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Änderungen im Arbeits- und Sozialrecht ab 1.1.2021

Im Folgenden finden Sie einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen, die Ende des Jahres 2020 im Parlament beschlossen wurden. Die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt bleibt abzuwarten.

Lesedauer: 6 Minuten

06.06.2023

Arbeitsrecht 

1. Verschiebung der Angleichung der Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten (§ 1503 Abs. 15 ABGB) BGBl. I Nr. 131/2020

Die für 1.1.2021 geplante Angleichung wird um ein halbes Jahr auf 1.7.2021 verschoben. Die Verlängerung der Kündigungsfristen für Arbeiter ist auf Beendigungen anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 ausgesprochen werden.

 

2. Aktives Wahlalter zum Betriebsrat 378 d.B.

Es wird im Arbeitsverfassungsgesetz und im Post-Betriebsverfassungsgesetz von 18 auf 16 Jahre gesenkt.

Achtung: Damit zählen 16- und 17-Jährige auch bei der Berechnung der erforderlichen Anzahl von stimmberechtigten Arbeitnehmern für die Betriebsratswahl mit. Ab fünf stimmberechtigten Arbeitnehmern kann ein Betriebsrat gebildet werden und besteht der allgemeine Kündigungsschutz (§ 105-107 ArbVG).

 

3. Sonderfreistellung COVID-19 (§ 3a MSchG) 182/BNR

Schwangere Arbeitnehmerinnen sind ab der 14. Schwangerschaftswoche bei Dienstleistungen mit physischem Körperkontakt unter Entgeltfortzahlung freizustellen, wenn die Änderung der Tätigkeit oder des Arbeitsplatzes oder Homeoffice nicht möglich sind. Der Arbeitgeber bekommt das fortgezahlte Entgelt samt Lohnnebenkosten vom Bund erstattet. Die Regelung ist mit 31.3.2021 befristet.

 

4. Sonderbetreuungszeit (§ 18b AVRAG) BGBl. I Nr. 131/2020

Es werden zwei Modelle eingeführt: Die Sonderbetreuungszeit mit Rechtsanspruch und die Sonderbetreuungszeit ohne Rechtsanspruch (Vereinbarungsmodell). Die Änderungen gelten rückwirkend mit 1.11.2020.

 

  • Sonderbetreuungszeit mit Rechtsanspruch 

Die Sonderbetreuungszeit wird bis 9.7.2021 verlängert (Ende des Schuljahres 2020/2021). Es besteht nun ein Rechtsanspruch darauf. Auch Schlüsselkräfte können ihn geltend machen. Das diesbezügliche Ablehnungsrecht des Arbeitgebers entfällt. Im Gegenzug wird dem Arbeitgeber nun 100% des fortgezahlten Entgelts erstattet (bisher 50%). Neu ist auch, dass Sonderbetreuungszeit dann zusteht, wenn das Kind, für das eine Betreuungspflicht besteht, gem. § 7 EpG abgesondert wird. 

Der Rechtsanspruch besteht allerdings nur, wenn  

  • Einrichtungen (Schulen, Kindergärten) aufgrund behördlicher Maßnahmen geschlossen werden, nicht für die Zeit der Ferien UND
  • die Betreuung des Kindes notwendig ist, d.h. dass z.B. keine andere Betreuungsperson verfügbar ist.

Die Erläuterungen zum Antrag stellen diese Alternative in Aussicht: Demnach soll wie im Frühjahr 2020 auch bei weiterführenden Schulschließungen eine Kinderbetreuung soweit möglich sichergestellt werden.

  • Die Voraussetzung, dass sonst kein Anspruch auf Dienstfreistellung zur Betreuung des Kindes vorliegt, wurde gestrichen. 

Ergänzt wird die Pflicht des Arbeitnehmers, den Arbeitgeber unverzüglich nach Bekanntwerden der Schließung zu verständigen und alles Zumutbare zu unternehmen, damit die vereinbarte Arbeitsleistung zustande kommt. Der Arbeitnehmer muss sich somit um Alternativen bemühen, bevor er die Sonderbetreuungszeit beansprucht. 

Der Anspruch beträgt insgesamt 4 Wochen (bisher 3). Im Frühjahr, in den Sommerferien oder im Oktober 2020 gewährte Sonderbetreuungszeiten sind darauf nicht anzurechnen.

