Exportmotor wieder in die Gänge bringen
WKOÖ-Präsidentin Hummer: Alternativmärkte mit guten Wachstumsaussichten bearbeiten, ist jetzt das Gebot der Stunde
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Österreichs Außenhandel verzeichnete im 1. Halbjahr 2024 einen Rückgang der Ausfuhren um 5,2 Prozent und der Einfuhren um 10,9 Prozent. Besonders betroffen war der Handel mit unserem wichtigsten Handelspartner Deutschland. Dennoch gab es auch Exportzuwächse in bestimmten Märkten, etwa in den USA und China. „Auf diese beiden solide wachsenden Exportdestinationen inklusive auf Südasien, dem Nahen Osten oder Lateinamerika müssen wir jetzt den Fokus lenken“, betont WKOÖ-Präsidentin Doris Hummer.
In Oberösterreich, dem exportstärksten Bundesland, hat sich die schwache Außenhandelsentwicklung besonders stark niedergeschlagen, geht aus den Halbjahreszahlen der Statistik Austria hervor. Bei den Warenexporten verzeichnet Oberösterreich im Vergleich zum 1. Halbjahr 2023 einen Rückgang von 10,8 Prozent. Die Importe sanken um 7,9 Prozent. Besonders die Wettbewerbsschwäche Deutschlands, mit rund 30 Prozent Anteil Österreichs wichtigster Exportpartner, belastet die Unternehmen. Ein Grund ist die schwächelnde deutsche Autoindustrie, von der Oberösterreichs Zulieferer besonders stark abhängig sind. Grundsätzlich aber haben die stark gestiegenen Produktionskosten (Personal, Material und Energie) die Lohnstückkosten überproportional in die Höhe getrieben, die (ober-)österreichischen Produkte enorm verteuert und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen spürbar verschlechtert.
Trotz der Rückgänge gab es aber auch positive Entwicklungen. So wurden in die USA um 14 Prozent mehr als in der gleichen Periode 2023 exportiert, in den Nahen Osten waren es sogar 17,2 Prozent und nach China 7,3 Prozent. Dies beweist vorhandenes Potenzial für alternative Märkte. „In Zeiten rückläufiger Warenexporte ist es für Unternehmen besonders wichtig, solche alternative Märkte zu erschließen und sich breiter aufzustellen. Das verteilt die Risiken besser und trägt langfristig zur wirtschaftlichen Stabilität bei“, weiß Hummer.
Hummer: Freihandel statt teurem Protektionismus
Die USA, China, der Nahe Osten, aber auch Indien bzw. ganz Südasien oder Lateinamerika könnten solche spannenden Märkte sein. Das gilt auch für die Mercosur-Länder Argentinien, Bolivien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, mit denen die EU kürzlich ein Freihandelsabkommen geschlossen hat. „Insbesondere in Zeiten einer schwachen Konjunktur und angedrohten Importzöllen seitens der USA sind starke Freihandelsabkommen Gold wert. Von der weltgrößten Freihandelszone mit über 700 Millionen Menschen dürfen wir spürbare Wachstumssignale in vielen Wirtschaftsbereichen erwarten“, unterstreicht Hummer.
„Bei der Erschließung dieser Alternativmärkte tatkräftig unterstützt werden die Exporteure vom globalen Netzwerk der AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA“, erklärt Hummer. Die Wirtschaftsdelegierten der Außenwirtschaftsorgansiation helfen heimischen Unternehmen auf vielfältige Art und Weise, u.a. beim Zugang zu neuen Märkten und bei der Vernetzung mit Geschäftspartnern. Um die Chancen auf den erfolgversprechenden Märkten USA, China und Nahost/Saudi-Arabien besser einschätzen zu können, haben die zuständigen Wirtschaftsdelegierten die mittelfristige Entwicklung in den drei Volkswirtschaften in Statements bewertet.
