Sparte Industrie

KV-Verhandlungen in der Sackgasse

Lesedauer: 3 Minuten

Trotz erheblicher Zugeständnisse seitens der Industrie konnte bei den Kollektivvertragsverhandlungen der Metalltechnischen Industrie bislang keine Einigung erzielt werden.  Ein rascher und für beide Seiten tragbarer Abschluss ist dringend notwendig. Gleichzeitig muss realistischer Weise gesehen werden, dass außerhalb des Einflusses der Sozialpartner liegende Entwicklungen den Spielraum für KV-Verhandlungen gefährlich einengen. 

Das hohe Lohn- und Einkommensniveau in der österreichischen Industrie - sowohl im Vergleich mit anderen Berufsgruppen in Österreich, als auch im internationalen Vergleich – ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Industrie ihre Mitarbeiter mit größter Wertschätzung behandelt und auch weiß, dass der internationale Erfolg der Industrie zu einem wesentlichen Teil auf gut ausgebildete und leistungsbereite Mitarbeiter zurückzuführen ist.  Es ist immer ein wenig schmerzlich, wenn im Eifer von KV-Verhandlungen seitens der Arbeitnehmervertreter diese grundsätzliche Wertschätzung in Frage gestellt wird. Die österreichische Industrie war immer und ist unverändert bereit, den gemeinsam erzielten Zuwachs an nachhaltiger Wertschöpfung auch in fairer Weise in entsprechende Gehaltserhöhungen einfließen zu lassen. 

Wir stehen allerding gemeinsam vor zwei Problemen, die KV-Verhandlungen massiv erschweren: Zum einen beobachten wir seit einigen Jahren massive und erratische Ausschläge der Geschäftstätigkeit, zum anderen erleben wir ebenfalls seit einigen Jahren die schleichende Rückkehr der Inflation. Beide Faktoren bereiten beiden Seiten bei den KV-Verhandlungen größte Schwierigkeiten.   

Die starken Ausschläge in der Geschäftstätigkeit zeigen sich in einer wachsenden Zahl an Unternehmen und Branchen. Zwischen Vorzeigeunternehmen und Sanierungsfall liegen mitunter nur ein Zeitraum von einigen Monaten, in denen sich der konjunkturelle Wind oder die strukturelle Ausrichtung einer Branche komplett gedreht hat. Und mitunter sind es wieder nur einige Monate, und die Lage hat sich radikal zum Besseren gewendet.  Gerade die letzten Monate haben nahezu alle Bereiche der Industrie solche Berg-und-Tal-Fahrten durchgemacht, von der vielfach tiefsten Krise im Jahr 2020 zu Rekorden in den Auftragsbüchern im (Früh-)Sommer des laufenden Jahres. Im Herbst 2021 erleben die Unternehmen, dass Aufträge aufgrund von Problemen der Lieferketten nicht ausgeführt werden können und vereinbarte Lieferkontingente auch plötzlich nicht mehr abgerufen werden.  In einer solch volatilen Situation sind KV-Verhandlungen extrem schwierig, da Unternehmen das ganze Risiko der Unsicherheit am Markt selber tragen müssen, wogegen sie dauerhafte Gehaltserhöhungen (und damit entsprechend höhere Fixkosten) zusagen müssen.   

Auch wenn dies für die Gewerkschaften ein rotes Tuch ist: Man wird bei einem Anhalten dieser hohen Volatilität – und dies ist auch nach der Coronakrise zu erwarten – bei KV-Verhandlungen ernsthaft über Prämien und Einmalzahlungen sprechen müssen, die nicht zu einer dauerhaften Anhebung der (fixen) Arbeitskosten führen. 

Ein nicht geringeres Problem als die stark schwankende Geschäftstätigkeit ist die Inflation.  Schon vor der Coronakrise gab es eine Inflationsbeschleunigung, die auf Gebühren und staatlich administrierte Preise zurückzuführen war.  Nunmehr gibt es eine – noch deutlichere – Inflationsbeschleunigung, die auf die Knappheit bei manchen Vormaterialen und auf stark steigende Energiekosten zurückzuführen ist. All diesen Inflationsphänomen ist gemeinsam, dass sie die Industrie belasten: Höhere Gebühren, Vormaterialpreise und Energiekosten sind bei der Industrie nicht einfach Durchlaufposten, sondern schmälern die Geschäftsergebnisse, beeinträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit und schwächen letztlich den Wirtschaftsstandort. Gleichzeitig erwarten die Arbeitnehmer, dass die Abgeltung der Inflationsrate schon gar nicht mehr diskutiert werden muss, sondern eine Selbstverständlichkeit ist. So gut das aus Sicht der Arbeitnehmer nachvollziehbar ist, die Industrie steht damit vor einem mehrfachen Kostendilemma: Auf der einen Seite steigende Gebühren, Vormaterialpreise und Energiekosten und auf der anderen Seite höhere Lohnkosten. Kann sich das ausgehen?

Angesichts leerer Staatskassen und dem politischen Ziel, die Energiepreise aus Klimaschutzgründen zu erhöhen, wird seitens der öffentlichen Gebühren und der Energiekosten der Inflationsdruck nicht schwächer werden.  Man wird sich zweifellos die technische Gestaltung der Inflationsberechnung in Zukunft genauer ansehen müssen – man kann nicht steigende CO2-Preise in die Inflationsrate einbeziehen, den Klimabonus aber ignorieren -; und man wird generell die Inflationsrate analysieren müssen, zu welchem Teil sie auf rein externe Kostenfaktoren beruht (wie beispielsweise öffentliche Gebühren), die von der Industrie nicht übernommen werden können.  Mit Blick auf die vorhersehbare Zusatzbelastung durch Energiekosten muss hier auch betont werden, dass der von der Industrie vorgeschlagene Abtausches von (zusätzlichen) Umweltsteuern gegen eine Senkung der Lohnnebenkosten in Österreich – der im Zuge der Steuerreform leider ignoriert wurde –die angesprochene Problematik hätte entschärfen können. 

Aus Sicht der Industrie ist sehr zu bedauern, wenn  KV-Verhandlungen zu stärkeren Polarisierungen führen.  Um den Konfliktstoff aus künftigen Verhandlungen herauszunehmen, sollte beizeiten der Umgang mit einer zunehmend sprunghaften Wirtschaftsentwicklung und einer – letztlich politisch induzierten – Inflationskulisse offen diskutiert werden. Denn das letzte, was dem Standort Österreich hilft, ist eine Verschärfung des Tons zwischen den Sozialpartnern aufgrund von Themen und Entwicklungen, auf die beide Seiten letztlich keinen Einfluss haben.

Unterschrift
©

Mag. Sigi Menz
Obmann der Bundessparte Industrie

Stand: 03.11.2021

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