Wenn wir nicht rasch gegensteuern, fahren wir unser Pensionssystem gegen die Wand
„Mit der ,Babyboomer–Generation‘ verabschieden sich sukzessive wertvolle Arbeits- und Fachkräfte in die Pension und hinterlassen große Lücken am Arbeitsmarkt“, warnt WKOÖ-Präsidentin Doris Hummer.
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Die den „Babyboomern“ nachfolgenden, geburtenschwachen Jahrgänge können diese Lücken nicht schließen, sodass laut ECO Austria allein in Oberösterreich bis 2035 mit einem Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung um satte 5 Prozent zu rechnen ist. „Eine weitere Ursache für den, trotz der aktuell angespannten Wirtschaftslage, steigenden Arbeits- und Fachkräftemangel ist, dass die Österreicher im OECD-Vergleich deutlich früher den Ruhestand antreten als andere Länder. Würde es gelingen, das faktische Antrittsalter in Österreich um nur ein Monat zu erhöhen, würde dies 200 Millionen Euro an Kostenersparnis bringen“, sagt Hummer.
Pensionsbedingte Budgetkrise
„Österreich schlittert zunehmend in eine pensionsbedingte Budgetkrise. Allein der Zuwachs bei den Pensionsausgaben von 2022 auf 2027 wird laut Strategiebericht des Finanzministeriums 12 Milliarden Euro betragen und damit mehr als die gesamten Ausgaben für Familien oder Bildung“, nennt Hummer alarmierende Zahlen und bringt auf den Punkt: „Bei Teilzeitarbeit und bei vorzeitigen Pensionsantritten liegen wir im Spitzenfeld. Gleichzeitig schrumpft die Erwerbsbevölkerung. Das kann sich nicht ausgehen. Wenn wir nicht unverzüglich gegensteuern und alle Hebel in Bewegung setzen, fahren wir nicht nur unser Pensionssystem, sondern auch unseren gesamten Wirtschaftsstandort gegen die Wand!“
Potenzial älterer Mitarbeiter heben
„Eine im Herbst 2024 durchgeführte Studie unter Personalverantwortlichen in der oö. Industrie hat die Herausforderungen und Potenziale, die mit der Beschäftigung älterer Mitarbeiter in Industriebetrieben verbunden sind, untersucht. Ein zentrales Hindernis für eine längere Erwerbstätigkeit liegt offenbar in der Tatsache, dass es sich immer mehr Menschen leisten können und wollen, die Pensionsabschläge für ein frühzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verkraften“, berichtet Erich Frommwald, Obmann der Sparte Indutrie der WKOÖ. „Auf betrieblicher Ebene tun wir bereits vieles, um das Potenzial älterer Mitarbeiter zu heben. Was es allerdings dringend braucht, sind Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Unser Pensionssystem muss künftig mehr Anreize bieten, damit Mitarbeiter länger ihre Leistung im Erwerbsleben erbringen“, so der Spartenobmann.
Finanzielle Schieflage belastet System zunehmend
„Aufgrund des demografischen Wandels und der steigenden Lebenserwartung steht unser Pensionssystem vor gravierenden Herausforderungen. Derzeit kommen rund 33 Personen im Alter von 65 Jahren und älter auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter. Dieser Wert wird bis 2052 auf 59 und bis 2082 auf 66 ansteigen. Das bedeutet, dass immer weniger Erwerbstätige für immer mehr Pensionisten aufkommen müssen, eine finanzielle Schieflage, die das System zunehmend belastet“, sagt Univ.-Prof. Martin Halla. „Bei vielen, die sich für eine vorzeitige Alterspension entscheiden, scheint die Abwägung zwischen mehr Freizeit und einer geringeren Pension häufig zugunsten der Freizeit auszufallen. Ökonomische Studien zeigen, dass höhere Abschläge ein wirksames Mittel sind, um den Anreiz für einen vorzeitigen Pensionsantritt zu senken. Gleichzeitig sollten jedoch auch andere Faktoren wie die Arbeitsbedingungen älterer Arbeitnehmer und die gesundheitliche Verfassung berücksichtigt werden, um eine nachhaltige Verlängerung der Erwerbsdauer zu fördern. Komplementär könnten steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Anreize genutzt werden, um Personen über das Regelpensionsalter hinaus in Beschäftigung zu halten“, erklärt Halla.
Die im Rahmen des Projekts „One Year More“ durchgeführte tiefgehende Standortbestimmung verfolgt folgende strategische Zielsetzungen: Prüfung der Notwendigkeit von strukturellen Anpassungen, damit die Verfügbarkeit des erforderlichen Arbeitskräftepotenzials sichergestellt wird, eine nachhaltige Finanzierung des Pensionssystems gewährleistet werden kann und budget- und fiskalpolitisch neuer Spielraum geschaffen wird, damit zukunftsorientierte Investitionen und Entlastungsmaßnahmen erfolgen können.
Es geht nicht um die Anhebung des Regelpensionsalters
„Übergeordnetes Ziel im Sinne aller Beteiligten muss sein, Menschen gesund, zufrieden und produktiv bis zum Erreichen des Regelpensionsalters im Erwerbsleben zu halten bzw. ein vorzeitiges Ausscheiden (von gesunden Menschen) möglichst zu verhindern“, ist WKOÖ-Präsidentin Doris Hummer überzeugt.