Michael Dobersberger, Wirtschaftsdelegierter San Francisco/USA
Die USA bieten oö. Unternehmen, insbesondere in den Bereichen Maschinenbau, Umwelttechnologien und Smart-City-Konzepte attraktive Exportmöglichkeiten. Die laufende Transformation der Industrie hin zu mehr Automatisierung und die Modernisierung der Infrastruktur treiben die Nachfrage nach fortschrittlichen Technologien. Vor allem in den Südstaaten, wo eine starke industrielle Basis zunehmend auf Effizienzsteigerung setzt, gibt es Chancen bei Industrie 4.0. Oö. Unternehmen können hier mit ihrer Innovationskraft in Automatisierung und Energieeffizienz eine Schlüsselrolle spielen. Auch in urbanen Zentren wie New York, Chicago oder Los Angeles gibt es große Potenziale. Diese Städte kämpfen mit Verkehrsstaus, Energieineffizienz und Luftverschmutzung — Herausforderungen, denen oö. Unternehmen mit nachhaltigen Technologien und Smart-City-Lösungen begegnen können. Den Beginn der Präsidentschaft Trump 2.0 und erste politische Entscheidungen sollte man genau beobachten. Angekündigte Einfuhrzölle oder nicht-tarifäre Handelshemmnisse könnten die Marktbearbeitung kostspielig und schwierig machen. Analysten sehen aber auch positive Signale. Man erwartet Steuererleichterungen, günstigere Energie und weniger Bauvorschriften. Das könnte insbesondere im Technologiesektor einen Wachstumsschub auslösen.
Birgit Murr, Wirtschaftsdelegierte Guangzhou/China
In China boomt die Automobilbranche (v.a. E-Mobilität und autonomes Fahren). Doch die Branche ist hart umkämpft und einem enormen Preisdruck ausgesetzt. Hier bieten sich Chancen für Unternehmen, etwa durch den Export von Maschinen und Equipment zum Produktionsaufbau an große OEM. Chinesische Firmen verlagern, um EU-Zölle zu umgehen, ihre Produktionsstandorte vermehrt nach Europa (v.a. Ungarn oder Slowakei). Österreichs Unternehmen könnten diese Standorte künftig beliefern, wenn jetzt Partnerschaften in China aufgebaut werden. Gleichzeitig ist es wichtig, verwandte Branchen wie die Luft- und Raumfahrt ins Visier zu nehmen. Diese Bereiche sind aufgrund ihrer Sicherheitssensibilität besonders stark im Fokus von Chinas Regierung. Hier, aber auch in Umwelttechnologie, Energieeffizienz, im Gesundheitssektor und in der Batterie- und Hydrogenforschung sind hochwertige Produkte gefragt. Ein entscheidender Vorteil für Österreichs Unternehmen ist der Service, der ihre Produkte von der Konkurrenz abhebt, gerade langfristig. Unternehmen sollten zudem stark auf die Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern setzen. Die Zeiten, in denen chinesische Unternehmen unsere Produkte lediglich optisch kopierten, sind vorbei. Um die richtigen Themen zu identifizieren und Nischen zu besetzen, ist es essenziell, vor Ort zu sein, während man gleichzeitig von der Innovationskraft lernen kann. Denn China ist nicht nur ein riesiger, sondern auch ein äußerst innovativer Markt, der gezielt auf neue Technologiefelder setzt und diese rasch vorantreibt. Davon können sich heimische Unternehmen einiges abschauen.
Christoph Pfeifer, Wirtschaftsdelegierter Riyadh/Saudi-Arabien
Von Jänner bis September 2024 sind Österreichs Exporte nach Saudi-Arabien um 50 Prozent auf 552 Mio. Euro gestiegen. Damit setzt sich der positive Trend der letzten Jahre fort. Die wirtschaftliche Entwicklung in Saudi-Arabien bleibt äußerst dynamisch — für 2025 wird ein Wirtschaftswachstum von 4,8 Prozent prognostiziert. Geschäftschancen für oö. Unternehmen bieten sich in nahezu allen Sektoren. Die saudische Wirtschaft ist die größte im Nahen Osten und die 19.-größte der Welt. Zwar dominiert Erdöl die Wirtschaft, aber es gibt mit der Vision 2030 auch ein langfristiges Diversifizierungsprogramm für die saudische Wirtschaft. Im Rahmen der Vision 2030 bieten sich lokalen wie ausländischen Unternehmen zahlreiche Investitionsmöglichkeiten. Der Public Investment Fund (PIF) ist der Treiber des wirtschaftlichen Transformationsprozesses und Umsetzungsinstrument der Vision 2030. Neben Investitionen des PIF in große Projekte (Mega- und Gigaprojekte) sollen vor allem auch lokale Produktionen (z.B. Pharma, E-Autoindustrie), Tourismus, Bergbau und erneuerbare Energien vorangetrieben werden.