 

  • Sonderbetreuungszeit ohne Rechtsanspruch (Vereinbarungsmodell) 

Liegen die Voraussetzungen für den Rechtsanspruch deshalb nicht vor, weil die Betreuung des Kindes nicht notwendig ist (weil z.B. die Schulen weiter Kinderbetreuung anbieten), dann kann Sonderbetreuungszeit vereinbart werden. Auch in diesem Fall hat der Arbeitgeber Anspruch auf eine Vergütung des gesamten während der Sonderbetreuungszeit fortgezahlten Entgelts.

 

5. Lehrlingseinkommen

Der Begriff "Lehrlingsentschädigung" soll im Arbeitsverfassungsgesetz durch den Begriff "Lehrlingseinkommen" ersetzt werden.

 

6. Kurzarbeit

  1. Keine Rückforderungen bei fehlendem ersten Monat vor Kurzarbeit: Nun besteht die gesetzliche Basis dafür, dass die Nichterfüllung der Voraussetzung des ersten Monats vor Kurzarbeit bei Projekten, die in der Phase 1 begonnen haben (1.3. bis 31.5.2020), nicht zu einer  Rückforderung der Beihilfe führt (§ 37b Abs. 8 AMSG).
  2. Der maximale Arbeitszeitausfall in Betrieben, die vom Betretungsverbot unmittelbar betroffen sind, kann während der Dauer des Betretungsverbots 100 % betragen (§ 37b Abs. 9 AMSG).
  3. Änderung in der Lohnverrechnung bei Niedrigeinkommen, für die der AN keinen vollen Arbeitslosenversicherungsbeitrag zahlen muss (AMPFG, AMSG). 

 

Sozialversicherungsrecht 

1. Verlängerung der Geltungsdauer folgender pandemierelevanter Maßnahmen (SVÄG 2020) 146/BNR

  1. Unfallversicherungsschutz für Homeoffice bis zum 31. März 2021, VO-Ermächtigung bis 30. Juni 2021
  2. Freistellung für Risikogruppen durch VO bis längstens 30. Juni 2021

 

2. Kinderbetreuungsgeldgesetz: Erleichterungen beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld

Erwerbstätige Eltern sollen den Tagesbetrag erhalten können, den sie mit ihren Einkünften aus dem Jahr vor der COVID-19-Krise erhalten hätten.


3. Beitragsrechtliche Erleichterungen für Dienstgeber nach § 733 ASVG, 2. SVÄG 2020) 198/BNR

Aufgrund der Fortdauer der COVID-19-Pandemie wird die Möglichkeit für Stundungen und Ratenzahlungen verlängert. Die Zielsetzung war eine weitgehende Angleichung der Regelung zwischen Finanz und Sozialversicherung. Das COVID-19-Ratenzahlungsmodell der Finanz wurde im COVID-19-Steuermaßnahmengesetz (BAO) verankert. Die Neuerungen sehen folgende Eckpunkte vor: 

  • Beitragszeiträume 02-04/2020: Der bisher in § 733 Abs. 7 vorgesehene Einzahlungstermin zum 15.1.2021 wird verzugszinsenfrei auf den 31.3.2021 verschoben. Eine freiwillige Zahlung vor dem 31.3.2021 ist möglich. Anstelle der bisher vorgesehenen gesetzlichen elf Raten kann ein Antrag auf Ratenzahlungen gestellt werden.
  • Beitragszeiträume 05-12/2020: Die Beiträge, für die Stundungen und Ratenzahlungen gewährt wurden, sind abweichend von diesen bereits getroffenen Vereinbarungen spätestens am 31.3.2021 einzuzahlen, danach kann ein neuer Antrag auf Ratenzahlungen gestellt werden. Vorteil: längerer Ratenzahlungszeitraum und übersichtliche Ratenvereinbarung. Es steht dem Dienstgeber frei, bislang gewährte Stundungen und Ratenvereinbarungen unverändert aufrecht zu lassen.
  • Beitragszeiträume 01-02/2021: Auch für die Beitragszeiträume Jänner bis Februar 2021 gibt es die Möglichkeit der Stundung bis zum 31.3.2021, danach kann ein Antrag auf Ratenzahlung gestellt werden. 
  • Die Verzugszinsen werden reduziert und betragen nach § 746 Abs. 4 ASVG im Zeitraum vom 1. April 2021 bis 30. Juni 2022 für alle Dienstgeber 2% über dem Basiszinssatz (2021: 1,38%). Die Verzugszinsen für 2020 bleiben wie bisher, Die nach § 733 Abs. 15 idF SVÄG 2020 rückwirkend ab Mai 2020 vorgesehene Verzugszinsenfreiheit wird wieder aufgehoben. Eine Nachsicht nach § 59 ist möglich.
  • Die Ausnahmeregelung für Dienstnehmer in Kurzarbeit, wegen Zugehörigkeit zur COVID-19-Risikogruppe freigestellte Dienstnehmer und nach dem Epidemiegesetz abgesonderte Dienstnehmer gilt weiterhin.
  • Die insolvenzrechtlichen Begleitmaßnahmen werden angepasst: Die während der Stundungs- sowie der Teil- und Ratenzahlungszeiträume nach § 733 Abs. 7 bis 8b geleisteten Zahlungen können weder nach der IO noch nach der AnfO angefochten werden.

