspringt, das schaffen wir nur, wenn wir die Rahmenbedingungen nachhaltig verbessern und Schwachstellen der vergangenen Jahre auflösen. Die Sparte Industrie der WKOÖ hat dazu ein 16-Punkte-Programm ausgearbeitet. Diese 16 Punkte sind Forderungen, die wir an die künftige Bundesregierung, aber auch an die Landesregierung in Oberösterreich adressieren werden“, sagt Frommwald. „Drei Punkte aus diesem Programm sind unserer Überzeugung besonders entscheidend“, betont der Spartenobmann:
Senkung der Abgabenquote und der Lohnnebenkosten: Die Kostensteigerungen der vergangenen Jahre sind alleine durch Effizienzsteigerungen und Preisanhebungen von den Industriebetrieben nicht mehr zu kompensieren. Wenn sich Prozesse oder ein Unternehmen insgesamt dauerhaft nicht mehr rechnen, dann müssen massive Änderungen angegangen werden, die letztlich alle schwächen. Es kommt zu Personalabbau, Verlagerung in weniger kostenintensive Gebiete, Rücknahme von Investitionsvorhaben usw. „Wir müssen hier in der Wirtschaftspolitik die richtigen Entscheidungen treffen und die Steuerlast und Lohnnebenkosten senken. Dieses Thema steht stabil auf unserer Agenda, aber nie war es so erfolgskritisch wie heute“, betont Frommwald.
Energietransformation mit wettbewerbsfähigen Preisen und praxistauglicher Umsetzung: „Dieses strategische Handlungsfeld zahlt natürlich ebenso in die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie ein. Wir brauchen Versorgungssicherheit, Planbarkeit, Kosteneffizienz und eine ökologische Transformation. Aber das eine darf nicht zu Lasten des anderen gehen. Wir müssen die ökologische Transformation mit Wettbewerbsfähigkeit verknüpfen, um unsere Wirtschaft global leistungsstark zu halten. Diese Forderung vertreten wir als Sparte Industrie nicht nur vehement, wir arbeiten hier mit unseren Experten auch aktiv mit Beratung zu Förderungen und den richtigen Ansprechpartnern bei Transformationsprojekten daran, Oberösterreichs Industrie zu entlasten und in diesem Transformationsprozess bestmöglich zu begleiten“, so Frommwald.
Bürokratieabbau, u.a. durch Reduktion von überbordenden Meldepflichten und Beschleunigung von Verwaltungsverfahren: „Wie auch die IMAS-Befragung zeigt, haben wir uns bezüglich Bürokratie und administrativen Vorgaben in den vergangenen Jahren europaweit deutlich in die falsche Richtung entwickelt. Wir müssen unsere Betriebe mit klaren, leicht fassbaren Richtlinien, schlanken Dokumentations- und Monitoringprozessen und einem wachsenden Maß an Autonomie und Eigenverantwortung entlasten. Diese zentrale Forderung an die politischen Entscheider versuchen wir, mit unserem Beratungs- und Netzwerkprogramm im Rahmen der Möglichkeiten für unsere Industriebetriebe in die Realität umzusetzen. Der große Hebel liegt aber in der Gesetzgebung und der europäischen Richtlinienpolitik, hier muss sich dringend etwas ändern“, fordert Frommwald.