 

  • Ratenzahlungen - Einrichtung eines Zwei-Phasen-Modells:
  • Phase 1:
    • Dem Dienstgeber können auf Antrag angemessene Ratenzahlungen bis längstens 30. Juni 2022 für die zum 31. März 2021 noch nicht entrichteten Beiträge gewährt werden.
    • Voraussetzung ist die Glaubhaftmachung, dass diese Beiträge zu diesem Zeitpunkt wegen der COVID-19-Pandemie aus Gründen der Unternehmensliquidität nicht entrichtet werden können.
    • Die Dienstgeber werden um Antragstellung im März 2021 ersucht.

  • Phase 2:
    • Nach Ablauf des ersten Ratenzahlungszeitraums kann sich ein weiterer Ratenzahlungszeitraum bis längstens 31. März 2024 anschließen, wenn in der Phase 1 bereits 40% der ursprünglichen Beitragsschuld beglichen wurden.
    • Für Beiträge, für die bereits die Phase 1 gewährt wurde, die aber in diesem Ratenzahlungszeitraum nicht vollständig entrichtet werden konnten.
    • In Phase 1 ist kein Terminverlust eingetreten.
    • Der Antrag ist bis zum 30. Juni 2022 einzubringen.
    • Der Ratenzahlungszeitraum beträgt längstens 21 Monate.
    • Der Antragsteller hat glaubhaft zu machen, dass er den verbliebenen Rückstand zusätzlich zu den laufenden Beiträgen innerhalb des beantragten Ratenzahlungszeitraums entrichten kann.

 

4. Steuer-/sozialversicherungsfreie Weihnachtsgutscheine nach § 746 Abs. 3 ASVG (2. SVÄG 2020)

  1. Korrespondierend zur Regelung im EStG sollen steuerfreie Weihnachtsgutscheine auch sozialversicherungsfrei sein.
  2. Inkrafttreten: rückwirkend mit 1.11.2020

 

5. Günstigkeitsvergleich bei Wochengeldberechnung und Kurzarbeit nach § 746 Abs. 5 ASVG (2. SVÄG 2020)

  1. Für die Dauer der COVID-19-Pandemie soll ein Günstigkeitsvergleich erfolgen, wenn der für die Berechnung des Wochengeldes heranzuziehende Beobachtungszeitraum in der Pandemiezeit gelegen ist. Beim dafür heranzuziehenden Arbeitsverdienst sind sowohl das konkrete, während der Kurzarbeit gebührende Arbeitsentgelt als auch die Kurzarbeitsunterstützung zu berücksichtigen. Die entsprechenden Unterlagen sind vorzulegen.
  2. Dies ist rückwirkend auf jene Versicherungsfälle der Mutterschaft anzuwenden, welche ab dem 11. März 2020 eingetreten sind. 


6. Künstlersozialversicherungs-Fonds (KSVF) 185/BNR

Die befristete Abgabensenkung zur Finanzierung des KSVF wird um ein Jahr bis Ende 2021 verlängert.


7. Verlängerung der Pendlerpauschale bei Homeoffice (COVID 19-Steuermaßnahmengesetz, im Nationalrat beschlossen)

Mit dem 3. COVID-19 Gesetz wurde normiert, dass das Pendlerpauschale in gleicher Höhe wie vor der COVID-19-Krise berücksichtigt werden kann, wenn die Strecke Wohnung-Arbeitsstätte nur aufgrund einer Quarantäne, Telearbeit bzw. Kurzarbeit aufgrund der COVID-19-Krise nicht mehr bzw. nicht an jedem Arbeitstag zurücklegt wird. Zulagen und Zuschläge, die an Arbeitnehmer in Quarantäne, Telearbeit bzw. Kurzarbeit aufgrund der COVID-19-Krise laufend weiter gezahlt werden, können ebenso gemäß § 68 Abs. 7 EStG weiterhin steuerfrei behandelt werden.

Diese Regelung war bis Ende 2020 befristet und wird bis Ende März 2021 verlängert und für Lohnzahlungszeiträume gelten, die vor dem 1. März 2021 enden.